Frankreich lehnt Einstufung von „Anfal-Operation“ als Genozid ab

Die französische Nationalversammlung will die Massaker an der kurdischen Bevölkerung während der irakischen „Anfal-Operation“ nicht als Völkermord einstufen. Ein entsprechender Entschließungsantrag wurde zurückgewiesen.

Frankreich will die Massaker an der kurdischen Bevölkerung und anderen nichtarabischen Minderheiten während der „Anfal-Operation“ des irakischen Militärs in den Jahren 1986 bis 1989 nicht als Völkermord einstufen. Am Freitag wies die französische Nationalversammlung einen entsprechenden Entschließungsantrag der Fraktion der Union des démocrates et indépendants (Union der Demokraten und Unabhängigen, UDI) mit 17 Stimmen gegen neun Stimmen zurück.

In der Resolution werden die jahrzehntelangen Gräueltaten des irakischen Regimes von Saddam Hussein an der kurdischen Bevölkerung detailliert beschrieben. Unter anderem heißt es: „Weit entfernt von einfachen Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen sollte das kurdische Volk in seiner Gesamtheit ausgelöscht werden.“ Die französische Regierung möge den Völkermord anerkennen und sich für eine „Wiedergutmachung der Schäden einsetzen, die die Opfer und ihre Angehörigen erlitten haben“.

Der UDI-Vorsitzende Jean‑Christophe Lagarde zeigte sich nach der Entscheidung enttäuscht, auch vor dem Hintergrund der Schlüsselrolle Frankreichs bei der Errichtung einer Schutzzone nach dem Zweiten Golfkrieg auf Grundlage der UN-Resolution 688 vom 5. April 1991, deren Kernbestimmung lautet: „Der Sicherheitsrat (...) verurteilt die in vielen Teilen des Iraks, besonders auch in allerjüngster Zeit in den kurdischen Siedlungsgebieten stattfindende Unterdrückung der irakischen Zivilbevölkerung (...) (Er) verlangt, dass der Irak als Beitrag zur Beseitigung der Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in der Region diese Unterdrückung sofort einstellt (...)“.

Anfal-Genozid

Die „Anfal-Operation” war eines der größten Menschheitsverbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg. Unter diesem Namen hat das irakische Baath-Regime zwischen 1986 und 1989 in acht Phasen genozidale Maßnahmen an der kurdischen Bevölkerung und der aramäischen, assyrischen und chaldäischen Minderheiten in den ländlichen Regionen des Nordiraks durchgeführt. Anfal bedeutet „Beute“ und bezieht sich auf die achte Sure des Koran, welche eine strategische Kriegshandlung gegen Ungläubige beschreibt. 1988 erreichte die Operation ihren Höhepunkt. Innerhalb von nur sechs Monaten wurden unter dem Vorwand der „Aufstandsbekämpfung” etwa 182.000 Menschen getötet, mehrere Millionen verletzt, vertrieben und in Konzentrationslagern dem qualvollen Tod durch Hunger und mangelnde Pflege überlassen. Etliche Mädchen und Frauen wurden in andere Länder verschleppt, über 4.000 Dörfer, 1.800 Schulen, 300 Krankenhäuser, 3.000 Moscheen und 27 Kirchen dem Erdboden gleichgemacht. In mindestens 42 Fällen ist der Einsatz von Giftgas dokumentiert. Das Massaker von Helebce (Halabdscha) am 16. März 1988 ist der bekannteste Giftgasangriff.