Offener Brief: Freiheit für die Drei von der Autobahn!

Drei Jugendliche wurden in Frankreich vor dem G7-Gipfel festgenommen. Mehrere Jugendverbände aus Nürnberg richten sich mit einem Offenen Brief an den Stadtrat von Nürnberg. Sie sollen für die Heimkehr ihrer Bürger eintreten.

Drei junge Menschen aus Nürnberg machten sich im August auf den Weg in ihren Urlaub, den sie in diesem Jahr im Baskenland verbringen wollten. Ihre Fahrt in die Ferien endete an einer Mautstelle im französischen Biarritz, seitdem befinden sich alle drei getrennt in verschiedenen Gefängnissen Frankreichs. Ihr Verhängnis: an dem Wochenende sollte der G7-Gipfel stattfinden und in der Gegend um Biarritz galt bereits höchste Sicherheitsstufe. In einem Schnellverfahren wurden die drei zu zwei beziehungsweise drei Monaten Haft und einer fünfjährigen Wiedereinreisesperre verurteilt. Der Vorwurf: „Spontaner Zusammenschluss einer Gruppe zur Vorbereitung von Gewalttaten“, ein Vorwurf, der präfentive Maßnahmen wie Festnahmen in Frankreich erlaubt.

Mit einem Offenen Brief haben sich nun die Jugendverbände Linksjugend ['solid] Nürnberg-Fürth, SDS Nürnberg, DGB-Jugend Mittelfranken, SJD – Die Falken Nürnberg, SDAJ Nürnberg, Jusos Nürnberg, Grüne Jugend Nürnberg, DIDF Jugend Nürnberg an den Stadtrat von Nürnberg gewendet. Sie fordern ihn auf, „öffentlichen Druck auf das Auswärtige Amt sowie das französische Generalkonsulat auszuüben und für die Heimkehr Ihrer Bürger zu sorgen!”.

Wir dokumentieren den Offenen Brief in vollem Wortlaut:

Freiheit für die Drei von der Autobahn!

Sehr geehrte Stadträt_innen,

am 21. August 2019 waren drei junge Nürnberger auf dem Weg in ihren Campingurlaub im spanisch-baskischen Lekeitio – doch sie kamen nie dort an. An einer Mautstelle im französischen Biarritz wurden sie von der dortigen Polizei kontrolliert und festgenommen. Der Vorwurf: „spontaner Zusammenschluss einer Gruppe zur Vorbereitung von Gewalttaten“[1] gegen den vier Tage später ebenfalls in Biarritz stattfindenden G7-Gipfel. Dieser Vorwurf erlaubt nach dem Paragrafen 222-14-2 des französischen Strafgesetzbuchs präventive Festnahmen, er wurde – sowie wird auch aktuell – viel gegen die Proteste der Gelbwestenbewegung eingesetzt[2]. Der angegebene Beweis für diesen schwerwiegenden Vorwurf: angebliche linksradikale Literatur und je nach berichtendem Medium Tränengas oder Pfefferspray im Gepäck der Inhaftierten – allerdings wurden sie von der Anklage des Waffenbesitzes laut ihren Eltern wieder freigesprochen.

Der ganze Vorfall ist nicht nur dubios, sondern auch ein neues Zeugnis der immer weiter eskalierenden französischen Polizei – offensichtlich auch mit bundesdeutscher Hilfe: Laut Sarya Taro (ANF deutsch) standen die drei Nürnberger auf einer Liste von angeblichen Linksradikalen, die der deutsche Verfassungsschutz im Zuge des G7-Gipfels den französischen Behörden übergeben hat[3]. Und jetzt wird von Seiten des Auswärtigen Amts behauptet, der Kontakt zu den Inhaftierten wäre nur per Brief möglich, was ein überraschend langwieriges Verfahren für diplomatischen Austausch ist. Es drängt sich die Frage auf, ob das Auswärtige Amt wirklich alle seine Möglichkeiten ausnutzt[4].

Den drei Männern stehen nun zwischen zwei und drei Monate Haft bevor, getrennt voneinander in unterschiedlichen französischen Gefängnissen. Danach erwartet sie ein fünfjähriges Wiedereinreiseverbot nach Frankreich. Im ersten Verfahren wurde ihnen noch der Zugang zu Wahlverteidiger_innen verboten, und obwohl sie inzwischen Anwält_innen haben, dürfen diese ebenfalls nicht mit den Mandanten telefonieren und bekommen keine Akteneinsicht (Stand: 16. September) – obwohl der Berufungsprozess bereits diesen Freitag, den 27. September stattfindet. Ohne Akteneinsicht dürfte es allerdings sehr schwerfallen, die Angeklagten im Verfahren angemessen zu verteidigen.

Wir fordern Sie auf, als Stadträt_innen und politische Vertretung Nürnbergs umgehend öffentlichen Druck auf das Auswärtige Amt sowie das französische Generalkonsulat auszuüben und für die Heimkehr Ihrer Bürger zu sorgen!

Die Stadt Nürnberg hat nun die Chance, Position zu beziehen. Es ist nicht hinzunehmen wie rechtstaatliche Prinzipien in Deutschland und Frankreich dermaßen gebrochen werden und junge Menschen in Zusammenarbeit dieser beiden Staaten unter dubiosen Bedingungen allein wegen ihrer politischen Ansichten im Schnellverfahren ins Gefängnis gesteckt werden.

Ein gemeinsamer Brief von: Linksjugend [’solid] Nürnberg-Fürth, SDS Nürnberg, DGB-Jugend Mittelfranken, SJD – Die Falken Nürnberg, SDAJ Nürnberg, Jusos Nürnberg, Grüne Jugend Nürnberg, DIDF Jugend Nürnberg

[1] Quelle: Brief der Eltern https://www.redside.tk/2019/09/02/gemeinsamer-offener-brief-der-in-frankreich-inhaftierten-nuernberger/

[2] Quelle: Rudolf Balmer, Auslandskorrespondent für Frankreich in der taz https://taz.de/Festgenommene-Deutsche-bei-G7/!5620710/

[3] Quelle: https://anfdeutsch.com/aktuelles/die-drei-von-der-autobahn-13577

[4] Quelle: Radio Dreyecksland https://rdl.de/beitrag/die-unheimliche-langsamkeit-deutscher-diplomaten-im-falle-von-g7-opfern