Stuttgart: Şemsettin Baltaş freigelassen

Der kurdische Aktivist Şemsettin Baltaş ist vor dem Landgericht Stuttgart zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Gleichzeitig wurde der Haftbefehl aufgehoben, der 53-Jährige wurde freigelassen.

Semsettin Baltaş ist nach anderthalb Jahren Haft freigelassen worden. Vor dem Landgericht Stuttgart fiel heute das Urteil im Prozess gegen den 53-jährigen kurdischen Aktivisten. Er wurde nach den Terrorparagrafen 129a/b zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde seine Haftentlassung angeordnet.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten vorgeworfen, von April bis Juni 2015 vertretungsweise PKK-Verantwortlicher in Heilbronn gewesen zu sein und seit Juni 2016 bis zur Festnahme am 21. Juni 2018 das Gebiet allein verantwortlich geleitet zu haben. Eine individuelle Straftat wurde ihm nicht vorgeworfen. Die vom Bundesjustizministerium erteilte Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung gemäß §§129a/b datiert vom September 2011.

Seit Beginn des Prozesses im April 2019 haben 37 Verhandlungstage stattgefunden. Şemsettin Baltaş hatte vergangene Woche vor Gericht auf die völkerrechtswidrige Invasion des türkischen Regimes in Nordsyrien hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass in Heilbronn ungefähr 400 kurdische Familien leben: „Diese Familien kommen aus Städten, die von Erdoğan dem Erdboden gleichgemacht wurden. Alle sind PKK-Sympathisanten und in jeder zweiten Familie gibt es Gefallene der PKK. Ich will damit sagen, dass alle dort lebenden Kurden so aktiv sind wie ich. Die Kurden in Heilbronn bemühen sich, ihre kulturellen Werte aktiv zu schützen. Was ich vom Gericht fordere, ist ein gerechtes und humanes Urteil.“

Seine Verteidigerin, Rechtsanwältin Elke Nill, hatte vor Prozessbeginn erklärt, dass ihr Mandant den Kriterien eines PKK-Kaders in keiner Weise entspreche: „Wenn die Anklage durchkommt, dann können alle Kurden in Deutschland nicht mehr ruhig schlafen, die sich im öffentlichen Leben durch Spendensammlungen und Organisation von legalen Demonstrationen aus persönlicher Betroffenheit und im Rahmen ihrer politischen Willensäußerung engagieren.“ Sie nannte die Anklage „martialisch“ und vermutete, dass dieses Verfahren ein „Testballon“ sei, um Kurden künftig auch unterhalb der Funktion einer Gebietsleitung anklagen zu können.