Kenan Ayaz von Zypern an Deutschland ausgeliefert

Der kurdische Aktivist Kenan Ayaz ist von Zypern an die deutsche Justiz überstellt worden. Er wurde in die JVA Hamburg-Holstenglacis gebracht, die U-Haft ist mit einem strengen Haftstatut verbunden. AZADÎ richtet scharfe Kritik an die Bundesregierung.

Der kurdische Aktivist Kenan Ayaz ist von Zypern an die deutsche Justiz überstellt worden. Das teilt der Kölner Rechtshilfefonds AZADÎ mit. Nachdem der Supreme Court in Nikosia, das oberste Gericht Zyperns, einer Auslieferung des 49-Jährigen am 16. Mai zugestimmt hatte, diese aus Gesundheitsgründen in der vergangenen Woche nicht wie geplant durchgeführt werden konnte, erfolgte nunmehr am Freitag seine Überstellung an Deutschland. Wie Monika Morres von AZADÎ erklärte, wurde Ayaz noch am Sonnabend zur Eröffnung des Haftbefehls dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe vorgeführt. Inzwischen befindet er sich in der Justizvollzugsanstalt Hamburg-Holstenglacis.

Anklage wegen angeblicher PKK-Mitgliedschaft

Die bundesdeutschen Strafverfolgungsbehörden beschuldigen Ayaz der Mitgliedschaft in einer ihrer Meinung nach „terroristischen“ Vereinigung im Ausland – gemeint ist die PKK -, weshalb er gemäß §129a und §129b Strafgesetzbuch (StGB) angeklagt werden soll. Angeblich habe der Aktivist zwischen 2018 und 2020 verschiedene „PKK-Gebiete“ in Deutschland verantwortlich geleitet, darunter das Gebiet Hamburg. Laut Morres ist die gegen Ayaz verhängte Untersuchungshaft mit einem strengen Haftstatut verbunden. So seien beispielsweise Leserichter und Trennscheibe angeordnet worden.

Kenan Ayaz (bürgerlich Ayas) ist langjähriger Aktivist der kurdischen Bewegung und war in der Türkei aufgrund seiner politischen Identität insgesamt für zwölf Jahre im Gefängnis – zuletzt im Zusammenhang mit einem der sogenannten KCK-Verfahren. Seit 2013 lebte er im griechischen Teil von Zypern und ist anerkannter Flüchtling. Am 15. März war er aufgrund eines Auslieferungsersuchens aus Deutschland am Flughafen von Larnaka festgenommen und anschließend in zypriotische Haft genommen worden, als er zu einem Familienbesuch nach Schweden reisen wollte.

Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Efstathios K. Efstathiou, hatte alle Rechtsmittel eingelegt, um eine Auslieferung des Kurden zu verhindern. Um sich hiergegen zu wehren, begann dieser Anfang Mai einen Hungerstreik und bezeichnete die beantragte Auslieferung als „Dienstleistung des deutschen Staates für das Erdoğan-Regime“. Auch außerhalb Zyperns protestierten viele Menschen auf Demonstrationen und Kundgebungen sowie mit einer in der Schweiz initiierten Petition für die Freilassung von Kenan Ayaz und gegen eine Auslieferung.

Auslieferungen aus Italien, Frankreich und Belgien

In den vergangenen Monaten sind aufgrund von Haftbefehlen aus Deutschland kurdische Aktivisten bereits aus Italien, Frankreich und Belgien ausgeliefert worden. „So stoßen die beständigen Forderungen aus Ankara an die deutsche Politik und Justiz nach einem (noch) schärferen Vorgehen gegen die kurdische Bewegung auf Resonanz“, konstatiert Monika Morres. Das zeigten auch die zunehmenden Durchsuchungen von Wohnungen und kurdischen Gesellschaftszentren und vermehrten Ermittlungsverfahren nach den Paragrafen 129a/b StGB, die früher „nur“ als Verstöße gegen das Vereinsgesetz strafrechtlich verfolgt worden wären. Das betreffe unter anderem das Sammeln von Spenden oder die aktuelle beziehungsweise vergangene Vorstandstätigkeit in einem kurdischen Verein.

AZADÎ: Bundesregierung positioniert sich an Seite eines Autokraten

„Diese systematische Kriminalisierung wird seit nunmehr 30 Jahren nahtlos von allen bisherigen Bundesregierungen praktiziert und gerechtfertigt, unabhängig von strukturellen, organisatorischen oder ideologischen Veränderungen, die die kurdische Bewegung vorgenommen hat“, kritisiert Morres. Die Verantwortlichen würden sich bis heute einer politischen Auseinandersetzung entziehen und seien in dem Glauben, „Widersprüche und Konflikte mit dem Mittel des Strafrechts lösen“ zu können. „Und positionieren sich an die Seite eines Autokraten, der die eigene Bevölkerung tyrannisiert, grenzüberschreitende Militäroperationen durchführt, Chemiewaffen einsetzt und keine Skrupel hat, Regierungen unter Druck zu setzen.“