IS-Gefangene zu Beziehungen zwischen IS und Türkei – Teil 1
Wir veröffentlichen eine Serie von Gesprächen und Aussagen von IS-Dschihadisten zu den Beziehungen zwischen der Türkei und dem IS.
Wir veröffentlichen eine Serie von Gesprächen und Aussagen von IS-Dschihadisten zu den Beziehungen zwischen der Türkei und dem IS.
Die Nachrichtenagentur ANHA konnte eine Serie von Interviews mit IS-Dschihadisten, die sich den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) ergeben haben, führen. Die Dschihadisten aus Schweden, der Türkei und Usbekistan werden an einem geheimen Ort festgehalten.
Der erste Dschihadist dieser Serie stellt sich als Oğuzhan Emre vor. Er wurde 1974 in Ankara geboren. Er arbeitete in einer Firma in Ankara als Buchhalter. 2014 lernt er Kamil Nuhoğlu kennen, der in Sincan eine Moschee und einen Buchladen betrieb. Nuhoğlu bringt ihn mit dem IS in Verbindung. Mit seiner Hilfe tritt er der Terrormiliz bei.
IS-Propagandagruppe in Ankara
Nach den Aussagen von Emre handelt es sich bei Kamil Nuhoğlu um einen türkischen IS-Kader, der den Buchladen in Sincan betrieb, um neue IS-Mitglieder zu gewinnen. Kamil Nuhoğlu organisierte unter dem Deckmantel einer angeblich nicht radikalen Gemeinde 10 bis 15 Personen und sorgte mit ihnen für die Rekrutierung neuer Dschihadisten und den Transport von ausländischen Dschihadisten nach Syrien.
Oğuzhan Emre erklärt, er habe so wie die ganze Gruppe geglaubt, es gäbe keinen echten Islam in der Türkei und dass „der wahre Islam“ nur „im IS-Gebiet gelebt werde“. Daher ersuchte er bei Kamil Nuhoğlu um Beitritt zum IS. Er brach in einem Auto, das ihm Kamil zur Verfügung stellte, gemeinsam mit seiner Frau und fünf Kindern abends von Ankara nach Dîlok (Antep) auf. Nachdem sie den Ort erreicht hatten, wurden sie in ein anderes Auto in der Nähe der Grenze umgeladen. „Lauf ab hier, direkt gegenüber liegt Syrien“, wurde ihnen später gesagt. Die türkischen Soldaten an der Grenze haben den Zustrom zum IS in keiner Weise behindert, betont Emre. Von dort aus sei er nach al-Bab gekommen. Dort hätte er dann in einem Krankenhaus des IS gearbeitet.
Die Unterstützung des türkischen Staats für den IS
Der gefangene Dschihadist berichtet weiter, dass er selbst die Unterstützung des türkischen Staats für den IS mit Medikamenten und medizinischem Material gesehen habe: „Die Medikamente, die in den Gesundheitszentren und den Apotheken im IS-Gebiet angeboten wurden, waren allesamt in der Türkei produziert worden. Die Türkei setzte diese Unterstützung auf geheime Weise um. Es war unmöglich, über dieses Thema zu sprechen. Denn sonst wärst du wegen Agententums oder aus einem anderen Grund geköpft worden.“
Der Handel der Türkei mit dem IS um al-Bab
Aufgrund des Vorrückens der Verteidigungseinheiten YPG und YPJ gegen den IS unter Druck gesetzt, begann der türkische Staat am 24. August 2016 begleitet von einer massiven Medienkampagne eine „Operation“ auf die IS-Gebiete in Cerablus, al-Bab und Azaz. Bevor das türkische Militär vorrückte, hatte sich der IS aus der Region zurückgezogen. Dann rückte die türkische Armee in die genannten Gebiete fast kampflos ein. Die türkische Armee und die Dschihadisten feuerten nur ein paar Schüsse und Granaten ab, um das Narrativ eines Kampfes glaubhaft zu machen.
„Bevor die Türkei einmarschierte, hatten wir al-Bab geräumt“
Nach dem Abkommen zwischen dem IS und dem türkischen Staat bricht Oğuzhan Emre mit seiner Familie von al-Bab nach Tabqa auf. Emre erinnert sich: „Der IS sagte uns, wir müssten nun al-Bab verlassen, mehr nicht. Nicht nur ich, sondern hunderte Familien mit schweren Waffen zogen ab und gingen nach al-Mayadin. Als wir die Region verließen, rückte der türkische Staat ein. Da habe ich verstanden, dass es ein Abkommen zwischen dem IS und dem türkischen Staat gegeben hat.“
Emre ergibt sich den QSD
Nach Beendigung der Offensive der QSD zur Befreiung von Tabqa geht Emre mit seiner Familie nach al-Mayadin in Deir ez-Zor, später aufgrund des Bombardements durch das syrische Regime zunächst nach al-Bukamal und anschließend nach Hajin. 2018 ergibt er sich mit seiner Familie den QSD.