Analyse von Cemil Bayik zur palästinensischen Frage – Teil 2
Cemil Bayik (KCK) spricht im ANF-Interview über die palästinensische Frage. - Teil 2
Cemil Bayik (KCK) spricht im ANF-Interview über die palästinensische Frage. - Teil 2
Cemil Bayik, Ko-Vorsitzender des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans), hat sich im ANF-Interview zur palästinensischen Frage geäußert. In einer eingehenden Analyse spricht er darüber, woher diese Frage stammt, wie sie heute von den verschiedenen globalen und regionalen Akteuren behandelt wird und welche Interessen die Völker haben.
Es heißt, dass die USA versuchen, Israel zum Einlenken zu bewegen. Was wollen die USA erreichen, welche Ziele verfolgen die hegemonialen Kräfte? Gibt es Bestrebungen, das Greater Middle East Project zu erneuern?
Zu diesem Thema möchte ich insbesondere Folgendes betonen. Das Vorgehen der USA, aber auch aller anderen Mächte, darf vor allem nicht dazu dienen, den Krieg zu vertiefen. Jedes militärische Vorgehen vergrößert nur das Problem und verzögert eine mögliche Lösung. Die an den Konflikten beteiligten Mächte müssen alle ihre Anstrengungen auf ein Ende des Krieges und eine Lösung des Grundproblems richten. Um das zu erreichen, muss ein politischer Wille gezeigt werden, der demokratischen Werten entspricht. Einer demokratischen Lösung stehen alle Kräfte im Wege, die sich auf globaler und regionaler Ebene ausschließlich von ihren eigenen Interessen leiten lassen und sich entsprechend positionieren.
Es wird ein Völkermord am palästinensischen Volk verübt. Das ist es, was wir gerade in Gaza erleben. Diese Bemühungen müssen gestoppt werden, und die weitere Besetzung Palästinas muss beendet werden. Dann kann eine Lösung gesucht werden, und es können Anstrengungen in diese Richtung unternommen werden. Erst dann kann die Sicherheit Israels, über die derzeit so viel diskutiert wird, hergestellt werden. Wir sehen natürlich, dass die Haltung der kapitalistischen Moderne, und damit auch der USA, eine andere ist. Sie handeln nicht in einem demokratischen Sinne, um eine Lösung zu finden, sondern sie handeln aus ihren Interessen heraus und vertiefen damit die Gräben und Widersprüche. Die USA sind die Hegemonialmacht der kapitalistischen Moderne. Sie sind die stärkste Kraft im Dritten Weltkrieg und können aufgrund ihrer Rolle und Eigenschaften nicht Teil einer demokratischen Lösung sein.
Es ist die Rede davon, dass sie Israel stoppen wollen, aber es ist die Politik der USA, der NATO und der kapitalistischen Staaten, die Israel über viele Jahre an den Punkt gebracht hat, an dem sie eine solche kriegerische, völkermörderische Politik betreiben können. Deshalb müssen auch diese Kräfte gestoppt werden. Nur wenn der kapitalistischen Moderne, deren Vorreiter die USA sind, Grenzen gesetzt werden und die interessengeleitete Politik eingeschränkt wird, kann auch der israelische Staat eingeschränkt werden. Die USA schränken Israel nicht ein. Die Mentalität und Politik der Staaten und aller Kräfte der kapitalistischen Moderne widersprechen einer Lösung der bestehenden Probleme. Um die kapitalistische Moderne zum Handeln zu zwingen, ist ein gesellschaftlicher Kampf notwendig. Wenn die Gesellschaft klar Stellung bezieht und gemeinsame rote Linien aufzeigt, dann können die USA und die Kräfte der kapitalistischen Moderne gezwungen werden, Schritte zu unternehmen. Eine Lösung kann nur aus der Kraft der Gesellschaft heraus entstehen.
Es ist offensichtlich, dass die USA und alle anderen Kräfte, einschließlich der Staaten des Nahen Ostens, im Rahmen des Dritten Weltkriegs agieren. Der Dritte Weltkrieg ist ein Krieg zwischen den hegemonialen Kräften der kapitalistischen Moderne um die Führung auf regionaler und globaler Ebene. Es ist ein Krieg um die Neuordnung der Energiequellen, der Handelswege und der strategischen Geopolitik. Gleichzeitig zeigt dieser Krieg aber auch die Tiefe der Krise des Systems der kapitalistischen Moderne. Die Kräfte der kapitalistischen Moderne versuchen, ihre Existenz durch den Weltkrieg zu verlängern. Deshalb ist dieser Krieg nicht nur ein Krieg der Herrschenden zwischen Staaten, sondern auch ein Krieg gegen die Gesellschaft und die Völker.
