Gedenken an Şemsettin Kurt in Bern und Zürich

Am 24. Juni 1993 wurde aus den türkischen Botschaften in Bern und Zürich heraus auf kurdische Demonstrierende geschossen. Şemsettin Kurt, der in der Türkei Folter und Haft erleiden musste und ins Exil geflohen war, überlebte nicht.

Am 24. Juni 1993 wurde Şemsettin Kurt aus der türkischen Botschaft in Bern heraus erschossen. Der 29-jährige Kurde, der in der Türkei schwer gefoltert worden war und 1991 ein Asylgesuch in der Schweiz stellte, hatte sich an jenem Donnerstag an einer Demonstration gegen Massaker des türkischen Staates an der kurdischen Bevölkerung beteiligt. Die Staatsgewalt, die das Militär und Todesschwadronen an der Seite der türkischen Armee an Kurdinnen und Kurden verübten, war in jenem Jahr auf einem Höhepunkt angekommen.

In Bern zogen deshalb rund 150 Menschen, darunter auch Kinder, durch das Kirchenfeldquartier zur türkischen Botschaft, um ihrer Wut über die türkische Tötungsmaschinerie Ausdruck zu verleihen. Dort angekommen, begaben sich einige Protestierende, unter ihnen Şemsettin Kurt, auf das nicht abgeschlossene Gelände der diplomatischen Vertretung. Unvermittelt wurde aus der türkischen Botschaft heraus auf die Menge geschossen. Dabei wurden Şemsettin Kurt und sechs weitere Kurden von Kugeln aus zum Teil automatischen Waffen getroffen. Auch ein Schweizer Polizeibeamter wurde angeschossen. Şemsettin Kurt überlebte als einziger nicht.

Keine Konsequenzen für die Täter

Durch Fotos des Journalisten Irfan Doğan, der damals für die pro-kurdische Zeitung „Özgür Gündem“ arbeitete, konnten vier Schützen identifiziert werden. Unter ihnen befand sich auch der türkische Botschafter Kaya Toperi. Sie hatten auch dann noch in die Menge geschossen, als die Berner Stadtpolizei die Lage längst unter Kontrolle hatte und sich die Protestierenden auf der Flucht befanden, sagte der frühere Gerichtspräsident Ralph Hofer laut der Berner Tageszeitung „Der Bund“ damals in einem Verfahren gegen einen Demonstranten. Doch strafrechtliche Folgen gab es für Toperi und die drei weiteren Botschaftsangestellten keine – wegen ihrer diplomatischen Immunität. Ankara zog sein Personal ohne Konsequenzen zurück. Gleichentags hatte man auch aus dem türkischen Konsulat in Zürich auf kurdische Demonstrierende geschossen. Dort wurde, wie durch ein Wunder niemand verletzt.

Einer der Schützen | Foto: Irfan Doğan

Gedenken in Bern und Zürich

Aus Anlass des Todestages von Şemsettin Kurt haben Internationalist:innen in Bern und Zürich am Samstag an das Verbrechen von damals erinnert. In einem gemeinsamen Statement erklären sie: „Heute vor 30 Jahren wurde der Kurde Şemsettin Kurt in Bern erschossen. Seine Mörder sind Botschaftsmitarbeiter der Türkei. Auch 30 Jahre danach wurde niemand zur Rechenschaft gezogen. Die vom türkischen Botschafter Kaya Toperi und seinen Mitarbeitern eingesetzten halbautomatischen und automatischen Waffen wurden nie beschlagnahmt oder sichergestellt. 30 Jahre danach geht der Kampf gegen den türkischen Faschismus weiter, auch in der Schweiz.“


Der Widerstand geht weiter

In Gedenken an Şemsettin Kurt brachten die Internationalist:innen in Bern ein Wandbild an und in Zürich gestalteten sie ein großes Graffiti. In ihrer Erklärung verwiesen sie zudem auf die Kontinuität des Krieges der Türkei in Kurdistan und kritisierten die internationale Ignoranz dagegen. „Das Morden in den kurdischen Regionen wird von den westlichen Mächten und der Schweiz stillschweigend gebilligt. Die wirtschaftlichen Beziehungen und die gewichtige geographische Lage reichen aus, um wegzuschauen und zu schweigen. Doch nicht für uns. Wir erinnern uns an Şemsettin Kurt. Und mit dieser Erinnerung nehmen wir seinen Widerstand gegen den türkischen Staat und seine Repräsentanten auf. Bis eine freie Gesellschaft ohne Unterdrückung erreicht wird.“