YXK Kassel: Schikane wie in der Türkei

Der kurdische Studierendenverband YXK kritisiert das polizeiliche Vorgehen gegen Öcalan-Bilder auf einer Kundgebung am vergangenen Samstag.

Am vergangenen Wochenende fanden europaweit Aktionen mit der Forderung nach Freiheit für Abdullah Öcalan statt. In Deutschland sind Demonstrationen mit dieser Forderung nicht verboten, es besteht allerdings Rechtsunsicherheit, was Bildnisse des kurdischen Repräsentanten angeht. Diese ist zum Teil dem Bemühen der Bundesregierung geschuldet, dem Bündnispartner Türkei entgegenzukommen und den Eindruck zu erwecken, als sei die kurdische Opposition auch in Deutschland zum Schweigen gebracht worden.

In Kassel ging die Polizei am vergangenen Samstag gewalttätig gegen Aktivistinnen und Aktivisten vor, die Bilder Öcalans mit sich trugen. Die Kasseler Ortsgruppe des Verbands der Studierenden Kurdistans (YXK) hat zu dem Polizeieinsatz und den Hintergründen ihrer Kundgebung für Öcalan Stellung bezogen:

„Am Samstag, dem 27. Oktober, versammelten wir uns zu einer Kundgebung, um unserer Sorge um den gesundheitlichen Zustand des politischen Gefangen Abdullah Öcalan Ausdruck zu verleihen.

Abdullah Öcalan befindet sich seit seiner Verschleppung aus Kenia im Jahr 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmara-Meer. In dem Konflikt um die kurdische Identität, die seit jeher in der Türkei unterdrückt wird, fällt ihm in einem möglichen Friedensprozess eine Schlüsselrolle zu, ähnlich wie es bei Nelson Mandela der Fall war. Es ist äußerst schwierig, diese Rolle einzunehmen, während man inhaftiert ist und die Kommunikationsmöglichkeiten sehr beschränkt sind. Zurzeit befindet er sich in völliger Isolation von der Außenwelt.

Schlüsselfigur für eine Friedenslösung

Seine Freilassung ist notwendig, um die militärische Logik des Konflikts zu durchbrechen und den Fokus endgültig auf friedliche Verhandlungen zu verschieben. Mehrere Regierungen in der Türkei verhandelten bereits mit Öcalan über eine friedliche Beilegung des Konfliktes, brachen die Verhandlungen jedoch vor einer Übereinkunft wieder ab und schafften eigene Fakten. 2006 haben sich 3,5 Millionen Kurdinnen und Kurden mit ihrer Unterschrift für Öcalan als ihren politischen Repräsentanten ausgesprochen. Seit 2012 haben bereits mehr als zehn Millionen Menschen aus aller Welt die Forderung „Freiheit für Abdullah Öcalan“ unterschrieben. All dies macht ihn unverzichtbar und zu einer Schlüsselfigur für eine Friedenslösung.

Polizeigewalt gegen Öcalan-Bilder

Seit über sieben Jahren wird seinen Anwälten jeglicher Kontakt zu ihm verweigert, seit zwei Jahren hat ihn seine eigene Familie nicht mehr zu Gesicht bekommen. Was geschieht dort mit Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmara-Meer? Diese Frage beschäftigt uns zutiefst. Als wir also am vergangenen Samstag vor dem Kasseler Rathaus unseren Fragen und der Forderung nach seiner Freilassung Gehör verschafften und die Fahnen mit seinem Abbild erhoben, schritt die Kasseler Polizei kompromisslos ein. Menschen wurden gewaltsam die Fahnen entrissen, zu Boden gestoßen, ins Gesicht geschlagen, mit Reizgas in die Augen gesprüht und mit aggressiven Schäferhunden bedrängt. Einer der Teilnehmer wurde von einem Polizisten misshandelt, obwohl er fixiert im Polizeiauto saß. Mehrfach wurde mit der Faust in sein Gesicht geschlagen. All das wegen sieben Fahnen mit dem Abbild Abdullah Öcalans.

Parallelen zwischen Deutschland und der Türkei

Warum geschieht das hier in Deutschland? Deutschland bemüht sich derzeit intensiv um eine Normalisierung in den Beziehungen mit der faschistischen Türkei unter Erdoğan. Erst im vergangenen Monat wurde der türkische Diktator mit militärischen Ehren in der Hauptstadt Berlin in Empfang genommen und zwei Tage lang hofiert. Die Geschäfte mit deutschen Waffen, die anschließend in der Türkei, Syrien und Irak gegen unsere kurdischen Freundinnen und Freunde eingesetzt werden, laufen bestens. Auch hält Erdoğan weiterhin zum Gefallen der Bundesregierung die vor Not und Elend fliehenden Menschen an den Grenzen zu Europa fest und lässt sie in menschenunwürdigen Lagern verharren. In der faschistischen Türkei dürfen wir nicht unsere Meinung auf die Straße tragen, dürfen sie nicht in der Zeitung schreiben, dürfen wir nicht unsere Symbole zeigen ohne wie Terroristen behandelt und weg gesperrt zu werden. In Deutschland dürfen wir es auch nicht! Sie sollen aus den Köpfen und Herzen der Menschen verschwinden, ausgelöscht werden. In keinem anderen Staat außerhalb der Türkei werden kurdische Oppositionelle derart kriminalisiert und schikaniert wie in Deutschland. Die Bundesregierung, aber auch die Polizei und Gerichte in Kassel, machen sich direkt zum Handlanger der faschistischen AKP-Politik unter Erdoğan, welche bereits tausenden Journalist*innen, Lehrer*innen, Oppositionellen und vielen anderen unter Terrorverdacht gestellt die Freiheit geraubt hat.

Uns scheint, wir sind hier in Deutschland auch auf dem Weg in derartige Verhältnisse. Dagegen gilt es sich zu wehren. Wir werden uns weiterhin die Straßen nehmen, wir werden unsere Parolen rufen und unsere Fahnen und Symbole nicht aus der Hand geben. Niemals. Freiheit für Öcalan! Frieden in Kurdistan!“