Anter Anter am Todestag seines Vaters gestorben
Anter Anter ist tot. Der 79-Jährige wurde am 32. Todestag seines berühmten Vaters Musa Anter leblos in seinem Haus in Nisêbîn entdeckt.
Anter Anter ist tot. Der 79-Jährige wurde am 32. Todestag seines berühmten Vaters Musa Anter leblos in seinem Haus in Nisêbîn entdeckt.
Anter Anter, Sohn des kurdischen Schriftstellers Musa Anter, ist tot. Der 79-Jährige wurde am Freitag leblos im Badezimmer seines Hauses in Nisêbîn (tr. Nusaybin) entdeckt. Ein von Angehörigen hinzugerufener Notarzt konnte nur noch seinen Tod feststellen, berichteten örtliche Medien. Es seien Untersuchungen eingeleitet worden, um die genaue Todesursache Anters zu ermitteln.
Der tragische Fund des Verstorbenen in der Ortschaft Sitîlîlê (Akarsu) ereignete sich am 32. Todestag von Musa Anter. Der kurdische Intellektuelle wurde am 20. September 1992 von der türkischen Konterguerilla in Amed (Diyarbakır) ermordet. Am Tatort im Viertel Seyrantepe fand heute eine Gedenkveranstaltung statt, an der sich zahlreiche Persönlichkeiten aus Politik, Presse und Zivilgesellschaft beteiligten.
Für den Abend war eine öffentliche Trauerfeier mit anschließendem Grabbesuch in Sitîlîlê angekündigt. Ob die Veranstaltung wie geplant stattfindet, ist noch unklar. Auch wann Anter Anter begraben wird, ist noch nicht bekannt. Der 1945 geborene Sohn Musa Anters studierte in Istanbul Architektur, als er Ende der 1960er Jahre die Türkei verließ. Erst bei einem kurzen Aufenthalt in Deutschland erfuhr Anter, dass nach ihm als Mitglied der türkischen 68er-Bewegung gefahndet wurde. Er ging nach Schweden, wo er mehrere Jahrzehnte lebte. 2012 wurde sein Einreiseverbot in die Türkei aufgehoben; er galt nicht mehr als Persona non grata und ließ sich in seinem Geburtsdorf nieder.
Die kurdische Platane
Der kurdische Schriftsteller und Intellektuelle Musa Anter war ein Relikt aus einer anderen Zeit. 1920 im Dorf Zivingê in Nisêbîn geboren, erlebte er zu Lebzeiten vieles, was andere nur vom Hörensagen kannten. Die Gründungsjahre der türkischen Republik, den Aufstands des Şêx Seîdê Pîran (Scheich Said) und den Genozid in Dersim erlebte er als Schüler, den Zweiten Weltkrieg als Student. Er war einer der Protagonisten des kurzen Frühlings der kurdischen Nationalbewegung Ende der 1950er Jahre, im „Prozess der 49“ wurde er wegen kurdischer Propaganda und Separatismus angeklagt. Hintergrund war sein Gedicht Qimil (deut. Rüsselwanze, ein Getreideschädling), welches er im August 1959 in kurdischer Sprache in der Zeitschrift Ileri Yurt veröffentlicht hatte. Das Magazin mit Sitz in Amed war seit Jahrzehnten wieder die erste Zeitschrift, die sich mit der kurdischen Frage beschäftigte. Musa Anter war der Herausgeber.
Bild von Musa Anter am Ort seiner Ermordung | Foto: MA
Von der kurdischen Gesellschaft wurde er Apê Mûsa - Onkel Musa - , genannt, oder auch „Çınar”, was „Platane“ bedeutet, ein mächtiger Baum mit tiefen Wurzeln und weit reichenden Ästen. Am 20. September 1992 wurde die kurdische Platane im Alter von 74 Jahren in Amed von der Konterguerilla gefällt. Anter, der damals in Istanbul lebte, war zu einem Kultur- und Kunstfestival nach Amed gereist, auf Einladung der dortigen Stadtverwaltung. Gleich nach seiner Ankunft hefteten sich Polizisten in Zivil an seine Fersen. Unter dem Vorwand, einen Konflikt zwischen zwei zerstrittenen Familien beizulegen, lockte man Anter aus seinem Hotel. Mit Maschinenpistolen wurde er niedergestreckt. Zur Verantwortung gezogen wurde niemand.
Nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen fast zwei Jahrzehnte lang verschleppte, kam es letztlich durch Erkenntnisse im Zusammenhang mit den Susurluk-Ermittlungen und öffentlichen Druck durch Menschenrechtsorganisationen zu einer Anklage gegen die Täter. Weiterhin spielten jedoch sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Gericht in Ankara auf Zeit, um zu gewährleisten, dass die, die den Mord im Auftrag des türkischen Staates ausgeführt hatten, straffrei ausgehen. Am 21. September 2022 entschied das Gericht, dass die Verjährungsfrist abgelaufen sei und niemand mehr für das Verbrechen an Musa Anter zur Rechenschaft gezogen werden könne.