Halise Aksoy nach einem Jahr aus der Haft entlassen

Halise Aksoy, Friedensaktivistin und Mutter des gefallenen Guerillakämpfers Agit Ipek, dessen Leiche ihr per Kargo zugestellt wurde, ist nach einem Jahr aus türkischer Haft entlassen worden. Der Prozess gegen die Kurdin geht weiter.

Leben heißt Widerstand

Halise Aksoy ist nach einem Jahr aus türkischer Haft entlassen worden. Die Kurdin war im April vergangenen Jahres aufgrund von Aussagen des Kronzeugen Ümit Akbıyık in Amed (tr. Diyarbakır) verhaftet worden. Bei der dritten Hauptverhandlung im Prozess vor der zehnten Kammer des Strafgerichts Diyarbakır am heutigen Freitag wurde der Haftbefehl auf Antrag ihrer Verteidiger:innen Zeynep Karayılan und Necat Çiçek wegen fehlender Fluchtgefahr aufgehoben. Der Prozess wird am 18. September fortgesetzt.

Vor dem Gefängnis wurde Halise Aksoy von vielen Menschen mit Blumen und Applaus begrüßt. „Es lebe der Gefängniswiderstand!" wurde gerufen. Ihre ersten Worte nach der Freilassung galten ihren im Gefängnis zurückgebliebenen Freundinnen. „Ich bin nur physisch draußen, meine Seele ist immer noch drinnen. Hätte ich sie doch alle mitnehmen können..."

Halise Aksoy ist Mitglied der Friedensinitiative „Mütter mit weißen Kopftüchern“. Bekanntheit über die Grenzen Kurdistans hinaus erlangte sie im Frühjahr 2020, als ihr die sterblichen Überreste ihres Sohnes, dem Guerillakämpfer Agit Ipek (Nom de Guerre: Kemal Berxwedan), per Postzustellung in einer Kiste ausgehändigt worden waren.

Die Lebensgeschichte von Halise Aksoy steht symbolisch für den kurdischen Existenzkampf. Sie wurde im Dorf Tizyan (Elmabahçe) in der Provinz Mêrdîn (Mardin) in einer neunköpfigen Familie geboren und hatte acht Kinder. Die Familie war schon früh mit staatlicher Unterdrückung konfrontiert und zog 1993 nach Amed, weil sie sich nicht als „Dorfschützer“ für den türkischen Staat betätigen wollte. Ihr Haus im Dorf wurde von Soldaten niedergebrannt.

1996 zog die Familie nach Istanbul, wo sie weiter unter Druck gesetzt wurde. Halise Aksoys Sohn Agit wurde trotz seines jungen Alters wiederholt festgenommen und gefoltert. Im Jahr 2010, als er erst 15 Jahre alt war, verließ er sein Zuhause und kehrte nie wieder zurück. Şinda, die jüngste Tochter, folgte später ihrem Bruder und ging zur Guerilla in die Berge. Die Familie zog zurück nach Amed und Agit kam 2017 im Befreiungskampf ums Leben. In den folgenden Jahren suchte Halise Aksoy den Leichnam ihres Sohnes, bis ihr die sterblichen Überreste vor vier Jahren in einer per Fracht verschickten Kiste ausgehändigt wurden.

Im Dezember 2020 wurde eine Razzia in der Wohnung von Halise Aksoy durchgeführt, bei der Fotos ihrer Kinder beschlagnahmt wurden. Später, am 4. März 2022 und unmittelbar danach, am 18. Mai 2022, wurde Halise Aksoy gewaltsam festgenommen und nach einiger Zeit wieder freigelassen. Am 25. April 2023 wurde die Wohnung erneut durchsucht und Halise Aksoy zusammen mit ihrer Tochter Mizgin Karataş verhaftet.