Die Opfer dieses Krieges sind die Gesellschaft und die Völker. Der Krieg in Gaza ist das beste Beispiel dafür. Die USA, die Türkei, der Iran, die NATO und viele andere Länder nutzen den palästinensischen Kampf für ihre eigenen Interessen aus. Der israelische Staat und seine Regierung tun das Gleiche. Auch der israelische Staat ist Teil der kapitalistischen Moderne, setzt Einschüchterung und Repression gegen die israelische Bevölkerung ein und versucht, die Interessen des eigenen Systems durchzusetzen. Es ist offensichtlich, dass diese Methoden und Politik kein freies Leben und keine Sicherheit für die Jüdinnen und Juden schaffen können. Wie könnte das jüdische Volk in Freiheit und Sicherheit leben, während Palästina besetzt ist und die Palästinenserinnen und Palästinenser einem Völkermord ausgesetzt sind? Kann auf dieser Grundlage ein jüdisches Land geschaffen werden? Das ist natürlich unmöglich. Wir glauben, dass das israelische Volk diese Realität sieht und erkennt. Wir messen dem große Bedeutung bei.
Der Nahe Osten ist ein wichtiges Zentrum. Kein System und kein Herrscher kann eine führende Rolle übernehmen, wenn er nicht im Nahen Osten Stellung bezieht. Das ist eine Tatsache, die in der Vergangenheit genauso wahr war wie sie es heute ist. Der Nahe Osten verliert nicht, wie manche behaupten, an Bedeutung. Im Gegenteil, die Bedeutung des Nahen Ostens im System der kapitalistischen Moderne, die das Stadium des totalen Konsumismus erreicht hat, hat sogar noch zugenommen. Wenn wir heute sagen, dass es keine Geografie mehr gibt, der keine Bedeutung beigemessen wird, dann ist das sicherlich keine falsche Aussage. Der Nahe Osten hat eine wichtige geopolitische Bedeutung. Hier befinden sich wichtige Energiequellen, und bedeutende Handelswege durchqueren diese Region. Neben Mächten wie den USA und Russland mischen nun auch immer mehr China und Indien mit. Und der Iran und die Türkei versuchen zunehmend, neue Allianzen zu schmieden, um mehr Einfluss zu gewinnen. Saudi-Arabien und ähnliche Staaten verfolgen ähnliche Bestrebungen. Der Iran hat auf breiter Ebene an sich gebundene Gruppen geschaffen und versucht, seinen eigenen Einfluss zu sichern. Auf diese Weise versucht er auch, die Konflikte mit den USA auszuleben, ohne mit Problemen im eigenen Land konfrontiert zu werden. Es wurde ein System geschaffen, in dem der Krieg weit weg ausgetragen wird.
Die Türkei versucht, durch den Völkermord an den Kurdinnen und Kurden eine Macht zu werden. Um dafür Unterstützung zu bekommen, ist sie bereit, jedes Bündnis einzugehen. Natürlich sind die USA eine Macht mit großem Einfluss, wie überall auf der Welt, auch im Nahen Osten. Sie wollen den Nahen Osten grundlegend nach ihren eigenen Interessen gestalten. Mit dieser Mentalität handeln und bewegen sie sich. Hinzu kommen die Konflikte zwischen den USA und China, die ursprünglich im asiatisch-pazifischen Raum ausgetragen wurden und sich nun immer weiter auf die Welt ausbreiten. Das zeigt sich jetzt auch im Nahen Osten. Es ist zu beobachten, dass Chinas Beziehungen zum Nahen Osten in letzter Zeit zugenommen haben. Sie haben strategische Schritte unternommen. Der wichtigste Schritt waren die Bemühungen, den Iran und Saudi-Arabien zusammenzubringen. Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten, die historische Konflikte miteinander haben, haben sich deutlich verbessert. China hat außerdem angekündigt, sich um die palästinensische Frage zu kümmern.
Im Nahen Osten ist alles miteinander verbunden und alles beeinflusst sich gegenseitig. Die Frage, ob der Angriff der Hamas am 7. Oktober und der darauf folgende Angriff des israelischen Staates auf den Gazastreifen zu einer Ausweitung des Krieges in der Region führen wird, zeugt von einem mangelnden Verständnis der Politik im Nahen Osten. Auf dem G20-Gipfel, der kürzlich in Indien stattfand, wurden Entscheidungen über neue Energie- und Handelsrouten getroffen, so dass China seine eigenen Pläne nicht umsetzen kann. Wie bekannt ist, sind nicht nur China, sondern auch der Iran, die Türkei, Russland und andere Kräfte über diese Entscheidung verärgert. Sie alle sind Kräfte der kapitalistischen Moderne, die die Welt und das Leben aus ihrer Perspektive betrachten und alles für ihre eigenen Interessen tun. So wurde der Kampf des palästinensischen Volkes dem Kampf um Interessen, Macht und Partnerschaft zwischen diesen Mächten geopfert. Das ist eine klare Situation. Es ist derselbe Rahmen, in dem sie an die Kurden herangehen. Wichtig ist, dass wir uns dessen bewusst sind und unseren Kampf für Freiheit und Demokratie auf die Stärke und Einheit der Völker stützen.
Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, der Irak, die Golfstaaten ... alle Länder der Region sind im Moment in einen diplomatischen Konflikt verwickelt. In den arabischen Ländern wird die Forderung nach einem Waffenstillstand laut. Welchen Ansatz verfolgen die arabischen Staaten in der Palästina-Frage? Wie wirkt sich ihre Haltung auf das palästinensische Volk und seinen Kampf aus?
