Drei Guerillakämpfer in Nordkurdistan gefallen

Die Guerillakommandanten Cûdî Kahraman, Dijwar Çarçela und Yusuf Mirdêsî sind bei Gefechten mit der türkischen Armee in Nordkurdistan ums Leben gekommen.

Die Guerillakämpfer Cûdî Kahraman, Dijwar Çarçela und Yusuf Mirdêsî sind bei Gefechten mit der türkischen Armee in Nordkurdistan ums Leben gekommen. Das teilt das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) mit. Cûdî Kahraman war Mitglied der Gebietskommandantur von Wan und ist im September gefallen, Dijwar Çarçela und Yusuf Mirdêsî am 2. Oktober in Besta. Die HPG würdigen die drei Gefallenen als führende Kommandanten des neuzeitlichen Guerillakampfes und sprechen den Angehörigen und dem patriotischen Volk Kurdistans ihr Beileid aus.

                              

Codename: Cûdî Kahraman
Vor- und Nachname: Cumhur Kahraman
Geburtsort: Colemêrg
Namen von Mutter und Vater: Cevahir – Hüsnü
Todestag und -ort: 2022 / Wan

 

Codename: Dijwar Çarçela
Vor- und Nachname: Mazlum Bahadır
Geburtsort: Şirnex
Namen von Mutter und Vater: Gürcü – Selahattin
Todestag und -ort: 2. Oktober 2022 / Besta

 

Codename: Yusuf Mirdêsî
Vor- und Nachname: Yılmaz Aslan
Geburtsort: Riha
Namen von Mutter und Vater: Güler – Halil
Todestag und -ort: 2. Oktober 2022 / Besta

 

Cûdî Kahraman

Cûdî Kahraman ist in einem Dorf in der nordkurdischen Provinz Colemêrg (tr. Hakkari) geboren und gehörte zum Stamm der Mamxurî, aus dem Hunderte Freiheitskämpfer:innen hervorgegangen sind. Sein Dorf wurde vom türkischen Staat niedergebrannt, weshalb er mit seiner Familie in die Provinzhauptstadt ziehen musste und bereits als Kind Wut auf die staatlichen Unterdrücker empfand. Als Heranwachsender wurde er in der kurdischen Jugendbewegung aktiv, diese Arbeit setzte er auch als Student fort. Er arbeitete in verschiedenen Städten in der Türkei und Kurdistan und schuf mit seinem Engagement die Grundlagen für den revolutionären Volkskampf, der bis heute andauert. Weil er viele junge Menschen zum Freiheitskampf motivierte, wurde er 2011 verhaftet und verbrachte drei Jahre in Gefängnissen in Mêrdîn und Sêrt. Seine Gefangenschaft nutzte er zur Weiterbildung, nach seiner Freilassung schloss er sich 2014 in Wan der Guerilla an. Wie die HPG schreiben, nutzte er jeden Moment seines Guerillalebens für die Befreiung und hinterfragte als Revolutionär selbstkritisch seine eigene Praxis. Er maß sich selbst an den Gefallenen und teilte seine Erfahrungen mit seinen Weggefährt:innen, um Fehler und Schwächen nicht zu wiederholen und dem jeweiligen Bedarf im Kampf gerecht zu werden. Wenn Probleme auftraten, suchte er nicht bei anderen nach der Ursache. Er fühlte sich verantwortlich und suchte nach kollektiven Lösungen. Als Aktivist der Jugendbewegung und im Gefängnis hatte er sich viel theoretisches Wissen angeeignet, in den Bergen konzentrierte er sich auf praktische Fähigkeiten und übernahm auch Aufgaben auf Kommandoebene. Aufgrund seiner Einsatzbereitschaft und seiner Bescheidenheit wurde ihm Vertrauen entgegengebracht und er entwickelte sich zu einem umsichtigen Kommandanten, mit dem alle gerne zusammenarbeiteten. Dabei verfolgte er einen kollektiven Ansatz und war offen dafür, von anderen zu lernen. Zuletzt war er Mitglied der Kommandantur in der Region Wan.

