Rheinmetall entwaffnen!
TATORT Kurdistan und Rabe aus dem Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“ laden ein zum Camp und den Aktionstagen in Unterlüß, 1. bis 9. September 2019.
TATORT Kurdistan und Rabe aus dem Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“ laden ein zum Camp und den Aktionstagen in Unterlüß, 1. bis 9. September 2019.
Auch in diesem Jahr wird ein Camp mit Aktionstagen am Standort des Waffenherstellers Rheinmetall in Unterlüß stattfinden. Wie letztes Jahr wird es wieder Diskussionen zu verschiedenen Aspekten des Protests und Widerstands gegen militaristische Politik geben sowie Exkursionen, einen (internationalen) Aktionstag und eine Demonstration vor die Tore des Rheinmetall-Produktionsstandortes in Unterlüß.
Ballung militärischer Anlagen
Rheinmetall ist der größte deutsche Rüstungskonzern und weltweit einer der führenden Waffenhersteller. Die von Rheinmetall produzierten Panzer, die Munition und unterschiedlichen Waffensysteme kommen überall auf der Welt in Krisen und Kriegen zum Einsatz und füllen die Geldbeutel der Rheinmetall-Aktionär*innen. Die einzige Leitschnur ist der Profit. Regeln, die zumindest formal den hemmungslosen Export einschränken sollen, werden real über Koproduktionen mit Rüstungsfirmen von NATO-Partnern und ins Ausland verlegte Produktionsstätten souverän ausgehebelt.
Als Produktions- und Erprobungsstätte für Panzer, Waffen und Munition des Rheinmetall-Konzerns ist Unterlüß ein bedeutender Kristallisationspunkt, um antimilitaristisch zusammenzukommen: Der Ort ist Teil einer ungeheuren Ballung an militärischen Anlagen. Für die Vorbereitung zweier Weltkriege diente die Lüneburger Heide dazu, die materiellen Voraussetzungen zu schaffen. Und bis heute wird diese Tradition der Kriegsvorbereitung fortgesetzt. Und so ist die Lüneburger Heide als eines der größten Truppenübungsgebiete ein riesiges Erprobungsareal für Rheinmetalls „Produkte“, um vom Beta-Test-Status zum Alpha-Test und Verdienststatus zu gelangen: Einsatz in Kriegsgebieten.
Das „Rheinmetall entwaffnen“-Camp steht in der Tradition jahrzehntelanger antimilitaristischer Kämpfe. Ein bedeutender Auslöser für die Initiierung des Camps war der (völkerrechtswidrige) Krieg der Türkei im Norden Syriens, wo auch deutsche Panzer gegen unzählige Zivilist*innen eingesetzt wurden und das basisdemokratische Projekt von faschistischen Söldnern des AKP-Regimes angegriffen wurde. Dies, die im Jemen eingesetzten Waffensysteme aus deutscher Produktion, die illegalen Kleinwaffenlieferungen von Heckler&Koch an Mexiko u. a. stärkte in der deutschen Bevölkerung die ablehnende Haltung gegenüber Waffenexporten.
Ein neues Geschäftsfeld hat sich für Rheinmetall zuletzt durch das europäische Grenzregime eröffnet. Die Abschottung Europas soll weit in die afrikanischen Staaten hinein verlagert werden. Rheinmetall liefert dafür Schützenpanzer z. B. nach Jordanien oder Algerien. Außerdem stellt das Unternehmen Objektschutzanlagen her, Sensorsysteme zur Überwachung wie Bodenradar oder Flugobjekte.
Auch hier wirken technisch hochgerüstete Systeme gegen Menschen, die der Zuflucht und Hilfe bedürfen, weil sie vor Krieg und Armut fliehen.