Der Staat Israel war immer bestrebt, das von der zionistischen Ideologie vorgegebene Ziel zu erreichen. Demnach muss das als jüdisches Land ausgewiesene Gebiet von allen anderen Gemeinschaften gesäubert und in einen ausschließlich von Juden bewohnten Ort verwandelt werden. Das bedeutet die Besetzung Palästinas und den Völkermord am palästinensischen Volk, wo alle Probleme ihren Ursprung haben. Diese Idee ist die offizielle Politik des israelischen Staates und seiner Regierung. Auch wenn der Kampf und der Druck des arabischen Volkes im Allgemeinen und teilweise der arabischen Staaten sowie der organisierte Kampf und Widerstand des palästinensischen Volkes im Besonderen den israelischen Staat gezwungen haben, einige Kompromisse auf die Tagesordnung zu setzen, hat sich diese Idee und Politik nicht geändert. Das ist das Ziel und die Politik, die Israel jetzt verfolgt. Diese Ideologie und Politik wurde immer von der kapitalistischen Moderne, insbesondere von den USA, unterstützt. Daher sind die Mentalität und die Politik, die der Staat Israel verfolgt, nicht nur das Ergebnis interner Dynamiken. Die kapitalistische Moderne hat eine Rolle für Israel im Nahen Osten, und von Israel wird erwartet, dass es diese Rolle spielt. Wir wissen, dass einige Menschen nicht so denken und sogar meinen, dass Israel eine Rolle für andere spielt. Aber das ist nicht die Realität.
Der Staat Israel ist zu einer Ideologie und einer Politik namens Zionismus verdammt. Ändern kann sich das nur durch einen ernsthaften internen gesellschaftlichen Kampf und die daraus resultierende Transformation. Es wäre nicht falsch zu sagen, dass sich in der israelischen Gesellschaft allmählich ein solches Bewusstsein und eine solche Bewegung herausbilden. Das sollte als eine richtige und positive Entwicklung angesehen werden. Es werden Entwicklungen dieser Art sein, die Israel verändern und den arabisch-jüdischen Widerspruch und Konflikt beenden werden, einschließlich der Lösung der palästinensischen Frage. Deshalb ist es notwendig, dieser Entwicklung Bedeutung beizumessen und sie anzustreben. Andernfalls wird Israel, das von den USA, der NATO und anderen Kräften der kapitalistischen Moderne unterstützt wird, nicht in der Lage sein, seine Politik der Besetzung, der Annexion und des Völkermords aufzugeben. Andererseits macht diese Situation seinen Gegner auch zu einem ähnlichen Gegner wie ihn selbst. Diejenigen, die Israel und seine Politik ablehnen, brauchen die USA und die NATO, um gegen ein solches Israel zu kämpfen. Das macht sie entweder von den USA und der NATO abhängig oder von Kräften, die zwar einige Widersprüche zu den USA und der NATO aufweisen, sich aber nicht grundlegend von den USA und der NATO unterscheiden, die wie diese nach wirtschaftlicher und politischer Macht streben und die an ihre globalen und regionalen Interessen denken. Unserer Meinung nach ist das eine der größten Sackgassen. Leider ist es die Situation, in der sich die palästinensischen Organisationen die meiste Zeit befinden. Sie sind entweder von den USA und der NATO oder von den Mächten, die mit ihnen im Konflikt stehen, abhängig geworden.
Was die arabischen Länder anbelangt, so wäre es richtiger, sie als arabische Staaten zu bezeichnen, denn die Haltung der Menschen und die Haltung der Staaten unterscheiden sich voneinander. Zur Zeit der Gründung des Staates Israel gab es arabische Staaten, die von Königreichen regiert wurden. Es ist bekannt, wie diese Staaten entstanden sind. Diese Königreiche wurden von Großbritannien gegründet und waren von ihm abhängig. Auch Israel ist ein Staat, der mit der Zustimmung Großbritanniens gegründet wurde. Diese vom Volk losgelösten Königreiche wären nicht in der Lage gewesen, den Staat Israel aufzuhalten, dem von Großbritannien und damit von der kapitalistischen Moderne eine strategische Rolle zugewiesen wurde. Diese Situation änderte sich auch nach der Entwicklung des arabischen Nationalismus und dem Wechsel der Regime im Sinne dieser Ideologie nicht. Bereits in den 1970er Jahren verloren die arabischen Staaten das Interesse an der palästinensischen Frage. Ihre inneren Widersprüche vertieften sich, und Israel und ausländische Mächte machten sich diese Widersprüche zunutze. Obwohl nicht auf offizieller Ebene, haben viele arabische Staaten seither Beziehungen zu Israel aufgebaut. Ihre Unterstützung für die palästinensische Bewegung war dagegen begrenzt. Staatliche Interessen und Gleichgewichte traten in den Vordergrund. Diese Interessen stehen auch jetzt im Vordergrund. Die staatlichen Interessen und Abwägungen sind sogar noch stärker ausgeprägt als in der Vergangenheit. Bevor diese Entwicklungen einsetzten, gab es offizielle Dialoge zwischen Israel und vielen arabischen Staaten. Es wurde ein Kompromiss und ein Abkommen zwischen ihnen geschlossen. Es wird behauptet, dass dieser Prozess aufgrund der aktuellen Situation unterbrochen wurde, aber kein arabischer Staat, der an diesem Prozess beteiligt war, hat sich dazu geäußert und es bestätigt.
