ZAD: Anschlagsserie auf Armenier in Deutschland

Nach dem Brandanschlag auf ein Dienstfahrzeug der armenischen Botschaft in Berlin berichtet der Zentralrat der Armenier in Deutschland von weiteren Anschlägen auf armenische Privatunternehmen.

Vergangene Woche ist ein Dienstfahrzeug der armenischen Botschaft in Berlin ausgebrannt. Es wird ein politischer Anschlag vermutet, der Staatsschutz ermittelt. In den folgenden Tagen soll es zu weiteren Anschlägen in Köln und Hamburg gekommen sein. Das berichtet der in Frankfurt a.M. ansässige Zentralrat der Armenier in Deutschland e.V. (ZAD):

„Aserbaidschaner tragen seit vergangenem Donnerstag mutmaßlich die Konflikte aus ihrem Heimatland nach Deutschland. In der Nacht zum 23. Juli 2020 ist ein Brandanschlag auf die Botschaft der Republik Armenien in Berlin verübt worden. Dabei ist ein Dienstfahrzeug vollständig abgebrannt.

Unmittelbar in den Tagen danach sind etliche von Armeniern betriebene Geschäfte und Unternehmen von Aserbaidschanern in Köln, Hamburg angegriffen und verwüstet worden, so unter anderem die InVenus-Bar einer armenischen Familie in Köln-Mülheim und ein Taxiunternehmer in Köln.“

Der ZAD-Vorsitzende Dr. Schawarsch Owassapian erklärt dazu: „Die Diktatur Aserbaidschan ist wohl gewillt, ihren Krieg gegen die Armenier in Deutschland mit terroristischen Methoden auszutragen. Wir beobachten, dass aserbaidschanische Vertreter ihren Hass und ihre Hetze regelrecht in die Wohnzimmer der im Ausland lebenden Aserbaidschaner tragen. Es ist bezeichnend, dass angesichts der Gewaltexzesse gegen Armenier in Deutschland, aber auch in Österreich, Russland, Ukraine und den USA nicht ein Wort zur Befriedung seitens der offiziellen Stellen Aserbaidschans fällt.“

Der ZAD bittet den Staatsschutz und die Innenministerien in Deutschland um Hilfe. Owassapian fordert: „Es ist eine Untersuchung erforderlich, die den Verdacht auf Geheimdiensttätigkeiten Aserbaidschans und der als – meines Erachtens nicht anders zu bezeichnenden - organisierten Terrorangriffe gegen die in Deutschland lebenden Bürger armenischer Abstammung nachgeht.“

Der alte Konflikt um Bergkarabach

Auch wenn die aktuellen Gefechte zwischen Armenien und Aserbaidschan in einer anderen Region stattfinden, dreht sich der Konflikt vor allem um die Region Bergkarabach (Arzach). Unter sowjetischer Herrschaft wurde die hauptsächlich von Armenier*innen bewohnte Region Aserbaidschan zugeschlagen. In den achtziger Jahren wurde Bergkarabach von armenischen Guerillagruppen unter Kontrolle gebracht. 1988 weigerte sich die vor ihrem Zusammenbruch stehende UdSSR, Bergkarabach Armenien zu übergeben. Der Konflikt eskalierte. Aserbaidschaner wurden vertrieben und aserbaidschanische Milizen verübten schwere Massaker in Sumgait. Am 27. Februar 1988 wurde in der 290.000-Einwohnerstadt die gesamte armenische Bevölkerung vertrieben oder ermordet. Augenzeugen berichteten, dass die Sicherheitskräfte und die Stadtbehörden trotz Hilferufen nicht eingriffen und so die mordende Menschenmenge weiter anstachelten. Die Zahl der Ermordeten ist weiter umstritten. 1991 erklärte die Region ihre Unabhängigkeit, wurde jedoch international nicht anerkannt. Der Krieg um Bergkarabach endete nach mehr als 30.000 Toten mit einem Waffenstillstand 1994.

Neue Front im Stellvertreterkrieg zwischen Türkei und Russland?

Aserbaidschan gehört zur Einflusssphäre der Türkei und spielt insbesondere im Rahmen der pantürkischen Pläne des MHP/AKP-Regimes eine wichtige Rolle. Insbesondere für die von panturkistischer Ideologie durchdrungene MHP (Graue Wölfe) stellen die „Turkstaaten“ die Grundlage für ein „Turan“ genanntes mythologisches türkisches Großreich dar. Die AKP unterstützt diese Position ebenfalls – vor allem aus neoosmanischer und panislamischer Perspektive. So treffen im Konflikt um Bergkarabach das von der Türkei gestützte Alijew-Regime in Baku und das von Russland unterstützte Armenien aufeinander. Das türkische Außenministerium erklärte prompt zu den Gefechten, Aserbaidschan „mit allen Mitteln im Kampf um den Schutz seiner territorialen Integrität zur Seite zu stehen“. Damit eröffnet die Türkei neben Libyen und Syrien ein neues Konfliktfeld mit Russland.