Dijwar Çarçela

Dijwar Çarçela ist in Şirnex geboren. Seine Familie gehörte zum Stamm der Mamxurî, der der kurdischen Befreiungsbewegung seit der PKK-Gründung nahesteht und stark von der Unterdrückung durch den türkischen Staat betroffen ist. So wurde auch Dijwars Familie aus ihrer kurdischen Heimat vertrieben und zog nach Adana. Seine Eltern hielten trotz massiver Repression an ihrer kurdischen Identität fest und vermittelten ihren Kindern die Werte des Befreiungskampfes. Dijwar wurde ab 2004 in den organisierten Strukturen der Jugendbewegung aktiv und wollte sich bald der Guerilla anschließen. Diesen Wunsch konnte er aus verschiedenen Gründen nicht sofort umsetzen, stattdessen wurde er zum Militärdienst bei der türkischen Armee eingezogen. In dieser Zeit wurde ihm die herrschende Feindseligkeit gegen das kurdische Volk noch stärker bewusst und er wehrte sich dagegen. Dafür wurde er bestraft, aber er machte hinsichtlich seiner Identität und seiner Überzeugungen keine Kompromisse. Danach setzte er sein Engagement in der kurdischen Bewegung fort, inzwischen jedoch mit einem viel ausgeprägteren Bewusstsein. 2012 entschied er sich für den bewaffneten Kampf und ging in die Berge. Er erhielt eine ideologische und militärische Ausbildung und kämpfte ab 2014 an vorderster Front gegen den IS. Im Verteidigungskrieg gegen die Islamisten gewann er große militärische Erfahrung und entwickelte sich zu einem mutigen und opferbereiten Kommandanten. Nach dem Sieg über den IS kehrte er in die Berge zurück und teilte allen mit, wie glücklich er darüber war. Er verbrachte eine Zeit an der Mahsum-Korkmaz-Akademie und ging danach mit großem Selbstvertrauen und im Bewusstsein seiner Verantwortung nach Nordkurdistan, wo er in Botan die Aufgabe eines Gebietskommandanten übernahm und zuletzt in Besta kämpfte.

Yusuf Mirdêsî

Yusuf Mirdêsî ist in Riha (tr. Urfa) geboren. Seine Familie stand der kurdischen Freiheitsbewegung nahe und er wuchs mit einem entsprechenden Bewusstsein auf. Riha ist eine der Gegenden, in der der türkische Staat seine Assimilierungspolitik massiv umsetzt, um die Bevölkerung ihrer Identität zu berauben. Yusuf Mirdêsî widersetzte sich dieser Politik und beharrte auf seiner kurdischen Herkunft. Er musste bereits früh zum Lebensunterhalt seiner Familie beitragen und wurde 2004 in der revolutionären Jugendbewegung aktiv. Bei dieser Arbeit war er erfolgreich und er übernahm mit der Zeit auch Aufgaben in anderen Bereichen. 2010 wurde er verhaftet. Das Gefängnis betrachtete er als eines der Kampfgebiete der Befreiungsbewegung und er orientierte sich an der langjährigen Widerstandstradition der PKK-Gefangenen. Nach vier Jahren wurde er freigelassen und ging 2014 in Amed in die Berge. Bei der Guerilla faszinierte ihn vor allem das kollektive Leben in der Natur und der genossenschaftliche Umgang miteinander. Wie er selbst sagte, lässt sich diese Faszination nicht mit Büchern oder Erzählungen begreifen, man muss es erleben. Er sah, dass die Vorstellungen von Abdullah Öcalan in den Bergen tatsächlich gelebt werden, fern der vom kapitalistischen System hervorgebrachten Beziehungen. An diesem Leben wollte er teilhaben und er nahm mit großem Enthusiasmus an allen Arbeiten teil. Er bildete sich ideologisch und militärisch weiter und hielt sich lange Zeit in Gare, Qendîl und Metîna auf, wo er sich im Zuge der Neustrukturierung der Guerilla mit den dafür erforderlichen Kampftaktiken auseinandersetzte. Auf eigenen Wunsch ging er schließlich zurück nach Nordkurdistan und kam nach Botan, wo er als professioneller Guerillakämpfer an vielen erfolgreichen Aktionen gegen den Feind beteiligt war. Als Experte für Sabotageakte übernahm er immer mehr Verantwortung und entwickelte sich zu einem führenden Kommandanten der Neuzeit. Zuletzt kämpfte er in Besta.