Veranstaltung zur Türkei-Wahl in Rotterdam

In Rotterdam hat eine Informationsveranstaltung zur Türkei-Wahl mit dem früheren HDP-Abgeordneten Nihat Akdoğan stattgefunden. In den Niederlanden können türkische Staatsangehörige ab dem 29. April ihre Stimmen für die Wahl abgeben.

Im kurdischen Kulturzentrum in Rotterdam hat eine Veranstaltung zur Türkei-Wahl mit dem HDP-Politiker Nihat Akdoğan stattgefunden. Der frühere Parlamentsabgeordnete aus dem Wahlkreis Colemêrg (tr. Hakkari) informierte im gutbesuchten Konferenzraum des Vereins über den Ablauf der Parlaments- und Präsidentenwahlen in der Türkei. Anders als in Deutschland, Österreich und anderen westeuropäischen Ländern, wo Stimmberechtigte schon ab dem kommenden Donnerstag (27. April) votieren können, startet der Urnengang für türkische Staatsangehörige in den Niederlanden erst am 29. April und endet am 7. Mai. In der Türkei selbst wird erst am 14. Mai gewählt.

Für den Systemwechsel: Wählt die YSP

„Es ist nicht übertrieben, die bevorstehenden Wahlen als einen Wendepunkt zu charakterisieren”, sagte Nihat Akdoğan. Nach mehr als 20-jähriger Regierung durch das Regime der AKP könnte ein Systemwechsel bevorstehen. Dieser sei auch bitter nötig, um das erklärte Ziel der Oppositionsparteien – die Rückkehr zu einem parlamentarischen System – einzuleiten. Das türkische Regime ist in der vergangenen Dekade von einer AKP-Autokratie zur Ein-Mann-Diktatur von Recep Tayyip Erdoğan übergegangen – der Kampf gegen Kurdinnen und Kurden ist zum Fundament des politischen Verständnisses dieses völkisch-nationalistischen Regimes geworden. Sollte Erdoğan nicht wiedergewählt werden, so hätte er weder das Präsidentenamt noch einen Sitz im Parlament inne. Es ist absehbar, dass dies die AKP schwer erschüttern würde. Eine Niederlage der Opposition wiederum käme einer Bestätigung des Präsidialsystems gleich und dürfte vermutlich die Kooperation innerhalb der Opposition deutlich schwächen. „Für beide Seiten geht es gewissermaßen um Sein oder Nichtsein”, so Akdoğan.


Rund 260.000 Stimmberechtigte in den Niederlanden

In den Niederlanden sind rund 260.000 Menschen stimmberechtigt. Doch der Ausgang vergangener Wahlen, etwa bei der Präsidentschaftswahl im Juni 2018 , habe nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in anderen Ländern gezeigt, dass durchschnittlich etwa nur die Hälfte der Stimmberechtigten sich am Urnengang beteiligten. Dabei könnten gerade die Stimmen der Auslandswahlberechtigten entscheidend sein, betonte Akdoğan. Der Politiker warb bei den Wahlberechtigten um Stimmen für die Grüne Linkspartei (Yeşil Sol Parti, kurz YSP). Die YSP tritt anstelle der von einem Verbot bedrohten Demokratischen Partei der Völker (HDP) zu den Wahlen an und wird daher als Schlüsselpartei gehandelt. Bei der Präsidentenwahl unterstützt sie den CHP-Kandidaten Kemal Kılıçdaroğlu. Sollte bei der Präsidentenwahl kein Kandidat auf Anhieb die absolute Stimmenmehrheit erzielen, kommt es am 28. Mai zu einer Stichwahl. In diesem Fall können türkische Staatsangehörige im Ausland zwischen dem 20. und 24. Mai abstimmen.

Nihat Akdoğan als Abgeordneter im Gefängnis

Nihat Akdoğan, der mittlerweile im europäischen Exil lebt, kennt das System Erdoğan. Der 1980 in Colemêrg geborene Kurde hat einen Master in öffentlicher Verwaltung und war von 2015 bis 2018 Abgeordneter der HDP. Knapp ein halbes Jahr seiner Amtszeit verbrachte er allerdings hinter Gittern, statt im Parlament. Akdoğan gehört zu jener Gruppe von HDP-Abgeordneten, die im November 2016 unter Terrorvorwürfen verhaftet wurden. Unter ihnen waren auch die damaligen Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, die sich nach wie vor im Gefängnis befinden – trotz einer gegenteiligen Anordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Vergangenen November verurteilte der EGMR die Türkei zu Entschädigungszahlungen an Nihat Akdoğan und weitere Ex-Abgeordnete der HDP, weil ihre Inhaftierungen politisch motiviert waren und gegen grundlegende Rechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und das passive und aktive Wahlrecht verstoßen haben. Anfang April befasste sich dann die Große Kammer des Gerichts mit dem Fall und wies einen Einspruch der türkischen Regierung zurück.