Come together … right now
Bereits in den letzten zwei Jahren gab es antimilitaristischen Protest in dem kleinen Ort Unterlüß in der Lüneburger Heide. Dort trafen (und treffen sich) bei diesen Gelegenheiten Kriegsgegner*innen aus unterschiedlichsten Bereichen und Motivationen. Im vergangenen Jahr kamen zahlreiche Aktivist*innen aus feministischen, antifaschistischen, antirassistischen, antimilitaristischen und ökologischen Kämpfen zusammen. Dabei gab es ein vielfältiges inhaltliches Programm sowie Aktionen und Demonstrationen. Natürlich haben die Behörden immer wieder versucht, dem Camp und den Aktivitäten Steine in den Weg zu legen. Vergeblich. Aber auch innerhalb der Bevölkerung existieren starke Vorbehalte gegen die Entwicklung einer antimilitaristischen Haltung: Rheinmetall dominiert mit seinen Arbeitsplätzen und seiner Potenz die Region in erheblichem Maße und die Menschen haben das Gefühl, ihre Arbeitsplätze verteidigen zu müssen. Diese Situation böte sicherlich eine interessante Grundlage für die Diskussion über Fragen wie: Was ist sinnvolle Arbeit? Wie wollen wir leben? Was gehen uns die durch von uns produzierte Waffen ermordeten Menschen an? Wer profitiert von unserer Arbeit? Was würden wir gern produzieren wollen? Warum tun wir das nicht? … Unser Protest orientiert sich an ethischen und nachhaltigen Grundsätzen, möchte daraus Aktivitäten entwickeln und dies auch der Bevölkerung zur Diskussion anbieten.
In diesem Jahr beteiligen sich an dem Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“ noch mehr Gruppen und Zusammenhänge als in den Jahren zuvor. Die Vielfalt an Perspektiven wird für viel Austausch und Diskussionen sorgen, und sicherlich wird da die eine und andere Brücke zueinander gebaut werden können.
Die weltweite Zerstörung der Natur schreitet zügig auf einen Punkt zu – wenn wir ihn nicht schon erreicht haben –, ab dem sie nicht wiederhergestellt werden kann, und das rein aus Gier (also Profitinteressen). Dagegen verbinden wir die ökologischen Kämpfe mit weltweiten Perspektiven gegen Krieg und Unterdrückung. So, wie es überall auf der Welt zunehmend geschieht.
Die sich im Kontext der kurdischen Revolution begreifende internationalistische Bewegung verbindet sich mit antirassistischen Gruppen, welche gegen die Abschottung von Europa und die menschenverachtende Migrationspolitik kämpfen. Ökologische Kämpfe wie die aktuelle Schüler*innenstreikbewegung oder Antiatom-Widerstand ergänzen sich mit antikapitalistischen und gewerkschaftlich orientierten Gruppen, die die Logik des Profits und der rücksichtslosen Produktion und Ausbeutung angreifen. Organisationen und Aktivist*innen feministischer Kämpfe, die für eine Geschlechterbefreiung kämpfen, kommen in Kontakt mit antifaschistischen Gruppen, weil auch Faschismus eine Form patriarchaler Struktur ist. Diese und viele andere gesellschaftskritische Ansätze kommen so zusammen, um für eine bessere Welt und ein gerechtes Miteinander zu streiten.
Diskussion, Reflexion, Praxis
Durch diese unterschiedliche Zusammensetzung ist auch ein vielfältiges Programm entstanden, welches die verschiedenen Herangehensweisen und Bedingungen antimilitaristischen Handelns gegen Krieg widerspiegelt. Dabei wird einerseits ein Schwerpunkt auf die Auswirkungen des kapitalistischen Systems gelegt und andererseits der Blick auf konkrete Gegenentwürfe und Alternativen gelenkt werden. Grundlegend wird dabei in Veranstaltungen der Zusammenhang von Patriarchat und Krieg aufgezeigt werden und wo dieses Denken auch in unserer Persönlichkeit zu finden ist. Als Gegenentwurf werden feministische Organisierung und Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit thematisiert werden. Denn Krieg ist ein Ausdruck des Gewaltverhältnisses der Geschlechter und die gleiche Logik ist auch in der Vergewaltigungskultur gegenüber der Natur oder der Unterdrückung von Frauen und anderen Geschlechtern zu erkennen. Mit einem Ausflug ins Biosphären-Reservat Ostenholz soll ein praktischer Vorschlag für die Umnutzung des bisher riesigen Testgeländes für die tödlichen Produkte Rheinmetalls dargelegt werden. Ein weiterer Schwerpunkt im Programm ist der geschichtliche Bezug zur Region. Denn in Außenlagern des Konzentrationslagers Bergen-Belsen schufteten tausende Zwangsarbeiter*innen für die Waffenproduktion während des Zweiten Weltkriegs. Da eine Aufarbeitung der Geschichte durch Konzerne wie Rheinmetall ausbleibt, soll sich auch der Geschichte der Opfer der damaligen Zeit gewidmet werden und fast vergessene Orte sollen mit Gedenken gefüllt werden. Auch werden das konkrete Treiben der Rüstungsindustrie und ihre tödlichen Folgen spezieller unter die Lupe genommen werden.
