Tabakanbau als Einnahmequelle für zurückgekehrte Dorfbevölkerung

Im Kreis Tetwan in der nordkurdischen Provinz Bedlîs wurden in den 90er Jahren viele Dörfer vom türkischen Militär niedergebrannt und die Bevölkerung vertrieben. Einige dieser Vertriebenen sind nun dauerhaft in ihre Dörfer zurückgekehrt.

Die Menschen in den Dörfern in Tetwan (türk. Tatvan) lebten von der Tierzucht und dem Anbau von Tabak. Nach der Zerstörung ihrer Dörfer in den 1990er Jahren mussten sie diese Tradition aufgeben. Nun, nach ihrer Rückkehr, lebt der Tabakanbau wieder auf. Eines dieser Dörfer ist Onisqê. Onisqê besteht aus fünfzehn Haushalten. Im Jahr 2004 waren die ersten drei Familien zurückgekehrt. In der letzten Zeit stieg die Zahl der Rückkehrer immer weiter. Vor der Flucht wurde der Tabak an eine Fabrik in Bedlîs (Bitlis) geschickt – nun kommen Händler aus Êlih (türk. Batman), Wan (türk. Van) und sogar dem Iran, um hier Tabak anzukaufen.

Im ANF-Gespräch erzählte eine Familie, die nach 27 Jahren den Entschluss zur endgültigen Rückkehr aus Istanbul nach Onişqê gefasst hatte, über ihre Situation. Da das Bergdorf immer noch häufig unter Polizei- und Militärblockade steht, werden wir die Namen unserer Interviewpartner*innen nicht veröffentlichen.

Sehnsucht und Probleme als Grund für Rückkehr

I.O. arbeitete jahrelang in Istanbul, wurde aber vor kurzem arbeitslos. Er konnte daraufhin seinen Kredit nicht mehr bezahlen und die Wohnung wurde gepfändet. „Du arbeitest dein Leben lang und dann wirst du plötzlich arbeitslos”, erzählt er. „Wir haben uns daraufhin zusammengesetzt und geredet. Wir haben uns dann entschieden, ins Dorf zurückzukehren. Zunächst war es bitter für mich, in die Berge und an die Orte, wo ich Schafe gehütet und meine Kindheit und Jugend verbracht habe, zurückzukehren. Aber es war die richtige Entscheidung. Wir haben unser Land vermisst. Ich wünschte, wir wären nie weggegangen. Aber das war nicht möglich, der Staat hatte es nicht zugelassen.”

Wir bauen unser Haus von Neuem auf

Als N.O. zwölf Jahre alt war, wurde sie auf Entscheidung ihrer Eltern verheiratet. N.O. sagt, sie sei des Lebens in der Stadt müde und lasse sechs ihrer mittlerweile erwachsenen Kinder in Istanbul zurück. Sie berichtet, in ihrer Jugend habe sie allein tonnenweise Tabak geerntet. „In den letzten Jahren im Dorf hatte ich mich noch gesteigert, aber das Dorf ist weg. Damals waren wir jung. Ich wusste nicht, was es bedeutet, müde zu sein. Jetzt fällt es mir etwas schwerer. Ich bin krank geworden. Wir sind nicht das erste Mal seit der Zerstörung im Dorf, aber diesmal sind wir zum ersten Mal lange hier. Wir haben noch kein Haus. Wir bauen ein Haus auf der Ruine des Hauses meines Schwiegervaters. Im Moment wohnen wir im Haus, in dem in den 90er Jahren der Lehrer wohnte. Alle Häuser wurden niedergebrannt, nur dieses blieb heil. Der Staat hat das Eigentum des Lehrers nicht beschädigt”, erklärt sie.

N.O. ist besorgt über die Debatte über ein Tabakverbot und sagt: „Im Moment reden die Dorfbewohner vor allem über ein mögliches Tabakverbot. Wenn der Tabakanbau verboten werden sollte, weiß ich nicht, was wir machen sollen. Wir sind hier und wir müssen irgendwie überleben.” Wenn sie morgens um vier aufwache, empfinde sie das Land besonders intensiv. Über den Trocknungspozess des Tabaks sagt sie: „Der Wind und die Sonne lassen die Blätter gelb werden. Wir fädeln sie auf lange Leinen und hängen sie auf.”

Wass sollen wir machen, wenn das Verbot kommt?

Auch die anderen Menschen im Dorf leben vom Tabakanbau. Der Dorfvorsteher S.E. sagt: „Dutzende Male wurde dieses Dorf niedergebrannt und die Menschen wurden vertrieben. Dennoch kamen sie beständig wieder zurück. Jedes Jahr gibt es Dutzende Ausgangssperren. Wir leben zwischen zwanzig Bergen und sind im Winter hier sowieso eingeschlossen. Welche Strafen und welche Verbote wollen sie denn noch verhängen? Die Menschen sind hierhergekommen, weil sie der Stadt müde waren und kein Einkommen hatten. Von hier sind sie damals auch vor dem Tod geflohen. Jetzt werden diese Verbote verhängt. Was sollen die Menschen denn machen?”

Mittlerweile ist ein eingeschränktes Tabakverbot verhängt worden, gedrehte Zigaretten sind verboten worden. Der Tabak aus den Dörfern kann jedoch weiter verkauft und exportiert werden.