Önder bleibt weitere fünf Tage sediert

Bei einem Hospital-Besuch Kemal Kılıçdaroğlus haben Mediziner:innen mitgeteilt, dass Sırrı Süreyya Önder noch fünf Tage sediert bleiben wird. Der ehemalige CHP-Vorsitzende hat vor Ort auch mit der DEM-Partei zum aktuellen Prozess in der Türkei gesprochen.

Besuch von Kemal Kılıçdaroğlu

Der ehemalige Vorsitzende der Oppositionspartei CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, hat sich gestern bei einem Krankenhaus-Besuch für Sırrı Süreyya Önder, Imrali-Delegationsmitglied und stellvertretender Parlamentspräsident, mit den beiden Ko-Vorsitzenden der DEM-Partei, Tülay Hatimoğulları und Tuncer Bakırhan, getroffen und über die aktuelle politische Situation gesprochen. Außerdem sprach er mit dem Arzt, der Önder operiert hatte, und erhielt Informationen über Önders Zustand und übermittelte Genesungswünsche.

Demnach haben die Ärzt:innen beschlossen, Önder für weitere fünf Tage in sediertem Zustand zu lassen. Sırrı Süreyya Önder hatte in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch einen Herzinfarkt erlitten und wurde sofort ins Krankenhaus verbracht. Dort stellten die Mediziner:innen fest, dass seine Hauptschlagader auf voller Länge gerissen war und leiteten sofort eine Notoperation ein. Am Mittwoch Vormittag wurde bekannt gegeben, dass die mehrstündige Operation erfolgreich verlaufen sei und Önder nun auf der Intensivstation liege, wo die Behandlung fortgesetzt werde. Sein Zustand wurde weiterhin als sehr ernst bezeichnet. Allgemein gilt bei diesem medizinischen Notfall, dass die Sterblichkeit trotz erfolgreicher Operation in den ersten 48 Stunden sehr hoch ist.

„Er ist ein wirklich guter Mensch und ein Politiker mit Prinzipien“

Kemal Kılıçdaroğlu gab gegenüber der Presse an, noch vor wenigen Tagen mit Önder telefoniert zu haben. Er sagte: „Unsere Gebete gelten Sırrı Süreyya Önder. Er hat einen großartigen Sinn für Humor; seine Witze brachten uns alle zum Lachen. Er ist ein wirklich guter Mensch und ein Politiker mit Prinzipien. Wir hoffen, bald gute Nachrichten über ihn zu hören.“

Nach dem Austausch bezüglich Önders’ gesundheitlichem Zustand habe sich die Diskussion auf den aktuell in der Türkei stattfindenden, umfassenden politischen Prozess verlagert.

Bakırhan: Jede:r muss am Prozess teilnehmen

Tuncer Bakırhan sagte: „Wir befinden uns in einer äußerst kritischen Phase. Abdullah Öcalans Aufruf richtet sich an alle unterdrückten Völker, Frauen, Arbeiter:innen und alle Gemeinschaften. Alle politischen Parteien müssen diesen Prozess unterstützen und sich daran beteiligen. Menschen wie Sırrı Süreyya Önder sind dafür von entscheidender Bedeutung. Dieser Prozess kann nicht nur auf die DEM-Partei und die AKP beschränkt werden. Andernfalls wird er nicht erfolgreich sein. Alle Parteien und Organisationen müssen beteiligt werden. In diesem Sinne ist ihre Herangehensweise an diesen Prozess wichtig.“

Kılıçdaroğlu: Türkei braucht Lösung

Auch Kemal Kılıçdaroğlu betonte die Bedeutung des Prozesses und erklärte, dass die DEM-Partei wertvolle Arbeit leiste und eine gewichtige Rolle spiele. Er betonte, dass der Prozess für die Türkei von großer Wichtigkeit sei und fügte hinzu, dass auch die Türkei eine Lösung benötige.

Sabahat Tuncel: Wir müssen teilnehmen, nicht nur zusehen

Sabahat Tuncel, Mitglied der Bewegung freier Frauen (TJA), unterstrich die Notwendigkeit einer aktiven Teilnahme an dem Prozess und sagte: „Sie sagen, Sie beobachten die Situation in der Türkei und im Nahen Osten. Aber wenn es um diesen Prozess geht, reicht Beobachtung nicht aus. Was wir brauchen, ist Teilnahme.“ Tuncel betonte, dass das Strafvollzugsgesetz geändert und politische Gefangene sowie schwerkranke Häftlinge freigelassen werden müssen. Sie verwies auf bisherige Erfahrungen: „Wir haben einen ähnlichen Prozess schon einmal erlebt; wir wurden inhaftiert und viele unserer Leute sitzen noch immer hinter Gittern. Aus diesem Grund ist eine Rechtsreform unabdingbar. Es ist also auch für Sie wichtig, sich aktiv an diesem Prozess zu beteiligen.“

Önders Rolle im aktuellen Prozess

Als Mitglied der Imrali-Delegation und anerkannter Politiker ist Önder eine der Personen mit zentraler Verantwortung in diesem Prozess. Die Imrali-Delegation hatte den inhaftierten PKK-Begründer Abdullah Öcalan seit Dezember letzten Jahres dreimal besuchen können. Hierbei hatte es einen intensiven Austausch bezüglich Möglichkeiten zu Friedens- und Demokratisierungsprozessen in der Türkei gegeben. Die Delegationsmitglieder holten in diesem Rahmen bei zahlreichen Gesprächen die Meinungen vieler relevanter politischer und zivilgesellschaftlicher Akteuer:innen aus der Türkei und Kurdistan ein. Abdullah Öcalan übermittelte schließlich am 27. Februar seinen Aufruf für Frieden und eine demokratische Gesellschaft, der weltweit auf ein positives Echo stieß, und übernahm einmal mehr in der Geschichte die Initiative, eine politische Lösung anzustoßen.

Seither finden auf Grundlage dieses Friedensappells weitere Gespräche statt, konkrete Schritte seitens der türkischen Regierung waren bisher allerdings ausgeblieben. In der vergangenen Woche hatte es nun ein erstes diesbezügliches Treffen zwischen den DEM-Abgedordneten Pervin Buldan sowie Sırrı Süreyya Önder und dem türkischen Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdoğan gegeben.

Für Ende dieser Woche war schließlich ein Treffen der Imrali-Delegation mit dem türkischen Justizminister geplant, um über konkrete gesetzliche Regelungen als Grundlage einer möglichen Lösung zu sprechen. Informationen, ob und in welcher Besetzung dieses Treffen nun stattfinden wird, liegen uns bisher nicht vor. Sichtbar wird seit Önders Krankenhaus-Aufenthalt, dass alle Akteur:innen sowie die Zivilgesellschaft der Weiterführung des Prozesses große Bedeutung beimessen und Hoffnungen zu pflegen scheinen, dass dieser zu einer friedlichen Lösung führen kann.

Alle hoffen auf Önders Genesung

Im Anschluss an das Treffen gab Kemal Kılıçdaroğlu vor dem Krankenhaus eine kurze Erklärung ab, in der er berkäftigte, dass alle auf die Genesung von Sırrı Süreyya Önder hoffen: „Sein Sinn für Humor brachte die Leute immer zum Lächeln. Den Informationen der Ärzte zufolge wurde seine Sedierung um fünf Tage verlängert. Ich hoffe aufrichtig, dass er bald wieder gesund wird.“