Wie können wir das System begreifen, das für die offensichtlichen Krisen, von ökologischer Zerstörung, langanhaltender Kriege, wirtschaftlicher Zusammenbrüche und Genoziden, verantwortlich ist? Wir erleben einen Dritten Weltkrieg, der zwischen den Staaten, aber auch gegen die Gesellschaft und Natur ausgetragen wird. Dieser Krieg ist Teil der Krise der kapitalistischen Moderne, wie die aktuelle Phase des Weltsystems beschrieben werden kann. Ihre Auswirkungen sind weltweit zu spüren, ob in Kurdistan oder Deutschland. Sie zu überwinden ist die Aufgabe, um ein würdevolles, friedliches und demokratisches Leben zu sichern. Doch haben es die vielen Bewegungen weltweit bisher nicht geschafft, eine wirkliche Alternative zu errichten. Was waren und sind die Fehler und Erfolge der demokratischen und revolutionären Kräfte? Was bedeutet der Vorschlag der Freiheitsbewegung Kurdistans zum Aufbau der demokratischen Moderne in Kurdistan, aber auch hier?
Diesen Fragen und ihrer Bedeutung widmete sich die Veranstaltung „Mit der Perspektive der Freiheitsbewegung Kurdistans, die globalen Krisen überwinden“, mit der in Leipzig am Mittwoch die diesjährigen Kurdistan-Tage eröffnet wurden. Etwa 25 Interessierte kamen dafür am Veranstaltungsort auf der Eisenbahnstraße im Leipziger Osten zusammen, um dem Vortrag zu folgen und im Anschluss über die Inhalte zu diskutieren.
Rojava stellt sich Herrschaft und Unterdrückung entgegen
Begonnen wurde mit einer Einleitung durch das Rojava-Solidaritätsbündnis, das zusammen mit der Internationalistischen Jugendkommune und der feministischen Organisierung „Gemeinsam Kämpfen“ die Kurdistan-Tage veranstaltet. Dabei wurde eröffnet, dass Kurdistan zwar für viele Menschen weit weg erscheint, jedoch die Kriege, die im Mittleren Osten geführt werden, einer globalen Krise der kapitalistischen Moderne folgen, mit denen die Gesellschaften in Europa doch sehr verflochten seien. Die Freiheitsbewegung Kurdistans stelle eine Analyse und Vorschläge, wie diese Krise überwunden werden könne. Mit der Revolution in Rojava, die nunmehr seit elf Jahren gegen ständige Angriffe verteidigt wird, sei dort auch eine praktische Umsetzung zu finden, die sich Herrschaft und Unterdrückung entgegenstellt.
Im zweiten Teil des Vortrages wurden die verschiedenen Aspekte der Krise auf der Basis der Analyse und Geschichtsbetrachtung der kurdischen Freiheitsbewegung und ihres Vordenkers Abdullah Öcalan beleuchtet. Weiter wurden die Akteur:innen betrachtet, die mit unterschiedlichen Strategien das kapitalistische System fortbestehen lassen: Nach Macht strebende Kräfte der kapitalistischen Moderne wie etwa Konservative, die am nationalstaatlichen Konzept festhalten wollten, oder Neoliberale, die zu Gunsten der Ausbeutung nationalstaatliche Grenzen aufweichten. Beide würden keinen Ausweg aus der Krise geben.
„Im Inneren auf nationalstaatlicher Ebene sehen wir diese gegenüberstehenden Konzepte beispielsweise in Frankreich zwischen Macron und Le Pen oder in den USA zwischen Trump und Biden. In der heutigen Weltpolitik sind dies Kräfte wie Russland, USA, EU oder China, die um Vorherrschaft kämpfen“, hieß es weiter. „Als emanzipatorische, demokratische Kräfte sind wir es, die einen Ausweg erkämpfen müssen, um zu einer befreiten Gesellschaft, basierend auf radikaler Demokratie, Geschlechterbefreiung, und Ökologie, zu kommen.“ Hierfür wurde im Vortrag aufgezeigt, welche Kräfte in der Vergangenheit dies zu erreichen versuchten, und analysiert, warum das alte System nicht überwunden werden konnte.
Kämpfende Kräfte müssen Synthese eingehen
Weiter ging es mit den Kräften, welche heute einen relevanten Beitrag dazu leisten könnten. Dabei müssten sich die sozialistischen Kräfte einer Selbstkritik unterziehen und gemeinsam mit den feministischen Kräften, den Ökologiebewegungen und der anarchistischen Bewegung eine Synthese eingehen, ihre Widersprüche diskutieren und als eine gemeinsame Kraft ein befreites System, die „demokratische Moderne“ aufbauen. Zum Abschluss des Vortrages wurde noch explizit auf die Rolle Abdullah Öcalans eingegangen, der durch seine Werke als Vordenker dieser Ideen und der Freiheitsbewegung Kurdistans gilt. Er sitzt seit nunmehr 24 Jahren in Isolationshaft in der Türkei. Seine Freiheit würde die Grundlage für einen Friedensprozess im Mittleren Osten darstellen und somit auch Fortschritten in der Lösung der kapitalistischen Krise dienen.
Spannendes Programm bis zum 13. August
Nach dem Vortrag wurden inhaltliche Fragen der Gäste beantwortet und weiter diskutiert, wie eine Umsetzung dieser Ideen stattfinden kann. Bis dahin werden noch bis zum 13. August an unterschiedlichen Orten in Leipzig Buchvorstellungen, Vorträge und Filmvorführungen stattfinden und einen Einblick in die kurdische Kultur und Einblicke in die Politik der Freiheitsbewegung Kurdistans geben. Heute geht es ab 18 Uhr weiter mit dem Vortrag „Demokratischer Konföderalismus” mit anschließender Diskussion und KüFa. Der weitere Veranstaltungskalender sieht wie folgt aus:
Samstag, 05.08.2023 – „Autonom-feministisches Vernetzungstreffen“
Sonntag, 06.08.2023 – Parkfest im Rabet
Montag, 07.08. 2023 – Eröffnung „Cafe Heval-Tea“
Mittwoch, 09.08.2023 – Workshop „Autonome Organisierung“
Donnerstag, 10.08.2023 – Filmvorführung „Kobanê“
Freitag, 11.08.2023 – Konzert mit Seyda Perinçek
Samstag, 12.08.2023 – „Eine Brücke nach Rojava“ – Städtepartnerschaft mit Nord- und Ostsyrien?
Sonntag, 13.08.2023 – „Freiheit für Öcalan!“ Demonstration