Karayılan: Wenn ein Gegenangriff nötig ist, werden wir nicht zögern

Die PDK kooperiert mit Ankara und wird sich allem Anschein nach am nächsten Krieg gegen die PKK beteiligen. Reagierte diese auf bisherige Provokationen der Barzanîs aus Rücksicht auf die Bevölkerung nicht, werde dies im Kriegsfall anders sein.

Kriegsvorbereitungen in Südkurdistan

Murat Karayılan hat sich als Mitglied des Exekutivrats der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gegenüber ANF zu aktuellen Themen geäußert. Der 69-Jährige, der zugleich Oberkommandierender des zentralen Hauptquartiers der Volksverteidigungskräfte (NPG) ist, nahm dabei auch Stellung zum derzeitigen Kriegsgeschehen in Kurdistan, insbesondere im Hinblick auf die Rolle der Ankara-nahen Barzanî-Partei PDK in den türkischen Besatzungsplänen in Başûr. Wir veröffentlichen Teil zwei des leicht gekürzten Kommentars von Karayılan:

Ich kenne Bafel Talabanî nicht persönlich, seinen Vater Mam Celal kannte ich allerdings sehr gut. Ich würde sagen, wir waren Freunde. Aber ich habe Bafels Äußerungen in der Presse verfolgt. Sie waren sehr gewissenhaft, offen, klar und vor allem sozial. Was waren seine Worte? Er fragte, warum sie eine kurdische Partei bekämpfen sollten. Er weigert sich, gegen irgendeine kurdische Kraft in den Krieg zu ziehen. Gibt es etwas Natürlicheres als das? Das sollte doch der Standpunkt eines jeden Kurden und jeder kurdischen Partei sein. Die Reaktion Talabanîs auf die Drohungen und den Druck gegen seine Partei werden die YNK nochmals stärken, da bin ich mir sicher. Es geht schließlich um eine Haltung mit dem Aspekt eines Nationalbewusstseins. Schon Celal Talabani hatte gesagt: „Nicht mal eine Katze werden wir den Türken aushändigen.“ Bafel Talabanî ist in den Fußstapfen seines Vaters. Er besitzt eine nationale Haltung, und dies völlig unabhängig von uns. Er schreitet selbstbewusst auf seinem politischen Weg.


PDK-Kräfte betreiben Spionage für Ankara

Bemerkenswert ist noch etwas anderes. In letzter Zeit hören wir türkische Staatsvertreter häufig sagen, dass sie im Einvernehmen mit der PDK seien. Man wolle die Zusammenarbeit weiter ausbauen, heißt es immer wieder. Da fragt man sich, was noch mehr Kollaboration wohl zu bedeuten hat? Den intensiven Austausch von nachrichtendienstlich relevanten Informationen gibt es ja bereits. Früher betätigte sich nur die Parastin in Auskundschaftung. Seit zwei Jahren sind nun auch der Asayîş und Spezialeinheiten wie die Zêrevan-Truppen im Bereich der Spionage für die Türkei aktiv. Immer, wenn unsere Freundinnen und Freunde irgendwo von einer Überwachungskamera eingefangen werden oder es Hinweise auf ihren Standort gibt, selbst wenn es sich nur um Gerüchte handelt, folgen unmittelbar Luftangriffe des türkischen Staates. Das passiert jeden Tag. Sie werden sich hüten, zu behaupten, wir würden sie verleumden. Sollte es jemanden geben, der uns nicht glaubt, kann er sich gerne ein bis zwei Tage zu uns gesellen und die Realität am eigenen Leib erfahren.

