Warum war die Welt so still?

Auf einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Hamburg berichtete Leyla Imret über Cîzre in der Zeit der Ausgangssperre.

Im Centro Sociale in Hamburg hat eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit Leyla Imret, Ko-Bürgermeisterin von Cîzre, und Yavuz Fersoğlu, Vorstandsmitglied des Demokratischen Gesellschaftszentrums der Kurd*nnen in Deutschland (NAV-DEM), stattgefunden.

In der von der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg unterstützten Veranstaltung wurden die aktuelle Situation und die Perspektiven in Kurdistan diskutiert.

Yavuz Fersoğlu vom NAV-DEM-Vorstand referierte zunächst über die Revolution in Rojava / Nordsyrien und die Entwicklungen in Südkurdistan seit dem 1. Golfkrieg bis zum Scheitern des Unabhängigkeitsreferendums.

Anschließend berichtete Leyla Imret sehr anschaulich von ihren Erfahrungen als Ko-Bürgermeisterin von Cîzre in der Zeit der grausamen Geschehnisse während der Ausgangssperre bis zu ihrer Flucht nach der vierten Festnahme. Dabei erklärte sie, warum sich die Menschen in Cîzre und anderen kurdischen Städten für eine autonome Selbstverwaltung entschieden und welche Rolle Abdullah Öcalan im Mittleren Osten auch heute noch spielt. Das Schweigen der Weltöffentlichkeit in der Zeit der Belagerung Cîzres durch türkische Sicherheitskräfte sei für die Menschen niederschmetternd gewesen, sagte Leyla Imret an Ende ihres Redebeitrags.

Yavuz Fersoglu wies in diesem Zusammenhang auf das Projekt der Familienpatenschaften hin, mit dem unbürokratisch direkte Solidarität mit den Betroffenen gezeigt werden kann.

Im Anschluss an die Referate hatten die Zuschauer*innen Gelegenheit Fragen zu stellen.

Kurdinnen und Kurden im Fokus

Die Veranstaltung war von der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit folgendem Text angekündigt worden:

„Die zugespitzte Situation in der Türkei, die militärischen Erfolge der vornehmlich kurdischen Kräfte bei der Befreiung syrischer und irakischer Gebiete vom IS, das Unabhängigkeitsbegehren von Kurden im Irak, das Modell Rojava und andere Entwicklungen der letzten Zeit rückten die besondere Situation von Kurdinnen und Kurden immer wieder in den Fokus.

In Cîzre wurde im Winter 2015/2016 eine Ausgangssperre von fast 90 Tagen durch das türkische Militär verhängt, die Stadt mit schwerer Artillerie beschossen. Hunderte Zivilisten kamen dabei ums Leben, die Stadt ist weitgehend zerstört.

Die Bürgermeisterin von Cîzre, Leyla Imret, wurde verhaftet und kam nach mehreren Monaten frei. Als ein weiterer Haftbefehl gegen sie erlassen wurde, floh sie nach Deutschland. Leyla und ihre Familie fanden in Bremen Zuflucht, wo sie auch aufgewachsen ist. Sie wird über die Situation in der Türkei berichten. Die Repression des Erdogan-Regimes richtet sich gegen alle Demokraten und Linken, aber insbesondere auch gegen die überwiegend kurdischen Gebieten im Südosten der Türkei und die auch dort sehr starke Linkspartei HDP. Mit Yavuz Fersoglu, Vorstandsmitglied des Demokratischen Gesellschaftszentrums der KurdInnen in Deutschland (NAV-DEM), wollen wir neben den aktuellen Konfliktherden Perspektiven für ein unabhängiges Kurdistan diskutieren.“