In Genf tagt derzeit im europäischen Sitz der Vereinten Nationen der UN-Menschenrechtsrat. Parallel dazu fand am Freitag eine Podiumsdiskussion zum Thema Menschenrechte in der Türkei statt, die von der Friedensorganisation International Fellowship of Reconciliation (Internationaler Versöhnungsbund) veranstaltet wurde. An der Podiumsdiskussion, die von dem IFOR-Repräsentanten Derek Brett moderiert wurde, nahm der HDP-Abgeordnete Faysal Sarıyıldız, dessen Abgeordnetenstatus aberkannt wurde und Zeuge des Massakers von Cizîr (Cizre), die Rechtsanwältin Hülya Uçpınar und der Menschenrechtsaktivist und Kriegsdienstverweigerer Halil Savda teil.
Sarıyıldız: Das Schweigen der UN ist unakzeptabel
Sarıyıldız unterstützte seinen Vortrag über das Massaker von Cizîr (Cizre) mit einer Slideshow und sagte: „Der türkische Staat hat in Cizîr 79 Tage lang Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Seid al-Hussein, Hoher Kommissar für Menschenrechte der UN, bezeichnete die Ereignisse dieser Tage als ‚schockierend‘. Die Geschehnisse in Cizîr wurden später in den UN-Berichten als ‚apokalyptische Szenen‘ bezeichnet. Das, was sie apokalyptische Szenen nannten, waren genau genommen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, allerdings unterließ es die UN, dies deutlich zum Ausdruck zu bringen“. Weiter betonte Sarıyıldız, dass es unakzeptabel sei, dass die Vereinten Nationen die Vorfälle von Cizîrê noch immer nicht untersucht haben.
„Weil geschwiegen wird, halten die Kriegsverbrechen an“
Vor den Augen der ganzen Welt habe der türkische Staat in Cizîr Kriegsverbrechen begangen, trotzdem würde weiterhin zu Erdoğan und der türkischen Regierung geschwiegen. Dies sei mit den Grundsätzen der Vereinten Nationen nicht vereinbar, sagte Sarıyıldız und fügte hinzu: „Weil in Cizîr zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit geschwiegen wurde, setzt Erdoğan heute seine Kriegsverbrechen in Efrîn fort.“
„Es muss gehandelt werden“
Sarıyıldız erklärte, dass der türkische Staat heute die Verbrechen, die in Cizîr begangen wurden, in Efrîn fortsetzt und äußerte sein Unverständnis darüber, dass gegen die Türkei und Erdoğan nicht vorgegangen wird. Sarıyıldız betonte, dass der Angriffskrieg gegen Efrîn, trotz der Resolution des UN-Sicherheitsrates zu einem 30-tägigen Waffenstillstand, weiter andauert und rief die Vereinten Nationen zu Handlungen auf.
Savda: Regierung lässt der Opposition keinen Lebensraum
Anschließend übernahm der Menschenrechtsaktivist und Kriegsdienstverweigerer Halil Savda das Wort. Einleitend erklärte Savda, dass die Justiz als Institution in der Türkei nicht funktionsfähig sei und Kritiker*innen der Regierung zur Zielscheibe erklärt würden: „Oppositionellen Kritikern der Regierungspolitik wird kein Lebensraum gelassen. Jeder wird gezwungen, so wie die Regierung zu denken“, so Savda. In Bezug auf die Erschwernisse, mit denen Kriegsdienstverweigerer in der Türkei konfrontiert werden gab Savda an, es sei unmöglich, innerhalb der militaristischen Staatsstrukturen ein Leben als Kriegsdienstverweigerer zu führen.
Hülya Uçpınar: Den Krieg ablehnen kostet uns das Leben
Über die Schwierigkeiten, mit denen sich Kriegsdienstverweigerer in der Türkei auseinandersetzen müssen sagte die Rechtsanwältin Hülya Uçpınar: „Wenn sie sich in der Türkei dazu entscheiden, Krieg abzulehnen und ihn zu verweigern, befinden sie sich auf einem Niveau, in dem ihr Leben in Gefahr ist.“ Uçpınar berichtete auch, dass einer wesentlichen Anzahl von Menschen enorme Strafen auferlegt werden, weil sie Kriegsdienstverweigerer sind.