Offener Brief an Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg

Das Nürnberger Bündnis für Frieden in Kurdistan wendet sich mit offenen Brief an Oberbürgermeister Dr. U. Maly, das Menschenrechtsbüro der erklärten „Stadt der Menschenrechte" und andere Repräsentant*innen Nürnbergs.

Mit einem offenen Brief wendet sich das Nürnberger Bündniss für Frieden in Kurdistan, das 28 kurdische, türkische und deutsche Gruppen und Einzelpersonen vertritt,  an den Oberbürgermeister Dr. U. Maly, das Menschenrechtsbüro und andere Repräsentant*innen der Stadt und fordert: „Geben Sie ein Zeichen, dass Sie es mit dem Label Ihrer Stadt ernst meinen. Verurteilen Sie im Namen der Menschenrechte den Angriff auf Afrin."

„Nürnberg ist die Stadt des Friedens und der Menschenrechte. Nürnberg ist unsere Heimat. Die eine Heimat. Aber es gibt noch eine andere: Dort, wo wir Freunde haben und Verwandte, wo unsere Herzen auch noch zu Hause sind. Diese andere Heimat wird angegriffen. Aus Afrin, dem kleinen Kanton in Syrien, erreichen uns täglich schreckliche Bilder – wie schon in den letzten zwei Jahren aus Bakur, wie wir die kurdischen Gebiete in der Türkei nennen. Der türkische Staat, die AKP/MHP-Regierung legt unsere Dörfer und Städte in Schutt und Asche, vertreibt die kurdische Bevölkerung. Man nennt dies ethnische Säuberung.

Jetzt ist Afrin dran. Die Enklave, die bisher vom Krieg in Syrien verschont blieb, die Hunderttausende von Geflüchteten aufgenommen und versorgt hat, von der nie Gewalt ausging. Im Gegenteil. Wie in der ganzen nordsyrischen Föderation leben dort Menschen verschiedenster Ethnien und Religionen friedlich zusammen. Ihr demokratischer Gesellschaftsvertrag ist beispielhaft für die ganze Region. Er wird geschützt von den Selbstverteidigungseinheiten der YPG und YPJ. Das sind die, die den sog. IS besiegt und 2014 Zehntausende Jesiden gerettet haben. Die Welt hat sie dafür gefeiert. Der türkische Staat sieht in ihnen ‚Terroristen‘, weil sie nicht dessen Ideologie - geprägt von Nationalismus und Panislamismus - entsprechen, sondern für Demokratie und Frieden stehen und weil sie verbunden seien mit der kurdischen Freiheitsbewegung, die seit Jahrzehnten für kulturelle und politische Selbstbestimmung eintritt.

Die deutsche Regierung hat sich entschieden, der Erzählung Erdogans zu folgen und spricht von einer ‚fluiden Lage‘ in Afrin. Bereitwillig übernimmt man in Berlin die ‚Terror‘-Definition der AKP-Regierung. Gute (Geschäfts-)Beziehungen, das Zurückhalten von Flüchtlingen, geo-strategische Interessen wiegen mehr als die Achtung der Menschenrechte.

Die Verbitterung der Kurden und Kurdinnen darüber ist groß. Andererseits macht man sich keine Illusionen über die Rolle Deutschlands. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die deutsch/türkische Waffenbrüderschaft über 100 Jahre alt ist. Was tatsächlich ‚unter die Haut geht‘, ist das Schweigen in den Rathäusern, in den Medien, in der deutschen Bevölkerung. Die über 15.000 Kurdinnen und Kurden, die in der Metropolregion Nürnberg leben, fragen sich, wo der Aufschrei der Stadt der Menschenrechte bleibt, wenn wieder ein Krankenhaus zerbombt wird oder durch Giftgas Menschen sterben. Warum skandalisiert niemand, wenn Präsident Erdogan öffentlich den faschistischen Wolfsgruß zeigt? Warum redet man nicht darüber, dass ein NATO-verbündetes Heer gemeinsam mit islamistischen Söldnern und ehemaligen IS-Banden einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führt? Unter anderem mit deutschen Waffen, deren Einzelteile auch in der Nürnberger Rüstungsfirma Diehl gefertigt werden.

Die Botschaft hinter dem Schweigen deuten Kurdinnen und Kurden bestenfalls als Ignoranz. Manchmal auch als importierte ‚Kurdenphobie‘ á la Erdogan. Um dieses Schweigen zu durchbrechen, gehen sie dann auf die Straße. Mit ihren Parolen, Plakaten und Fahnen. Und selbst dies wird mehr und mehr kriminalisiert. Auch in der ‚Stadt des Friedens und der Menschenrechte‘ werden denen schikanöse Auflagen erteilt, die für den Frieden in ihrer einen Heimat eintreten und die Kriegsbeteiligung ihrer zweiten Heimat anprangern.

Im Namen des Bündnisses für Frieden in Kurdistan, das 28 kurdische, türkische und deutsche Gruppen und Einzelpersonen vertritt, bitten wir die politische Repräsentanz der Stadt Nürnberg: Geben Sie ein Zeichen, dass Sie es mit dem Label Ihrer Stadt ernst meinen. Verurteilen Sie im Namen der Menschenrechte den Angriff auf Afrin. Machen Sie nicht mit bei der politisch motivierten Stigmatisierung der kurdischen Bewegung! Das Schweigen und Nichtstun muss ein Ende haben!“