Das Abkommen zwischen den arabischen Staaten und Israel sieht keine Lösung für die palästinensische Frage vor und kann daher nicht einfach erfolgreich sein. Ein sehr wichtiger Teil der arabischen Staaten unterhält Beziehungen zu den USA. In gewisser Weise sind sie von den USA und Israel abhängig. Sie existieren und machen Politik in Abhängigkeit von dem Gleichgewicht, das die USA im Nahen Osten hergestellt haben. In der gegenwärtigen Situation haben sie alle ihre Augen und Ohren hauptsächlich auf die USA gerichtet. Weder die Arabische Liga, noch die Organisation für Islamische Zusammenarbeit, noch irgendeine andere Organisation kann gegen die USA und die NATO etwas ausrichten. Waffenstillstandsaufrufe und verbale Reaktionen haben keinen wirklichen Wert. Sie dienen dazu, das Gesicht zu wahren und die Reaktion des arabischen Volkes zu beschwichtigen. Die Macht, die diesen Prozess steuert, sind die USA. Die USA haben globale und regionale Berechnungen und Pläne. Sie handeln dementsprechend. Zweifellos kann eine ernsthafte gesellschaftliche Reaktion und Druck die USA, Israel und sogar die arabischen Staaten dazu zwingen, einige Schritte zu unternehmen, was zu Änderungen des Plans führen kann. Abgesehen davon ist der US-Plan derjenige, der umgesetzt wird.
Es wird allgemein angenommen, dass der Iran und die Türkei de facto, wenn auch nicht offiziell, in diesen Krieg verwickelt sind. Welchen Ansatz verfolgen diese beiden Länder in der Palästina-Frage, welche Art von Kalkül haben sie? Wie wirkt sich die Palästina-Frage auf die Beziehungen zwischen diesen beiden Ländern aus? Wird sie ihre Positionen und Politik in Syrien und im Irak beeinflussen? Und wie wird sich dieser Krieg auf die kurdische Frage auswirken?
Der Iran und die Türkei sind zwei Staaten, die ihren Einfluss in der Region vergrößern wollen. Obwohl ihre Interessen unterschiedlich sind, sind sie sich in diesem Ziel einig. Das treibt sie in einen Wettbewerb und Machtkampf miteinander und macht es notwendig, dass sie sich gegenseitig im Auge behalten. Letztendlich versucht oder will man natürlich die Effektivität des anderen so weit wie möglich einschränken und, wenn möglich, auf Null setzen und ihn unter die eigene Herrschaft bringen. Das ist eine grundlegende Eigenschaft von Staaten. Oft versuchen sie, sich durch die Beziehungen, die sie zu anderen Mächten aufbauen, gegenseitig auszugleichen oder zu dominieren. Sich gegenseitig zu schlucken und zu vernichten, ist selten. Wenn es geschieht, dann eher als Ergebnis einer Politik und eines Plans sein, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Neben den Widersprüchen und dem Kampf gibt es jedoch auch Beziehungen zwischen ihnen. Der eine kann den anderen nicht ignorieren, ohne eine absolute Überlegenheit über den anderen zu erlangen. Eine solche Dialektik besteht zwischen dem Iran und der Türkei. Es gibt sowohl einen Kampf zwischen ihnen, um eine regionale Macht zu werden, als auch eine Beziehung zwischen ihnen. Da der eine keine absolute Vormachtstellung über den anderen erlangen kann, verfolgen sie eine ausgewogene Politik, die auf den anderen achtet.
Der Iran ist keine Macht außerhalb des Systems. Er ist Teil des Systems der kapitalistischen Moderne und eine Partei im systeminternen Machtkampf. Er ist daher eine aktive Kraft im Dritten Weltkrieg. Wenn er in den Widersprüchen und Konflikten zwischen den USA, Europa, Russland und China eingeordnet wird, macht er Politik, indem er sich auf die Seite der russisch-chinesischen Front stellt. Er versucht, den politischen und wirtschaftlichen Druck der USA zu neutralisieren oder abzuwehren, indem er sich auf die Seite dieser Front stellt. Darüber hinaus gibt es auch eine vom Iran in der Region aufgebaute Front, die als schiitischer Halbmond bezeichnet wird. Es gibt Kräfte im Irak, in Syrien, im Libanon, im Jemen und anderswo, die zu dieser Front gehören und Teil der Machthaber dieser Staaten sind. Aber auch diese Staaten befinden sich in einem Zustand des Zerfalls. Sie befinden sich entweder in einem Bürgerkrieg oder in einem Zustand des Zerfalls und der Fragmentierung. Da sie sich bereits in einer solchen Situation befinden, hat der Iran sie an sich herangezogen oder die ihm nahestehenden Personen einflussreich im Staat gemacht. Dennoch sind sie wichtige Mächte. Es ist bekannt, dass der Iran seine Politik in der Region auf der Grundlage dieser Kräfte macht und daraus erheblichen Einfluss gewinnt. Der Iran versucht, durch diese Kräfte die Politik der USA und Israels in der Region gegen sich selbst auszugleichen. Damit erzielt er auch bestimmte Ergebnisse. Trotzdem hat der Iran kein Umfeld geschaffen, das die Gefahr behebt und seine Politik in der Region durchsetzt. Genau wie der Staat Israel sieht der iranische Staat seine Existenz in Gefahr.
