Türkischer Irak-Feldzug als Beginn eines neuen Konzepts

Unter dem Vorwand der Sicherheit für neue Handelswege im Nahen Osten will die türkische Regierung internationale und regionale Mächte zur Beteiligung an neuen Operationen gegen die PKK zwingen.

Internationales Vorgehen gegen die kurdische Freiheitsbewegung

Während heftige Gefechte zwischen der PKK-Guerilla und den türkischen Invasionstruppen in Metîna stattfanden, hat Erdoğan mit der irakischen Regierung verschiedene Abkommen getroffen. Ankara und Bagdad unterzeichneten das „Iraq Development Road Project“ und vereinbarten unter anderem ein „Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Wasser“ und ein „Memorandum über den strategischen Rahmen“.

Weitere Partner des „Entwicklungsstraßenprojekts“ sind die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Katar. Die neue Handelsroute durch den Irak soll bis 2028 fertig gestellt werden. Unter dem Deckmantel von Handelsabkommen hat die Erdoğan-Regierung damit den Grundstein für einen großen Krieg in Kurdistan gelegt, der noch mindestens vier Jahre andauern wird. Unter dem Vorwand der Sicherheit für Handelswege zwingt die AKP/MHP-Regierung sowohl internationale als auch regionale Mächte, sich an neuen Operationen gegen die PKK zu beteiligen.

USA autorisieren Sudani

Weil mit diesem Schritt die Türen für neue Entwicklungen im Nahen Osten geöffnet wurden, ist auch das Ergebnis des vorangegangenen Treffens zwischen dem irakischen Premierminister Sudani und US-Präsident Joe Biden in den USA deutlich geworden. Die Tatsache, dass Bagdad, das zahlreiche Vereinbarungen mit Ankara getroffen hat, ohne die Zustimmung der USA keine derart kühnen Schritte unternehmen würde, offenbart die Dimensionen des Komplotts gegen die Freiheitsbewegung Kurdistans. Im Irak herrscht seit Jahren eine große administrative, militärische und politische Instabilität. Das Land ist Schauplatz einer wachsenden Machtdemonstration zwischen den USA und dem Iran. Insofern ist es unwahrscheinlich, dass der Irak ohne Rückendeckung regionale Vereinbarungen im Nahen Osten eingeht.

Erdoğans Zukunft

Die Frage, ob Erdoğan geht oder bleibt, wird durch dieses neue Konzept mit internationaler Beteiligung allmählich beantwortet. Offensichtlich wird von den Hegemonialmächten, die die PKK, Palästina und den Iran als Probleme betrachten, ein Abgang Erdoğans nicht befürwortet, solange diese Fragen nicht „gelöst“ sind.

PDK versucht das Gesicht zu wahren

Erdoğan traf in Bagdad mit dem irakischen Präsidenten Abdullatif Rashid und dem irakischen Premierminister Mohammed al-Sudani zusammen. Sein anschließender Besuch in Hewlêr (Erbil) erfolgte auf Wunsch der PDK. Der für seine Regierungsnähe bekannte Journalist Abdülkadir Selvi schrieb in seiner Kolumne in der Zeitung Hürriyet: „Die Familie Barzani hat sehr auf den Besuch von Präsident Erdoğan in Erbil gedrängt. Mit Erdoğans Zustimmung wird dieser Besuch stattfinden.“

Die PDK ist nicht in der Lage, die von ihr verursachten Probleme in Südkurdistan zu bewältigen. Sie versucht mit allen Mitteln, von ihrem Konflikt mit Bagdad und ihrer Beteiligung an den türkischen Besatzungsplänen abzulenken. Das Treffen mit Erdoğan war Teil des Versuchs, das Gesicht zu wahren, aber in Südkurdistan überwiegt inzwischen die Meinung, dass eine Niederlage der AKP auch die Niederlage der PDK bedeutet.

Warum wird Özgür Özel in den Vordergrund gerückt?

In den gleichgeschalteten Medien der Türkei wurde ausführlich über Erdoğans Besuch im Irak und die getroffenen Abkommen berichtet. Im Abendprogramm gab es viele Propagandasendungen über den Zeitplan und die Größenordnung des Besuchs. Auffällig war eine Sendung bei CNN Türk, bei der in Anspielung auf ein bevorstehendes Treffen zwischen dem CHP-Vorsitzenden Özgür Özel und Erdoğan lange Kommentare und Bewertungen über Özel abgegeben wurden. Dass Özel von AKP-Medien in den Vordergrund gerückt wird, wirft Fragezeichen auf. Gleichzeitig wurde ein Diskurs über die politische Zukunft der Türkei geführt. Es zeichnet sich ab, dass die AKP die CHP zu einem Partner in ihren neuen Besetzungsplänen machen will und die Lage bei dem Treffen zwischen Özel und Erdoğan umfassend erörtert werden wird. Wie die CHP politisch auf Erdoğans „Wir sind offen für Gespräche“-Signal reagieren wird, ist noch nicht absehbar. Man darf gespannt sein, wie sich die CHP in dieser Situation verhalten wird.

Positive Signale an den Iran

Ein weiterer bemerkenswerter Punkt im CNN-Programm war eine Sondersendung über den Iran. Ausgehend von einem Treffen zwischen Atatürk und Schah Reza Pahlavi wurden in der Sendung die Beziehungen zwischen der Türkei und dem Iran bewertet, während ein anderes Team von CNN live in den Straßen von Teheran unterwegs war. In der gesamten Sendung wurden politische und diplomatische Botschaften hervorgehoben und der Iran gelobt. Die Republik Türkei will ihre speziellen Kriegsvorbereitungen für neue Invasionsangriffe maximieren, indem sie die Reaktionen potentiell problematischer Mächte in der Region zu minimieren versucht. In diesem Rahmen signalisiert sie auch dem Iran, dass er einen Anteil an der geplanten Handelsroute erhalten kann, wenn er bei den neuen Operationen gegen die PKK an ihrer Seite steht.

Gleichgewichte im Nahen Osten

Es scheint, dass die Republik Türkei bei diesen Plänen Überstunden machen muss, um die Gleichgewichte im Nahen Osten zu ihren Gunsten zu manipulieren. Im Nahen Osten, wo es so viel Instabilität und tägliche Entwicklungen gibt, steht es im Widerspruch zur Realität, die internationalen und regionalen Mächte, insbesondere die USA, Russland und den Iran, auf dieselben Interessen festzulegen. Während der Iran Schritt für Schritt belagert wird und so tiefe Beziehungen zu Russland aufgebaut werden, lädt eine von militärischen, wirtschaftlichen und politischen Offensiven begleitete neue Handelsroute geradezu zu neuen Situationen und Problemen ein.

Zuerst sollen die Medien zum Schweigen gebracht werden

Während sich diese Entwicklungen vor Ort abspielten, führte die Polizei eine nächtliche Razzia in den Nachrichtenzentren von Stêrk TV und Medya Haber in Belgien durch. Die belgische Polizei verwüstete die Gebäude der beiden Fernsehsender und machte ihre technische Infrastruktur funktionsunfähig. Dieser Vorgang war Teil des neuen Besatzungs- und Angriffskonzepts und ähnelt den Entwicklungen, die sich seit den 1990er Jahren aus den Vereinbarungen zwischen der Türkei, den USA und weiteren Mächten gegen die Kurdinnen und Kurden ergeben haben. Vor der neuen Besatzungsoperation sollen die freie Medien zum Schweigen gebracht werden.