42 Tage im Hungerstreik
Der in Athen inhaftierte Journalist Turgut Kaya wehrt sich mit einem Hungerstreik gegen die drohende Auslieferung an die Türkei.
Der in Athen inhaftierte Journalist Turgut Kaya wehrt sich mit einem Hungerstreik gegen die drohende Auslieferung an die Türkei.
Seit 42 Tagen verweigert Turgut Kaya die Nahrungsaufnahme. Mit seinem Hungerstreik wehrt sich der in der griechischen Hauptstadt Athen inhaftierte revolutionäre Journalist gegen seine drohende Auslieferung an die Türkei. Kaya befindet sich zur Zeit in der Krankenstation des Gefängnisses Athen-Korydallos.
Eine Million Euro Kopfgeld
Kaya war am 28. Februar aufgrund eines über Interpol verbreiteten Haftbefehls der türkischen Justiz in der Nähe der griechisch-türkischen Grenze festgenommen worden. Er wird beschuldigt, Leitungskader der maoistischen Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML) zu sein. Auf der Liste der meistgesuchten »Terroristen« des türkischen Innenministeriums findet sich Kayas Name in einer Reihe mit denen des Führungskaders der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Cemil Bayik und des Sektenführers Fethullah Gülen, der für den Putschversuch vor zwei Jahren verantwortlich gemacht wird. Rund eine Million Euro (vier Millionen Türkische Lira) Kopfgeld sind auf die Ergreifung Kayas ausgesetzt, der in Abwesenheit zu einer Haftstrafe von 14 Jahren und sieben Monaten verurteilt wurde.
Inhaftiert und gefoltert
Kaya ist seit seiner Studienzeit Anfang der 90er Jahre politisch aktiv, mehrfach wurde er inhaftiert und schwer gefoltert. Zuletzt saß er wegen seiner Mitarbeit an der legalen sozialistischen Zeitung Özgür Gelecek sechs Jahre lang unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation in Untersuchungshaft. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegen überlange Untersuchungshaft kam er 2012 frei. Er setzte sich zuerst nach Griechenland ab, kehrte dann aber heimlich in die Türkei zurück, wo er bis zu seiner erneuten Flucht seine politische Tätigkeit im Untergrund fortführte.
Obwohl Kaya nach seiner Festnahme unverzüglich Asyl beantragt hatte, erklärte das Oberste Verwaltungsgericht in Athen Ende Mai eine Auslieferung für zulässig. Die endgültige Entscheidung liegt seitdem bei Justizminister Stavros Kontonis von der Partei Syriza.
Süleyman Gürcan von der »Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa« (ATIK), die seit Wochen Protestaktionen vor diplomatischen Vertretungen Griechenlands organisiert, äußerte gegenüber Yeni Özgür Politika die Befürchtung, dass Kaya gegen zwei in der Türkei inhaftierte griechische Soldaten ausgetauscht werden könnte. Die Soldaten waren im März während einer Grenzpatrouille einige hundert Meter auf türkisches Territorium vorgedrungen, Ankara wirft ihnen deshalb Spionage vor.
Geiselaustausch möglich
Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras steht zunehmend unter Druck aus nationalistischen Kreisen, weil es ihr nicht gelungen ist, die Soldaten aus der Haft eines NATO-Partners freizubekommen. Umgekehrt fordert die Türkei die Auslieferung von acht nach Griechenland geflohenen türkischen Soldaten, die am Putschversuch im Juli 2016 beteiligt waren. Deren Auslieferung wurde jedoch vom Obersten Verwaltungsgericht in Athen für unzulässig erklärt, so dass für einen »Geiselaustausch« nur Kaya übrigbliebe.
ATIK-Aktivisten aus mehreren europäischen Ländern protestiert seit drei Wochen täglich auf dem Syntagma Platz vor dem griechischen Parlament für Kayas Freilassung. Vor einer Woche wurden sie von einer Gruppe griechischer Faschisten angegriffen.
“Die Inhaftierung von Turgut Kaya ist ein Angriff auf alle Unterdrückten und Revolutionäre”, erklärte ATIK-Vertreterin Zilan Kizilates am Montag auf einer Pressekonferenz der von griechischen Zivilorganisationen gebildeten Solidaritätsplattform für Kaya im Haus der Gewerkschaftsföderation ADEDY in Athen.
“Wir werden nicht zusehen, wie Kaya verhungert”
“Wir wollen keine leeren Versprechen von der griechischen Regierung sondern echte Garantien für Turgut.” Dass Griechenland ein demokratisches Land ist, sei keine ausreichende Garantie für Kayas Schutz, erklärte Kizilates. Schließlich habe das demokratische Norwegen gerade die kurdische Aktivistin Gülizar Tasdemir in die Türkei abgeschoben. “Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie Turgut Kaya verhungert” kündigte Kizilates unter Verweis auf den sich verschlechternden Gesundheitszustand Kayas weitere Solidaritätsaktionen an. Am Mittwoch wollen die Mitglieder der Solidaritätsplattform auf einer antiimperialistischen Demonstration in Athen auf Kayas Schicksal hinweisen.
Am Donnerstag findet die erste Asylanhörung von Kaya statt. Eine Entscheidung, ob er Asyl erhält, kann aber noch einige Zeit dauern.
Gönek wurde entlassen
Unterdessen sprach ein Gericht am Dienstag den zusammen mit Kaya festgenommenen Hidir Gönek vom Vorwurf des “Menschenschmuggels” frei. Im Verhör hatte Gönek, der ebenfalls ein aus der Türkei stammender Kommunist ist, den Vorwurf der Schleusertätigkeit zurückgewiesen. Er kenne Kaya schon seit langer Zeit und habe ihm aus politischen Gründen geholfen. Am Mittwoch soll Gönek aus der Untersuchungshaft in Komotini entlassen werden.
NICK BRAUNS | Yeni Özgür Politika