In diesem Rahmen bewegt sich auch sein Vorgehen gegenüber der palästinensischen Sache. Dem Iran geht es in erster Linie darum, seine Existenz als Staat zu bewahren. Da er diese Sorge sehr stark spürt, ist er sehr vorsichtig mit Schritten, die diese Gefahr vergrößern würden. Der iranische Staat will im Wesentlichen mit seiner derzeitigen Position und Politik in der Region akzeptiert werden. Zu diesem Zweck nutzt er seine Beziehungen und Bündnisse in der Region. In diesem Rahmen bewegen sich auch seine Beziehungen zur Hamas. Da die Hamas kein demokratisches Wesen hat, braucht sie Kräfte wie den Iran und die Türkei, um gegen Israel zu kämpfen, wirksam zu sein oder ihre Existenz zu schützen. Obwohl sie Beziehungen zu anderen Mächten unterhält, hofft sie vor allem durch die Beziehungen zur Türkei und zum Iran wirksam zu sein. Dadurch wird die Hamas zu einem Teil der regionalen Interessen, Rivalitäten und Machtkämpfe. Das schadet natürlich der palästinensischen Sache, da sie Teil der regionalen Widersprüche wird, die demokratische Kampflinie zurückgeht und sich von einer Lösung entfernt.
Eine Entwicklung kann jedoch nur erreicht werden, wenn man die demokratische Kampflinie als Grundlage nimmt und sie stärkt. Die palästinensische Bewegung hat sich nach dem Sechstagekrieg entwickelt und gestärkt, als erkannt wurde, dass die arabischen Staaten nicht in der Lage waren, eine Lösung zu finden. Der Kampf des palästinensischen Volkes wurde dadurch gestärkt. Aber jetzt ist diese unabhängige und demokratische Haltung verloren gegangen. Sie ist sogar hinter die alte Zeit zurückgefallen. Das bedeutet natürlich nicht, dass die palästinensische Bewegung keine Beziehungen zu Staaten aufbauen und keine Unterstützung von ihnen erhalten kann. Wichtig ist, dass sie den Widerstand und den Kampf des Volkes als Grundlage nimmt. Ohne diese Grundlage wird keine Unterstützung dem Kampf dienen. Außerdem hängt die Unterstützung der Staaten von der jeweiligen Politik ab, die sie verfolgen. Der Iran, die Türkei und alle arabischen Staaten verfolgen eine Politik, die auf ihren Interessen basiert. Keiner dieser Staaten kann eine strategische Beziehung zu den unterdrückten Völkern haben. Wie man sieht, hat kein Staat, auch nicht der Iran, irgendwelche konkreten Schritte unternommen. Nach dem Bekanntwerden des israelischen Plans gegen den Gazastreifen wurde von vielen Kreisen erwartet, dass der Iran etwas unternehmen würde, indem er die Hisbollah und andere aktiv mobilisiert und selbst eingreift, aber das war nicht der Fall. Denn weder der Iran noch sonst jemand ist in der Lage, einen Schritt zu riskieren, der das Gleichgewicht stören würde. Zweifelsohne sind die Probleme im Nahen Osten tiefgreifend und haben das Potenzial, das Gleichgewicht zu erschüttern und zu verändern. Einer der Faktoren, die dazu führen können, ist der israelisch-palästinensische Konflikt.
Der Ansatz der Türkei gegenüber den Entwicklungen in der Region ist rein utilitaristisch. Da das türkische Staatssystem völlig losgelöst von einem demokratischen Wesen ist, d.h. die Gesellschaft keinerlei Einfluss auf den Staat hat, kann er mit einem Pragmatismus handeln, der weit über der Norm liegt. Was er heute als falsch bezeichnet, kann er morgen als richtig bezeichnen, und was er als Feind betrachtet, kann er sich morgen zu eigen machen. Der türkische Staat kann eine solche Politik betreiben, indem er seine geopolitische Position ausnutzt. Andernfalls könnte er eine solche Politik nicht betreiben. Der türkische Staat tut alles, um seine Politik des Völkermords an den Kurdinnen und Kurden voranzutreiben.