Sie errichten Straßensperren, verhängen Embargos, starten Belagerungsversuche. Menschen, die uns ein paar Säcke Mehl bringen, werden ins Gefängnis gesteckt. Wir wissen genau, wie viele Kurden aus dieser Region oder aus Behdînan allein aus diesem Grund in den Gefängnissen von Duhok und Hewlêr sitzen. Es kommt auch zu Fällen von Entführungen unserer Freunde. Sicher, wenn eine Person ihre Identität nicht nachweisen kann beispielsweise, existiert das Recht, sie festzunehmen. Aber das ist kein Freibrief für Folter. Doch genau das geschieht mit unseren Freunden, sie werden gefoltert. Es ist eine Schande, dass eine kurdische Partei auf diese Weise handelt. Man kann politische Differenzen haben, doch selbst wenn sie unüberbrückbar wären, ergibt sich dadurch nicht das Recht, den selbsterklärten Gegner, ganz gleich was ihm zum Vorwurf gemacht wird, zu misshandeln.

Leider ist aber genau das die Realität unserer Freunde, die in den Kerkern der PDK festgehalten werden. Bei Verhören werden ihnen Fragen zu unseren Aufenthaltsorten und zur Anzahl unserer Kräfte gestellt. Ist das nicht bodenlos? Mele Mustafa Barzanî hat einen wichtigen Platz in der Geschichte der Kurden. Von ihm stammt auch der Satz: „Wer für den Feind spioniert, wer die Waffen des Feindes in die Hand nimmt, ist ein Cahş [Verräter].“ Es ist eine Schande, dass diejenigen, die vorgeben, die Erben von Mele Mustafa Barzanî und seinem Kampf zu sein, genau das tun. Es sollte nicht sein.

PDK hat Truppen angewiesen, Kriegsvorbereitungen zu treffen

Sie werden es schon ahnen: Ich weiß sehr viel über die PDK. Aber es gibt Dinge, die man lieber nicht aussprechen sollte. Sonst besteht die Gefahr, dass auch das letzte Band zwischen uns reißt. Das wäre nicht in meinem Sinne. Es geht aber um Pläne, die uns betreffen, gewisse Projekte, die sie bereits umgesetzt oder noch nicht realisiert haben. Über all das sind wir im Besitz von Informationen. Auch wissen wir, was der türkische Staat konkret mit dem Ausbau der Zusammenarbeit mit der PDK meint. Allen sollte doch klar sein, dass der Schritt, der auf Kooperation folgt, eine Kriegspartnerschaft ist. Deshalb hat die PDK ihre Truppen angewiesen, sich bis Ende März auf dieses Unterfangen vorzubereiten. Das verheißt nichts Gutes.

Unser Volk, insbesondere die Bevölkerung von Behdînan, vor deren Augen sich schließlich alles abspielt, sollte wissen: Wir sind selbstlose Menschen. Die jungen Frauen und Männer des kurdischen Volkes, die sich in unseren Reihen befinden, kämpfen nicht für einen Lohn, für Geld oder dergleichen. Sie sind hier, weil sie Kurdistan, ihre Heimat, verteidigen. Sie opfern sich für die kurdische Sache. Niemand von uns ist auf einen innerkurdischen Krieg aus. Wir kämpfen gegen den Feind, allein darum geht es. Ein Bruderkrieg wäre das letzte, was wir uns wünschen würden. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht selten kurz davor standen. Jeden Tag müssen wir einige unserer Freunde aufs Neue davon überzeugen, dass ein solcher Krieg im Widerspruch zu unseren Werten steht. Das ist angesichts des Verhaltens, das uns gegenüber an den Tag gelegt wird, nicht leicht. Ein Krieg unter Geschwistern wäre ein Schandfleck, die größte Demütigung des 21. Jahrhunderts. Die Welt würde sich über uns lustig machen. Man würde sagen: „Seht, was die Türken sagen, ist wahr. Kurden sind keine Nation, sondern bestehen aus Stämmen, die sich für ihre eigenen Interessen bekämpfen.“ Das darf nicht passieren.

