Neue „Säuberungswelle“ gegen Opposition und Zivilgesellschaft

Wenige Wochen vor der Kommunalwahl in der Türkei geht eine Säuberungswelle durch demokratische Opposition, Zivilgesellschaft und freie Presse. Nach den Festnahmen von kritischen Medienschaffenden in Izmir schlugen Behörden auch in Istanbul und Mersin zu.

Im Vorfeld der Kommunalwahl am 31. März in der Türkei zeichnet sich eine neue „Säuberungsaktion“ im Land ab. Durch die Reihen von demokratischer Opposition, Zivilgesellschaft und der freien Presse fegt seit Dienstag wieder eine Festnahmewelle, die mit dem Label „Terrorismusbekämpfung“ versehen ist. Mitgliedschaft in einer als terroristisch eingestuften Vereinigung lautet der Verdacht, den Staatsanwaltschaften in Istanbul und Mersin gegen mindestens zwanzig Personen erhoben haben. Worum es dabei konkret gehen soll, ist wie üblich unklar. In allen Fällen unterliegen die Ermittlungsakten einer Geheimhaltungsklausel, darüber hinaus ist ein 24-stündiges Anwaltsverbot in Kraft. Bei solchen Maßnahmen, die üblich sind in Verfahren mit angeblichem Terrorismusbezug, handelt es sich um eine gängige Methode der türkischen Justiz, die Verteidigung zu torpedieren.

In Mersin wurden bislang neun Festnahmen bestätigt. Dabei gelte: „Tendenz steigend“, hieß es aus Anwaltskreisen. Unter den Betroffenen befinden sich mehrere Mitglieder des Gefangenensolidaritätsvereins TUAY-DER für die Çukurova-Ebene, darunter auch Nuray Şahin vom Vorstand der Organisation. Sie wurden bei Razzien im Kreis Tarsus sowie in der Provinzhauptstadt Mersin festgenommen. In anderen Bezirken der Küstenregion dauern die Wohnungsdurchsuchungen weiter an.

Neun Festnahmen in Istanbul

In Istanbul führte die Polizei überfallartige Razzien in den Bezirken Esenyurt, Esenler, Maltepe, Pendik und Kağıthane durch. In mindestens einem Fall soll es zu massiver Gewalt an Mitgliedern einer kurdischen Familie in Esenyurt gekommen sein. Wie die Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) berichtete, seien mehrere Personen mit Schlagstöcken auf Rücken, Arme und Beine attackiert worden. Anschließend wurden sie auf das Istanbuler Polizeipräsidium im Stadtteil Fatih gebracht. Unter den Festgenommenen befindet sich mindestens eine Frau.

Medienschaffende in Izmir in Gewahrsam

In Izmir waren bereits früher am Tag sechs Medienschaffende in Gewahrsam genommen worden. Inzwischen ist bekannt, dass auch gegen sie die Allzweckwaffe „Terror“-Karte gezückt wurde. Weitere zwei Festnahmen ereigneten sich bereits am späten Montagabend nahe Licê im Nordosten der kurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakır). Die beiden Männer aus dem Ort Çemê Elîka (Birlik) werden auf dem Revier der Gendarmerie (Militärpolizei) festgehalten. Womit sie beschuldigt werden, ist nicht bekannt.