Elf Zivilisten, die im vergangenen Jahr aus Efrîn in die Türkei verschleppt worden waren, sind in Hatay zu Haftstrafen zwischen zwölf Jahren und lebenslänglich wegen angeblicher Verwicklung in den Tod zweier türkischer Besatzungssoldaten verurteilt worden. Der Anwalt der Verschleppten, Suphi Zarif, erklärte, seine Mandanten seien gefoltert worden und die Aktenlage, nach der sie zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden, sei widersprüchlich und „absurd“. Der Anwalt kündigte Berufung an. Die Angeklagten wiesen die Beschuldigungen zurück und erklärten, ihre Aussagen seien unter Folter zustande gekommen. Der Anwalt betonte, die Mitglieder der protürkischen Milizen hätten die Familien ihrer Mandanten bedroht. Trotzdem wurden sieben Angeklagte vor dem Gericht in Hatay zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt, vier weitere zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe.
„Die elf Zivilisten wurden zwölf Tage auf übelste Weise von den protürkischen Milizen gefoltert und dann zusammen mit ihren Folterern in die Türkei gebracht, die dann an den Vernehmungen auch noch teilnehmen. Hier kann nicht einmal von einem Verhör die Rede sein“, so der Rechtsanwalt Suphi Zarif. Die Zivilisten wurden gezwungen, vorbereitete Geständnisse zu unterschreiben. Diejenigen, die sich weigerten, wurden von den Folterern, die sich Abu Said und Abu Mahmud nannten, bedroht. Nicht nur die Verschleppten wurden bedroht, sondern auch ihre Familien. Ihnen wurde gesagt: „Wenn ihr diese Aussagen nicht unterschreibt, fahren wir nach Efrîn zurück und unterziehen eure Familienangehörigen der gleichen Folter, wie wir es bei euch gemacht haben. Wir werden eure Frauen vergewaltigen und wenn nötig umbringen.“ Daraufhin hatten die Angeklagten ihre Geständnisse unterzeichnet.
Im September 2018 hatte die türkische Regierung die „Erfolgsmeldung“ verbreitet, mehrere Kämpfer der YPG bei einem „Spezialeinsatz” gefangengenommen und ins Land gebracht zu haben. Regierungstreue Medien veröffentlichten daraufhin Fotos von neun offensichtlich verletzten Männern. Tatsächlich handelte es sich bei den vermeintlichen YPG-Kämpfern um Zivilisten aus dem von türkischen Truppen und dschihadistischen Milizen besetzten Efrîn, die am 3. September 2018 bei Razzien der sogenannten „FSA” verschleppt, gefoltert und anschließend dem türkischen Geheimdienst MIT übergeben wurden. 15 Tage später brachte man die Männer aus Efrîn in die Türkei.
Vorwurf: „Zerstörung der Einheit des türkischen Staates und der Unteilbarkeit des Landes”
Bei den elf Zivilisten aus dem Dorf Omera im Bezirk Mabeta handelt es sich um Fîras Fayîq Kelkawî, Cafer Muhammed Xelosî, Îbiş Mihemed Maho, Mesûd Mecîd Kelkawî, Ehmed Maho, Cengîz Mustefa Nesan, Reşîd Sebrî Maho, Idrîs Mustefa Nesan, Hisên Ehmed Kelkawî, Ramadan Hanif Maho und Rezzan Behcet Ahmet. Ihnen wurde die „Zerstörung der Einheit des türkischen Staates und der Unteilbarkeit des Landes” sowie „Mord” vorgeworfen. Angeblich sollen sie am Tod der hochrangigen Militärs Oğuz Kaan Usta und Mehmet Muratdağı beteiligt gewesen sein, die am 23. Januar 2018 bei Kämpfen mit den YPG/YPJ ums Leben kamen. Konkrete Beweise für diese Anschuldigungen gab es nicht, die Anklage stützte sich auf einen vermeintlichen Zeugen und die Aussagen der Männer, die unter schwerer Folter erspresst wurden.