PDK sollte strategisch handeln, nicht taktisch

Aber genau das ist es, was der türkische Staat will: Einen Krieg zwischen der PDK und PKK. Wir kennen seine Funktionäre, sind im gleichen Alter, waren mit einigen sogar auf derselben Schule, wissen, was in ihrer Psyche vorgeht. Ihnen geht es nicht darum, die PKK zu vernichten. Sie wollen das kurdische Volk vernichten, seine Errungenschaften zerschlagen. Momentan haben sie es beispielsweise auf die Besetzung von Gare abgesehen. Und dieses Ziel wollen sie mit Hilfe der Kurden erreichen. Was wäre die Konsequenz, wenn es nicht nur bei einem Szenario bliebe, sondern Fakten geschaffen würden? Gare ist ein strategischer Ort, denn unterhalb verläuft die Straße zwischen Hewlêr und Duhok. Außerdem beherrscht Gare die Ebene von Mosul. Hier geht es unter anderem darum, eine Verbindung zu Başîqa [Kleinstadt nordöstlich von Mosul, in der die Türkei einen großen Stützpunkt unterhält und Söldner trainiert] herzustellen. Die Entfernung zu Gare beträgt nur 30 Kilometer. Sie wollen sich in Südkurdistan weiter ausbreiten und sich bis nach Kerkûk auszudehnen. Die Ankara-treuen Turkmenen werden zu diesem Zweck trainiert und vorbereitet. Ende Februar hatte es in Hewlêr einen Großbrand gegeben, der den größten Basar der Stadt zerstört hat. Wer hat sich zu der Tat bekannt? Die sogenannte „Ahd-ı Milli“. Eine turkmenische Organisation, deren Paradigma auf Chauvinismus und Turanismus basiert, die als Truppe des MIT [türkischer Geheimdienst] handelt und von diesem trainiert wird. Sie wird den Basar von Hewlêr nicht unabhängig vom MIT in Brand gesteckt haben. Einige Brandanschläge in Kerkûk gehen ebenfalls auf das Konto dieser Truppe.

Die PDK muss erkennen, dass sie mit einem Staat kollaboriert, der es auf das kurdische Volk, den Status Südkurdistans und die Autonomie von Rojava abgesehen hat. Sie muss sich von der Taktik entfernen und strategisch handeln. Die Ausweitung der Kooperation, die der türkische Staat einfordert, ist nichts anderes als Krieg. Was würde passieren, wenn die PDK in diesen Krieg eintreten sollte? Unsere Bewegung würde das Volk Kurdistans, seine Freunde und alle Apoisten auffordern, zum Gegenangriff auszuholen. So und nicht anders würde ein von der PDK mitgetragener Krieg gegen uns aussehen. Ganz Kurdistan würde sich in ein Schlachtfeld verwandeln. Ob sie uns nun in Metîna angreifen oder in Gare, darauf kommt es nicht an. Wir schlagen zurück. Sollte dieses Szenario eintreten, ist eins klar: Alles Erreichte wird zurückgelassen. Das ist keine Drohung, aber wir müssen realistisch sein. Wir verfügen über Kräfte, Spezialeinheiten und Technik und sind in der Lage, an jedem Ort anzugreifen. Aber wir sollten es nicht darauf ankommen lassen.

An diesem Punkt fällt der Familie Barzanî eine besondere Verantwortung zu. Sie sollte darauf hinwirken, dass es nicht so weit kommt. Die Situation ist heikel und gefährlich und bedarf des verantwortungsbewussten Handelns eines jeden. Ich hatte in der Vergangenheit an Intellektuelle appelliert, sich einzuschalten. Es gab zwar einige Bemühungen, die aber keine Früchte getragen haben. Daher haben wir entschieden, keine neuen Aufrufe zu machen. Aber dieses Thema geht alle an, es ist keine Angelegenheit zwischen Parteien, es ist eine nationale Angelegenheit. Der Status der Kurden ist in Gefahr. Alle Kräfte haben ihre eigenen Pläne, die Landkarte des Nahen Osten neu zu zeichnen. Wie werden die Karten in Syrien gemischt, was aus dem Irak geformt? Der türkische Staat liegt indes auf der Lauer, weil er die Kontrolle übernehmen will, bevor andere Fakten schaffen. Er will den Irak und Syrien besetzen, und die Grenzen entsprechend des osmanischen Nationalpakts [Misak-i-Milli] ziehen. Auf dieser Grundlage bildet der türkische Staat seine Allianzen und handelt entsprechend. Auch wir brauchen Bündnisse. Ein Bruderkrieg bedeutet, vom Weg abzukommen, von der nationalen Linie abzuweichen, gegen die innerkurdische Einheit zu arbeiten. Deshalb appellieren wir an alle, vernünftig und verantwortungsbewusst zu sein.