Und wo wir vom Krieg reden, werden wir von der Militarisierung der Gesellschaft und der „Politik der inneren Sicherheit“ nicht schweigen. Die Industrienationen vernetzen ihre Polizeien und Geheimdienste zunehmend, die kontrollorientierte Durchdringung der Gesellschaft ist ein zentrales Projekt der europäischen Staaten, die Polizeigesetze der EU-Staaten werden auf autoritätsstaatlichem Niveau einander angepasst (die „Neuen Polizeigesetze“, zunehmende Abschiebung und Angriffe auf Flüchtende) … die Liste ist lang. Das Camp soll in Vorträgen und Diskussionen Möglichkeiten des Austausches über Erfahrungen mit Widerstand dagegen und der Entwicklung weiterer Perspektiven geben.
Die Störung der Rheinmetall-Hauptversammlung am 28. Mai 2019 in Berlin hat ein schönes Signal gesetzt gegen zynische Profitgier und für das Leben. Nutzen wir das Camp, noch mehr schöne Ideen zu kreieren.
Vertreter*innen von Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden , Tatort Kurdistan, YXK/YJK und Rabe werden Veranstaltungen zur Situation in Nord- und Ostsyrien, zum Stand der Revolution dort und antipatriarchale Workshops anbieten; Vertreter*innen des YaBasta!-Netzwerkes werden zur Situation in Chiapas berichten und den Vorschlag für ein weltweites Netzwerk des Widerstands und der Rebellion vorstellen. Sehr schön ist in dem Zusammenhang auch, dass zur selben Zeit wie das Camp sehr breit für die vielfältigsten Aktionen gegen die größte Waffenproduzentenmesse mobilisiert wird, die dann in London stattfindet. Eine Internationale der Antimilitarist*innen wird darin greifbar.
In den Aktionstagen werden auch viele kreative Ideen entwickelt werden, wie die Produktion von rücksichtslosen Waffenproduzenten aufgehalten oder mehr thematisiert werden kann. Dabei ist auch wieder eine große Demonstration durch den Ort Unterlüß geplant.
Eingerahmt werden soll das Camp durch ein Miteinander im Camp-Leben, in Struktur und Planung, indem alle Menschen gleichberechtigt entscheiden und gestalten. Denn die Aktivist*innen wollen vor allem andere Formen des Miteinanders entwickeln, welche Krieg, Rassismus und Unterdrückung jeglicher Art nicht zulassen und solidarisches gleichberechtigtes Handeln in den Vordergrund rücken.
Leider hat sich weder die Gemeinde Unterlüß noch die örtliche Kirchenführung in der Lage gesehen, uns Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen für Veranstaltungen für Menschen, die zwar interessiert sind, aber es z. B. nicht gewohnt sind, auf solche Camps zu gehen. Ein Schelm, wer Angst vor Rheinmetall dahinter vermutet. Auf dem Camp sind natürlich alle herzlich willkommen, die sich informieren und mit uns austauschen wollen.
Wir freuen uns auf ein lebendiges und kämpferisches Camp. Kommt alle!