Die wichtigste Politik des türkischen Staates ist die Politik des Völkermordes an den Kurden. Er richtet seine gesamte Politik und seine Beziehungen danach aus. Das ist auch sein Ansatz gegenüber der palästinensischen Sache. Er will die Situation ausnutzen, indem er vorgibt, die palästinensische Sache zu verteidigen. In Wirklichkeit geht es der Türkei darum, die Mittel zu bekommen, um ihre Völkermordpolitik fortzusetzen und so ihre Macht in der Region auszubauen. Aus diesem Grund gibt sie sich rhetorisch hart, unternimmt aber keine konkreten Schritte. Denn der türkische Staat weiß sehr wohl, dass er seine Politik gegen die Kurden nicht ohne die Unterstützung der USA, Israels, Europas und der NATO fortsetzen kann. Diese Unterstützung ist für den türkischen Staat wichtig. Die Einwände von Tayyip Erdoğan zielen darauf ab, diese Unterstützung zu verstärken. Die AKP/MHP-Regierung hat sich nicht wirklich für die palästinensische Sache interessiert, weil sie diese Unterstützung bis heute erhalten hat. Kurz vor Ausbruch des Krieges hatte Tayyip Erdoğan ein Treffen mit Netanjahu in den USA. Als die Angriffe auf Gaza begannen, sagte Erdoğan: „Ich wollte nach Israel fahren, aber jetzt habe ich diesen Plan aufgegeben." Allerdings gibt es zwischen der Türkei und Israel militärische, handelspolitische und wirtschaftliche Abkommen im Wert von Milliarden von Dollar, und diese Abkommen werden unverändert fortgeführt. Es ist bekannt, dass sogar die Kugeln der israelischen Armee aus Stahl aus der Türkei hergestellt werden. Israels Armee führt in ihrem Zentrum in Konya Übungen mit Flugzeugen und Panzern durch, Teile davon werden in der Türkei produziert. Die Türkei ist also stark in den Krieg verwickelt, sie ist ein Teil dieses Krieges. Es wird auf sehr heuchlerische Weise versucht, diese Dinge vor der Öffentlichkeit zu verbergen. So wurde beispielsweise im Parlament darüber gesprochen, israelische Produkte zu boykottieren. Aber die militärischen Beziehungen, die Energie- und Handelslinien funktionieren voll und ganz, Millionen von Dollar fließen weiterhin täglich hin und her. Dabei handelt es sich um den Gipfel der Verzerrung und der besonderen Kriegsführung. Leider bietet die erbärmliche Situation, in der sich die so genannten Oppositionellen befinden, der Regierung den Boden für diese Spielchen.
Einer der Gründe, warum der türkische Staat einen bestimmten Diskurs gegen Israel entwickelt hat, ist der iranische Faktor. Solange das palästinensische Problem ungelöst bleibt, werden die Reaktionen gegen Israel in den arabischen und islamischen Ländern nicht aufhören. Der Iran nutzt das durch diese Reaktion geschaffene Umfeld aus. Es ist undenkbar, dass sich die Türkei, die mit dem Iran in der Region im Widerspruch steht und in einen regionalen Machtkampf verwickelt ist, heraushält und diesen Bereich ganz dem Iran überlässt. Indem die Türkei eine bestimmte Reaktion zeigt und einen Teil der Proteste um sich schart, verhindert sie, dass sich die Aufmerksamkeit vollständig auf den Iran verlagert. Das Vorgehen der Türkei ist also hochpolitisch und nicht außerhalb des Einverständnisses der USA zu verorten.
Ein weiterer Grund ist die öffentliche Meinung in der Türkei. Die AKP/MHP regiert den Staat und das Land, indem sie eine straffe Manipulation und Kontrolle über die Gesellschaft ausübt. Dafür ist es sehr wichtig geworden, Wahrnehmungen zu schaffen und zu steuern. In Anbetracht der bevorstehenden Kommunalwahlen ist es offensichtlich, dass die AKP/MHP-Regierung diese Situation als Chance nutzen will. Auf einer Kundgebung, die in Istanbul angeblich für Palästina und Gaza stattfand, wurde den Massen von der Feindschaft gegen die Kurden und Rojava erzählt, und es wurden neue Invasionen angekündigt. In der Türkei werden die Massen durch Nationalismus, religiösen Eifer und Kurdenfeindlichkeit aufgehetzt. Die Kurdenfeindschaft wird mit islamisch-religiösen Diskursen überdeckt. In Wirklichkeit verfolgt die Türkei nur eine Politik, und zwar die des Völkermords an den Kurdinnen und Kurden. Der türkische Staat kalkuliert und will durch Kurdenfeindlichkeit und Völkermord eine Macht in der Region werden. Zu diesem Zweck benutzt er Religion, Islam und Nationalismus. Er benutzt die Hamas und die palästinensische Sache zu diesem Zweck. Darüber hinaus hat der türkische Staat kein Interesse und keine Unterstützung für die palästinensische Sache.
Der türkische Staat ist in Sorge, dass sich das Gleichgewicht zu seinen Ungunsten verschiebt und das seiner Völkermordpolitik schaden wird. Alle Bemühungen von Tayyip Erdoğan zielen darauf ab, das zu verhindern und darüber hinaus Ergebnisse zu Gunsten seiner Völkermordpolitik zu erzielen. Es ist eine Tatsache, dass die Türkei immer von der Zunahme der Widersprüche und Konflikte in der Welt und in der Region profitiert hat. Der Nutzen, den sie aus dem durch die Konfliktsituation geschaffenen Umfeld und Gleichgewicht gezogen hat, war entscheidend für die Durchführung ihrer Politik des Völkermords an den Kurden. Ohne diese Faktoren wäre der türkische Staat aus eigener Kraft nicht dazu in der Lage gewesen. Daher lässt sich der türkische Staat von der Entwicklung der Konfliktsituation im Nahen Osten nicht beunruhigen. Im Gegenteil, er plant, aus der Konfliktsituation Chancen für sich zu schaffen. Er will dadurch mehr Unterstützung im Krieg gegen die Kurdinnen und Kurden gewinnen und neue Invasionen in Rojava und Syrien durchführen können.
