Hausdurchsuchungen in Hannover: „Wie in der Türkei“

Im Raum Hannover hat die Polizei die Wohnungen von fünf kurdischen Aktivist:innen durchsucht. Zahlreiche Mobiltelefone, Laptops und Unterlagen wurden beschlagnahmt. Den Beschuldigten wird Verstoß gegen das Vereinsgesetz vorgeworfen.

Ab 7.00 Uhr sind heute zeitgleich die Wohnungen von fünf Aktivist:innen und Mitgliedern des Demokratischen Gesellschaftszentrums Hannover und des Frauenrats Ronahî in der Region Hannover sowie den Landkreisen Celle und Heidekreis von der Polizei durchsucht worden. Das Gesellschaftszentrum und der Frauenrat vertreten die Interessen der kurdischen Gemeinschaft in der Region. Ihre Mitglieder engagieren sich ehrenamtlich für die Belange der Community, indem sie bei bürokratischen und rechtlichen Anliegen ansprechbar sind, bei Behördengängen oder Arztbesuchen begleiten, Übersetzungen vornehmen, Streit schlichten, gegen patriarchale Gewalt arbeiten, Sprach- und Musikkurse anbieten, Feiern und Bildungsangebote veranstalten. Sie setzen sich für die Völkerverständigung ein, indem sie den Kontakt, Austausch und die Zusammenarbeit mit deutschen und anderen migrantischen Menschen und Gruppen suchen und pflegen. Sie treten konsequent für eine demokratische Lösung der kurdischen Frage und einen gerechten Frieden im Kurdistan-Konflikt ein.

Die Durchsuchungsbeschlüsse gegen die fünf Betroffenen hatte das Amtsgericht Celle auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Celle vor einer Woche erlassen. Den Beschuldigten wird Verstoß gegen das Vereinsgesetz nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Vereinsgesetz vorgeworfen, also die Unterstützung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und damit ein Zuwiderhandeln gegen das PKK-Betätigungsverbot von 1993.

Wie die türkische Polizei“

Die Polizei drang in die Wohnungen der Betroffenen ein, wobei sie teilweise handgreiflich wurde. Anschließend durchsuchte sie die Wohnungen und auch andere Räume wie Keller. In manchen Wohnungen verwüstete sie die Räume regelrecht, stieg mit nassen Straßenschuhen in Betten und warf die Gegenstände in einem Zimmer auf dem Boden zusammen. Sie beschlagnahmte zahlreiche Mobiltelefone, Laptops, Speichermedien, privates Geld, persönliche Notizen und Terminkalender.

Die Ko-Vorsitzende des Volksrats Hannover, Sevim Devrim, die selbst von den Durchsuchungen betroffen ist, sagte zum polizeilichen Vorgehen: „Die deutsche Polizei verhält sich genauso wie die türkische Polizei. Wir machen hier unsere politischen Arbeiten, für die wir aus unserer Heimat vertrieben wurden, um genau die gleiche Repression zu erfahren. Ob wir Feiern oder Demos organisieren, Räte und Kommunen aufbauen, Bildungsarbeit leisten oder Konflikte in der kurdischen Gesellschaft lösen, der Staat kennt nur die Antwort der Gewalt. Da unterscheidet sich der deutsche Staat nicht vom türkischen.“

Informationen sammeln und Verunsicherung auslösen“

Die vagen Vorwürfe gegen die einzelnen Betroffenen und das große Interesse daran, Kommunikationsmittel und Notizen zu beschlagnahmen, legen nahe, dass es der Staatsanwaltschaft und Polizei eher darum geht, möglichst viele Informationen zu politischen Arbeiten und Strukturen zu sammeln und Verunsicherung zu säen, statt konkrete Vorwürfe aufzuklären.

Dieses Vorgehen der Polizei gegen kurdische Strukturen und ihre Aktivist:innen ist in Hannover seit Jahren bekannt. So wurden etwa 2018 die Räume des Gesellschaftszentrums durchsucht, weil den fünf Vorstandsmitglieder ein Verstoß gegen das Vereinsgesetz vorgeworfen wurde. 2019 wurde ein Ermittlungsverfahren gegen sieben Mitglieder des Gesellschaftszentrums geführt, infolge dessen ihre Wohnungen durchsucht wurden. Zu Anklagen oder gar Verurteilungen ist es bis heute in keinem der Verfahren gekommen.

Die Betroffenen haben sich anwaltlichen Beistand gesucht und werden über ihre Verteidiger:innen in den nächsten Tagen Akteneinsicht beantragen.