Polizei greift erneut HDP-Politiker in Ankara an

In Ankara sind erneut HDP-Politiker von der türkischen Polizei angegriffen worden. Bereits am Vortag war es vor der Parteizentrale zu brutalen Festnahmen gekommen.

Der Provinzverband der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Ankara wollte heute vor der Parteizentrale eine Stellungnahme zu dem am Mittwoch am selben Ort erfolgten Polizeiübergriff abgeben. Zur Unterstützung kamen die HDP-Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioğlu und Kemal Peköz, Mitglieder des Parteivorstands und Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen aus Ankara zum Parteigebäude.

Bereits Stunden vorher wurde das Gebäude von Hunderten Polizisten abgeriegelt. Vor dem Eingang wurden Dutzende Panzerwagen als Barriere aufgestellt, um die Sicht für Journalisten und Passanten zu versperren.

Nach Gesprächen mit der Polizei wurde nur den Abgeordneten und den Ko-Vorsitzenden die Abgabe einer Erklärung genehmigt. Als Begründung für die beschränkte Teilnahme wurde die in der Corona-Pandemie geltende Abstandsregel herangezogen. Pakize Sinemillioğlu, Ko-Vorsitzende des HDP-Provinzverbands, sagte daraufhin im Polizeikessel: „Selbst unser demokratisches Recht auf die Abgabe einer Erklärung wird uns genommen. Die Polizei hat uns hier gestern unter Einsatz von Gewalt festgenommen. Eine Platzwunde am Kopf unseres Ko-Vorsitzenden musste mit fünf Stichen genäht werden. Heute wollten wir mit derselben Forderung eine Stellungnahme abgeben, aber die vor unserer Tür aufgefahrene Polizei erlaubt es nicht. In unserem Parteigebäude läuft eine Besatzungsoperation.“

Der HDP-Abgeordnete Kemal Peköz bezeichnete das Geschehen vom Vortag als „Gewaltvorführung“ und kritisierte den Polizeieinsatz: „Nachdem dem Ko-Vorsitzenden eine Wunde am Kopf zugefügt worden war, wurde als Begründung genannt, es sei nicht bekannt gewesen, dass es sich um den Vorsitzenden handelt. Was spielt das in dieser Situation für eine Rolle, ob er Vorsitzender ist oder nicht?“ Während Peköz redete, wurden die Motoren der Polizeiwagen angelassen, um die Stimme des Abgeordneten zu übertönen. Die anwesenden HDP-Mitglieder reagierten wütend und forderten die Beendigung der Lärmbelästigung. Peköz fuhr daraufhin fort: „Unsere Friedhöfe werden angegriffen, in unseren Rathäusern werden Zwangsverwalter eingesetzt und überall wird die türkische Fahne aufgehängt. Befindet sich Siirt im Ausland? Ist es von einer Besatzung befreit worden? Gegen unsere Partei liegen schmutzige Anschuldigungen vor, aber für keine davon kann ein Beweis vorgelegt worden. Über die Medien wird die entsprechende Stimmung geschaffen. Dieser Schmutz wird an euren Händen kleben bleiben, wir haben uns noch nie gebeugt und werden es niemals tun. Das solltet ihr wissen.“

Als danach der HDP-Abgeordnete Ömer Faruk Gergerlioğlu zu sprechen begann, wurden wieder die Motoren der Polizeiwagen angeschmissen. Gergerlioğlu sagte: „Die Stimme des Volkes zu unterdrücken, ist primitiv. Bitte stellen Sie den Motor ab.“ Daraufhin kamen Polizisten auf ihn zu, um die Rede zu unterbrechen. Der Einsatzleiter duzte den Abgeordneten und sagte: „Hör sofort auf zu sprechen.“

Nach der Intervention drängten Polizisten einen filmenden Korrespondenten der Nachrichtenagentur MA zurück und drohten mit Festnahme. Die HDP-Mitglieder und Besucher im Parteigebäude protestierten gegen den Polizeiübergriff und riefen: „HDP ist das Volk und das Volk ist hier!“

Nachdem die anwesenden Journalist*innen vertrieben worden waren, griff die Polizei die Abgeordneten und Verbandsvorsitzenden an. Gegen den HDP-Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioğlu und den bereits am Vortag verletzten Ko-Vorsitzenden Vezir Coşkun Parlak wurde Gewalt angewendet.

HDP-Rathäuser unter Zwangsverwaltung

Am vergangenen Freitag sind fünf weitere von der HDP regierte Kommunen in Nordkurdistan unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt worden. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die wie in allen Gremien der HDP als genderparitätische Doppelspitze gewählt wurden, wurden anschließend festgenommen. Neben den Provinzhauptstädten Sêrt (Siirt) und Reşqelas (Iğdır) sowie den Kleinstädten Misirc und Hawêl ist auch die Gemeinde Vartinîs (Altınova) betroffen. In den Rathäusern sitzen mittlerweile Verwaltungsbeamte der AKP-Regierung. Die Bürgermeister von Reşqelas und Vartinîs wurden inzwischen inhaftiert.