Bei der Bewertung der Kriege und Konflikte im Nahen Osten stellte Abdullah Öcalan fest, dass religiöse Ideologien und Nationalismus keine Lösung schaffen können, im Gegenteil: „Solange die Mentalität des Nationalstaates, sei es in Form von religiösem oder säkularem Nationalismus, fortbesteht, ist es unvermeidlich, dass die Gesellschaften noch mehr aneinandergeraten." Und er fügte hinzu, dass diese Mentalität die Hauptursache für Kriege und Probleme sei. Als Lösungsmodell schlägt er eine „demokratische Nation" vor. Wie lässt sich dieses Modell auf den palästinensisch-israelischen Konflikt übertragen?
Historisch gesehen haben die gesellschaftlichen Probleme mit der Entwicklung des Staatswesens zugenommen. Mit der Entwicklung des Staates hat sich die Menschheit von Gleichheit, Freiheit, Geschwisterlichkeit und friedlichem Zusammenleben entfernt. Stattdessen haben sich Ausbeutung und Krieg durchgesetzt. Das ist eine historische Realität. Das nationalstaatliche System ist das System mit dem höchsten Grad an Konflikten, Krieg und Ausbeutung. Der Erste und der Zweite Weltkrieg sowie Hunderte von lokalen und regionalen Kriegen, die diesen beiden großen Kriegen vorausgingen und folgten, waren Kriege, die von Nationalstaaten geschaffen und geführt wurden. Die Konflikte, Kriege und Ausbeutung in den letzten beiden Jahrhunderten sind hundertmal größer als die negative Summe, die in den Zehntausenden Jahren der Menschheitsgeschichte davor erlebt wurde. Es ist nicht eine Frage der Raffinesse der Kriegsmittel, sondern der Mentalität. Der Nahe Osten ist einer der Orte, an denen der Nationalstaat den größten Schaden angerichtet hat und keine Lösungskompetenz besitzt. Der Nationalstaat hat die bestehenden Probleme im Nahen Osten um ein Vielfaches vergrößert. Heute haben alle Probleme im Nahen Osten ihren Ursprung in der Nationalstaatlichkeit. Das größte Hindernis für die Entwicklung ist der Nationalstaat. Rêber Apo [Abdullah Öcalan] hat sich ausführlich mit dem Charakter, der Mentalität und den Folgen sowohl des Staates im Allgemeinen als auch des Nationalstaates im Besonderen innerhalb der historischen gesellschaftlichen Realität beschäftigt. Die Folgen des Nationalstaates, ob säkular oder religiös, sind dieselben. In beiden Fällen vergrößert er die Probleme und verhindert Lösungen.
Eines der besten Beispiele für die säkularen und religiösen Formen des Nationalstaates ist die Türkei. Bei ihrer Gründung hatte die Türkei eine säkular-nationalistische Form, heute stützt sie sich auf einen religiösen Nationalismus. In beiden Fällen wurde keine echte Lösung für die Probleme der Türkei gefunden. Denn es ist nicht möglich, Probleme der Gesellschaft mit dem Nationalstaat zu lösen. Der Nationalstaat ist im Wesentlichen eine Doktrin des Krieges und des Völkermordes. Abgesehen von dem Krieg, der gegen die Gesellschaft geführt wird, ist das, was innerhalb des Nationalstaates geschieht, brutaler, räuberischer und intriganter als das, was in den Königreichen und Dynastien zuvor geschehen ist. Es ist völlig falsch zu glauben, dass ein solches System die Gesellschaft aufklären und den Fortschritt sichern wird. Diese Ansicht vertreten vor allem diejenigen in der Türkei, die sich auf die Idee des Laizismus stützen. Wenn der religiöse Nationalismus an die Macht kommt und sich im Staat festsetzt, wird angenommen, dass mit dem säkularen Nationalismus ein richtiges Leben und eine Lösung der Probleme möglich wird. Der Nationalstaat ist jedoch ein Hindernis für Aufklärung, Demokratisierung und ein richtiges und freies Leben. Daher können Probleme gelöst und Fortschritte erzielt werden, indem beide Formen des Nationalismus überwunden werden.
Die wirkliche Lösung der Probleme im Nahen Osten kann mit dem Verständnis einer demokratischen Nation gefunden werden. Die demokratische Nation ist eine Lebensform, in der die nationale Realität in ihren wahren Dimensionen gelebt wird, ohne die blendenden und irreführenden Aspekte des Nationalismus. Die demokratische Nation ist das System, in dem die Völker, die Gesellschaften, die Glaubensgemeinschaften und eben auch die Frauen frei leben und sich ausdrücken können. Gleichzeitig ist der Nationalstaat die am stärksten kristallisierte Form von Macht und Autorität, die das Produkt einer männlich dominierten Mentalität ist. Säkularer Nationalismus und religiöser Nationalismus sind nur verschiedene Formen des Nationalstaates. In einem solchen System ist es der Gesellschaft, den Völkern und den Frauen nicht möglich, zu existieren, frei zu leben und sich auszudrücken. Das zeigt sich bereits in der Praxis.