Die innerkurdische Einheit muss verwirklicht werden

Von der PDK fordern wir, ihre Kooperation mit den Türken zu beenden und auch ihre Spitzeltätigkeit an den Nagel zu hängen. Es ist eine Illusion zu glauben, mit der Technik des türkischen Staates lasse sich unsere Bewegung vernichten. Die PKK wird nicht verschwinden. Wir sind eine ideologische Bewegung, haben Millionen Anhänger und Sympathisanten, tausende Kader. Und wir existieren nicht nur in Behdînan. Wir sind groß. Ein Krieg der PDK gegen die PKK würde ganz Kurdistan in eine einzige Kampfzone verwandeln. Und das wäre eine große Katastrophe, wie ich schon vor drei Jahren sagte. Niemand sollte dem Irrglauben verfallen, er könne sich retten. Die größte Stütze ist das Volk und das steht hinter uns. Wir glauben an unser Volk. Wir werden unsere Pflicht mit Mut und Entschlossenheit erfüllen, wir werden tun, was nötig ist. Wir haben nichts Großes zu verlieren. Aber wir werden diese Epoche verlieren. Jeder sollte daher ein Gefühl für Nationalbewusstsein entwickeln. Die innerkurdische Einheit muss verwirklicht werden. Was jetzt nicht passieren darf, ist Krieg gegeneinander. Darum geht es.

Unser verehrtes Volk muss wissen, dass unsere Bewegung große Anstrengungen unternimmt. Aber nicht alles liegt in unserer Macht. Diejenigen, die uns gegenüberstehen, gehen jeden Tag einen Schritt weiter. Sie überspannen den Bogen. Die gesamte Gegend um Sergelê etwa wird videoüberwacht. Sie haben keine Skrupel. Sie sehen, dass wir uns auf dem Girê Amêdî, zwei Kilometer oberhalb von hier, in einem Nahkampf mit dem türkischen Staat befinden. Ein Staat mit unzähligen Soldaten, Panzern, Kanonen, Hubschraubern, Flugzeugen und anderem Kriegsgerät. Sie sind Tausende, wir Hunderte. Wieso stehen sie dem Feind bei und bekämpfen uns, statt mit uns zu kämpfen? Wir sind schließlich Kurden, wir verteidigen die Territorien Kurdistans. Aber wir sind es auch, die angegriffen und eingekesselt werden – mit Unterstützung der PDK. Sie haben kein Gewissen. Ihnen fehlt es an Loyalität, am Nationalbewusstsein.

