Oluç: Trumps Äußerung über Erdoğan ist peinlich

Der stellvertretende HDP-Fraktionsvorsitzende Saruhan Oluç betrachtet eine Verfassungsänderung in der Türkei als dringend notwendig. Die Worte von US-Präsident Trump über den türkischen Staatschef Erdoğan bezeichnete er als „beschämend“.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Saruhan Oluç, hat sich auf einer Pressekonferenz in der türkischen Nationalversammlung in Ankara zu den aktuellen politischen Entwicklungen geäußert. Neben der Debatte um eine Verfassungsänderung, der Wirtschaftskrise, der geplanten Justizreform und dem Ankauf des russischen Raketenabwehrsystems S-400 kommentierte der HDP-Politiker auch die Äußerungen von US-Präsident Trump zu seinem türkischen Amtskollegen Erdoğan auf dem G20-Gipfel in Japan am Wochenende.

Debatte um Verfassungsänderung

Zur Debatte um eine Änderung der Verfassung erklärte der HDP-Politiker: „Die Verfassung der Türkei ist ein Überbleibsel des Militärputsches von 1980 und muss geändert werden. Seit dem 24. Juni 2018 sind im Sinne des Präsidialsystems bestimmte Vorgaben geändert worden. Darüber ist eine Debatte ausgebrochen. Der stellvertretende AKP-Fraktionsvorsitzende Bülent Turan hat sich dahingehend geäußert, dass bei Bedarf eine Revision stattfinden könnte. Diese Angelegenheit lässt sich jedoch nicht mit einer Revision klären. Über eine Revision hinaus muss eine radikale Veränderung vollzogen werden. Die Türkei ist zu einem Ein-Parteien-Staat geworden, der über Dekrete regiert wird. Dieses System ist gegründet worden, um den gewählten Abgeordneten jeglichen Einfluss zu nehmen. Es handelt sich um ein strukturelles Problem, das mit einer demokratischen, freiheitlichen und gleichberechtigten Denkweise gelöst werden muss.“

Wirtschaftskrise

„Die Wirtschaft steckt in einer Krise. Wir erleben eine Inflation von über zwanzig Prozent, eine offizielle Arbeitslosenquote von bis zu 15 Prozent – die inoffizielle ist noch höher – und einen Wertverlust der türkischen Lira von ungefähr 30 Prozent im vergangenen Jahr. Die Krise und die Rezession sind sehr offensichtlich. Die Auslandsverschuldung hat sich innerhalb von drei Jahren um 40 Milliarden Dollar erhöht und beträgt jetzt 453 Milliarden Dollar. Damit sind alle Rekorde in der Geschichte der Republik gebrochen worden. Das Land und die Gesellschaft stecken bis zum Hals im Schuldensumpf.“

Justizreformpaket

„Auch im Justizsystem gibt es große Probleme, wie ein Blick auf das Strategiepapier zur Justizreform zeigt. In der Justiz gibt es ein Problem mit der Gewaltenteilung und ein Qualitätsproblem. Wir haben es mit einer vollständig abhängigen und parteilichen Justiz zu tun, die auf Anweisung der Exekutive arbeitet. Allein das Justizreformpaket zeigt, wie dringlich die Debatte über die Verfassung ist.“

S-400-Raketenabwehrsystem

Auf Fragen von Journalisten zu der Äußerung des türkischen Präsidenten Erdoğan nach einem Gespräch mit US-Präsident Trump am Rande des G20-Gipfels in Osaka, dass die Krise um den Ankauf des russischen Raketenabwehrsystems S-400 und die US-amerikanischen F-35-Kampfjets beigelegt sei, antwortete Oluç: „Wir gehen nicht davon aus, dass diese Krise beigelegt ist. Es geht nicht nur um die Äußerungen Trumps, sondern um die Haltung des US-Kongresses zu diesem Thema. Nicht nur die Demokratische Partei, auch die Republikaner sehen die Angelegenheit kritisch. Insofern wird die Frage weiterhin ein Krisenthema sein. Wir haben bereits mehrfach betont, dass die Türkei sich in Zeiten einer derartig schweren Wirtschaftskrise nicht den Luxus leisten kann, ihre Ressourcen und ihr Budget für Rüstungsimporte auszugeben. Für uns handelt es sich um eine grundsätzliche Angelegenheit. In der Debatte um die Frage, ob S-400 oder F-35 besser sind, vertreten wir die Position, dass beide Importe angesichts der ökonomischen Krise falsche Entscheidungen sind. Diese Entscheidungen dürfen nicht umgesetzt werden.“

Peinliche Trump-Äußerung

Oluç ging auch auf Trumps Erklärung ein, dass Erdoğan ein großes Problem mit den Kurden habe und „die Kurden, die uns beim Kampf gegen den IS helfen“, vernichten wollte. „Ich habe ihn angerufen und gesagt, er soll es nicht tun. Ich glaube, dass die Kurden seine bzw. die natürlichen Feinde der Türkei sind, und er hat seine Absicht aufgegeben“, hatte der US-Präsident von sich gegeben. Der stellvertretende HDP-Fraktionsvorsitzende Saruhan Oluç erklärte dazu:

„Diese Sätze sind auf einer internationalen Sitzung gefallen. Der US-Präsident sagt über den Machthaber in der Türkei, dieser habe die Kurden, die gegen den IS kämpfen, auslöschen wollen und er selbst habe das verhindert. Die Kurden seien die natürlichen Feinde von Erdoğan und der Türkei. An dieser Stelle möchte ich Trump darauf hinweisen, dass die Verwandten und Bekannten der Kurden in Syrien auch in der Türkei leben. Dass die Regierung der Türkei auf eine solche Weise auf internationaler Arena dargestellt wird, ist wirklich beschämend.”