Der Nationalismus ist die Wurzel des arabisch-jüdischen Widerspruchs und Problems. Deshalb können die Überwindung dieses Problems und ein friedliches Zusammenleben nur durch die Überwindung des Nationalismus möglich sein, durch die Überwindung beider Versionen des Nationalstaates, des religiösen und des säkularen Nationalismus. Das ist der Lösungsweg, für den wir eintreten. Wir glauben nicht, dass die Probleme durch die Gründung weiterer Nationalstaaten gelöst werden können. Das wird derzeit als die fortschrittlichste Lösung für die palästinensische Frage dargestellt. Natürlich akzeptiert auch der israelische Staat es nicht. Aber eine grundlegende Lösung des Problems kann nicht durch die Schaffung eines Staates für die Palästinenser erreicht werden. Zuallererst muss die nationalstaatliche Mentalität überwunden werden. Solange das nicht geschieht, werden die Widersprüche und Konflikte nicht aufhören. Eine Lösung kann nicht dadurch erreicht werden, dass man mit der nationalstaatlichen Mentalität Gegenden, Berge, Flüsse und Städte voneinander trennt. Die Lösung für Jerusalem soll darin bestehen, die Stadt in zwei Teile zu teilen. Wäre so etwas möglich? Viele Völker, Gemeinschaften und Glaubensrichtungen leben auf diesem alten Land zusammen. In einer Geografie mit einer solchen Vielfalt ist es nicht möglich, Probleme durch Nationalismus und Nationalstaatlichkeit zu lösen. Es würde nur dazu führen, dass man sich gegenseitig an die Kehle geht. Genau das ist seit hundert Jahren der Fall. Dieser Konflikt kann überwunden werden durch das Lösungsmodell „Demokratische Nation“ und eine entsprechende Denkweise, bei der alle Unterschiedlichkeiten zusammenleben und alle nationalen, kulturellen und religiösen Gemeinschaften sich ausdrücken können. Der Ort, an dem dieses Modell am ehesten Fuß fassen wird, ist die Geografie, in der das israelische und das palästinensische Volk leben.
Wie wichtig ist die Lösung der kurdischen und der palästinensischen Frage für eine Lösung der Probleme im Nahen Osten, für eine Demokratisierung und ein Leben der Völker in Freiheit, Sicherheit und Frieden?
Eigentlich habe ich während des gesamten Interviews versucht, die Bedeutung dieser beiden Probleme und die richtige Lösung, die wir uns vorstellen, zu erklären. Die von den Kräften der kapitalistischen Moderne im Nahen Osten geschaffene Ordnung hat sich zum Nachteil der Völker ausgewirkt. Die Verleugnung und der Völkermord an den kurdischen und palästinensischen Völkern sind ein Ergebnis dieser Ordnung. Die problematische Situation im Nahen Osten wurde aufrechterhalten, indem diese beiden Probleme ungelöst blieben und dem Völkermord überlassen wurden. Auf diese Weise wurden die Nationalstaaten im Nahen Osten gegeneinander und untereinander ausgespielt, von den Hegemonialmächten kontrolliert und so der Nahe Osten in völlige Abhängigkeit gebracht. Die Völker des Nahen Ostens haben großen Schmerz und Schaden erlitten. Das kurdische Volk und das palästinensische Volk haben am meisten gelitten. Das Fehlen einer Lösung für diese beiden Fragen schadet allen Völkern und fördert die Herrschaft der kolonialistischen Mächte, der Imperialisten, in der Region.
Wenn diese beiden Probleme gelöst werden, ist von wichtigen Entwicklungen im gesamten Nahen Osten auszugehen. Konflikte und Kriege werden enden und ein wirklicher Frieden wird erreichbar. Die kurdische und die palästinensische Frage sind die beiden größten Probleme im Nahen Osten. Aber sie sind auch die beiden größten Dynamiken der Demokratisierung im Nahen Osten. Da die Lösung dieser beiden Probleme eine demokratische Mentalität und Herangehensweise erfordert, müssen Nationalismus, religiöser Fanatismus, Nationalstaatlichkeit und alle Arten von Fanatismus, die die Ursachen der Probleme im Nahen Osten sind, überwunden werden. Die Tatsache, dass der Iran, der Irak, Syrien, die Türkei und Israel infolge einer dauerhaften Lösung dieser beiden Probleme einige demokratische Veränderungen durchlaufen werden, reicht aus, um die Bedeutung und das Ausmaß der Entwicklungen zu verstehen. Außerdem würde den Neugestaltungsplänen für den Nahen Osten der Boden entzogen. Eine Lösung der kurdischen und der palästinensischen Frage würde sich über die Region hinaus auf der ganzen Welt positiv auswirken.