Es überrascht mich jedes Mal aufs Neue, feststellen zu müssen, dass es Kommandanten unter diesen Truppen gibt, die sich dem Schutz türkischer Soldaten verschrieben haben. Sie legen sogar Hinterhalte, um uns daran zu hindern, die Besatzer zu erreichen. Unzählige Aktionen unserer Kräfte haben sie auf diese Weise bereits sabotiert. Es ist offensichtlich, dass der türkische Staat ohne die Hilfe der PDK nicht in der Lage wäre, in Südkurdistan Fuß zu fassen, geschweige denn eine Basis hochzuziehen. Und selbst wenn, werden wir die Eindringlinge wieder vertreiben. Sie sollen passiv bleiben. Das ist es, was wir wollen. Wir bitten die PDK nicht, uns zu helfen, wir fordern, dass sie zur Seite tritt und uns machen lässt. Dann wird sich zeigen, wer die Siegerseite ist. Der türkische Staat hat alles, besitzt modernste Kriegstechnik, ja. Doch das, was ihm fehlt, aber wir haben, ist der feste Glaube an unsere Sache und unsere Liebe zur Heimat. Lasst sie kommen, wenn sie uns vernichten können, bitte sehr. Aber mischt euch nicht ein, helft ihnen nicht, stellt die Kooperation ein. Hört auf, Straßen zu belagern und Menschen zu kontrollieren, ob sie ja nicht zu viel Mehl einkaufen, das für uns bestimmt sein könnte. Das ist ungerecht. Schaut man auf ihre Medien, reden sie den ganzen Tag von ihren Bekenntnissen zum Kurdentum, doch ihre Praxis besteht nicht annähernd hieraus. Wir hoffen, dass diese Widersprüche beseitigt und korrigiert werden. Es ist gefährlich, mit dem türkischen Staat zu kooperieren. Deshalb erwarten wir von allen, dass sie verantwortungsbewusst handeln.

Die Türkei will den Irak unter seine Fittiche nehmen

Der rege diplomatische Verkehr zwischen den Regierungen der Türkei und des Iraks lässt vermuten, dass Ankara der Führung in Bagdad einige Zugeständnisse abgerungen hat. Vollkommene Einigkeit scheint allerdings nicht zu herrschen. Offensichtlich ist die Sudani-Regierung nicht ganz im Bilde über die türkischen Pläne. Das lassen zumindest die Defizite hinsichtlich Strategie und eindeutiger Politik vermuten. Es scheint ein Mangel an Bewusstsein zu bestehen. Der türkische Staat hat bereits weite Teile von Südkurdistan besetzt und 50.000 Soldaten auf irakischem Territorium stationiert. Der ehemalige irakische Ministerpräsident Ebadi hatte Ankara offiziell aufgefordert, Başîqa zu verlassen. Die Türkei zog nicht ab, verdoppelte stattdessen ihre Soldaten im Land. In Bradost hat die türkische Armee sogar einen hochrangigen Kommandeur der irakischen Streitkräfte getötet. Trotzdem verfolgt Bagdad einen soften Ansatz statt einer beständigen Politik. Dies auch nach dem Fiasko in Ava Marîk, einem Gebiet in der Zap-Region, wo irakische Truppen von türkischen Besatzern daran gehindert wurden, sich in Stellung zu bringen.

Dass „irakische Grenzschutzeinheiten“ mit Erlaubnis des türkischen Staates in Heftanîn und Metîna stationiert werden, ist nichts anderes als eine politische Legitimation der Besatzung. Das ist durch nichts zu rechtfertigen. Erst kürzlich wurden irakische Militärs in Ava Marîk wieder daran gehindert, nach Reşperex zu gelangen. Diese Soldaten stecken dort immer noch fest und werden behandelt, als seien sie Bedienstete der türkischen Besatzung. Lediglich Zugang zu unwichtigen Positionen wird ihnen gewährt, die strategischen Punkte hält die türkische Armee. Wie kann das sein? Welchen Nutzen hat das für den Irak, für das irakische Volk? Das ist ein Freifahrtschein für die Besatzung des Iraks. Das ist fatal. Der türkische Staat räumt einige Orte, die er als unwichtig erachtet, und weist irakische Soldaten an, dort in Stellung zu gehen. Dabei geht es lediglich darum zu verhindern, dass die Guerilla sich dort wieder positionieren könnte. Mit anderen Worten: der türkische Staat macht die irakische Armee zu einer Reservetruppe für seine Besatzung. Sie steht also im Dienst der Türkei.

Der türkische Staat will Südkurdistan und Teile vom Irak okkupieren. Das ist sein Ziel. Er hat Başîqa trotz Aufforderungen nicht verlassen und bemüht sich jetzt, die Region mit Gare zu verbinden. Wenn Gare fällt, ist Mosul das nächste Ziel. Die politische Strategie des türkischen Staates wird bestimmt vom Willen der Besatzung. Er benutzt Wasser als Waffe und die irakische Regierung lässt sich darauf ein. Sie lässt zu, dass ihr Willen mit Füßen getreten wird. Dabei verfolgt der türkische Staat den Plan, den Irak unter seine Schirmherrschaft zu bringen. Dies ist der Zweck seiner Gespräche mit der PDK und einigen sunnitischen Parteien. Die Haltung des Irak war bisher nicht eindeutig. Den Forderungen Ankaras wurde wohl nicht gänzlich zugestimmt, aber das ist zu schwach. Möglicherweise verfolgt Bagdad auch eine Strategie, man weiß es nicht. Wir können nur hoffen, dass der irakische Staat die Absichten der Besatzer erkennt und entsprechend handelt.

NATO-Beistand für Türkei

Die NATO leistet dem türkischen Staat seit der Gründung unserer Bewegung Beistand. Zwar gibt es hin und wieder Krisen und Streitigkeiten zwischen ihnen, aber die Angriffe ihres Partners gegen uns hat die NATO stets unterstützt. Und auch jetzt kann Ankara auf Rückendeckung dieses Bündnisses zählen. Das wird unter anderem an der Mär der ‚nationalen‘ Kampfdrohnen deutlich. Die Türkei behauptet, dass sie „original türkisch“ seien, doch wenn wir uns die Teile zur Fertigung anschauen, sehen wir: sie stammen aus verschiedenen Mitgliedsländern der NATO. Aus Kanada, dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Italien, den USA, aber auch aus der Ukraine und sogar aus China. Warum leistet die NATO der Türkei dabei Hilfe, ihre Drohnen zu bauen? Weil sie nicht will, dass ihre zweitgrößte Armee von der Guerilla besiegt wird. Details anderweitiger praktischer Unterstützung der NATO für die Türkei im Kontext Südkurdistans kennen wir nicht, allerdings gab es vor einiger Zeit intensiven diplomatischen Verkehr auf der Achse Ankara-Hewlêr-Washington. Es ist offensichtlich, dass die NATO die Kooperation zwischen dem türkischen Staat und der PDK gutheißt. Die Kollaboration der PDK mit Ankara wird von der NATO als Unterstützung für deren Interessen gewertet.

Jeder Apoist ist ein Militanter

Die NATO-Länder, insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika, sollten sich vergegenwärtigen, dass wir sie zu keinem Zeitpunkt angegriffen haben. Wir verfolgen eine nationale Sache, wir fordern die natürlichen Rechte des kurdischen Volkes, Demokratie und Freiheit ein. Dafür sind wir angetreten. Sie sollten sich nicht gegen die Sache des kurdischen Volkes stellen. Der türkische Staat terrorisiert das kurdische Volk und setzt alle Arten von Gewaltmitteln einschließlich chemischer Waffen ein. Die NATO verschließt die Augen davor, und der türkische Staat schöpft daraus Mut. Niemand sollte davon träumen, die PKK in den Bergen zu schwächen, sie ins Abseits zu drängen, Kollaborationen mit den Kurden Rojavas und Rojhilats einzugehen, die Unterstützer der PKK in ihren Dienst zu stellen. Es gibt leider Akteure, die tatsächlich glauben, sie könnten diesen Traum verwirklichen und sich die Errungenschaften der PKK aneignen. Das sind gefährliche Gedanken. Denn es wird nicht möglich sein. Jeder Apoist kann in dem Augenblick, in dem wir es wollen, zum Militanten werden. Das sollten diese Kräfte wissen.