Während die geplante Umwidmung der Istanbuler Hagia Sophia in eine Moschee weltweit auf immer schärfere Kritik stößt, hat die staatliche Religionsbehörde Diyanet die baldige Ernennung von Imamen angekündigt. Wie Diyanet-Chef Ali Erbaş am Sonntag mitteilte, sollen künftig zwei Imame in dem Kuppelbau für das Beten zuständig sein. Insgesamt vier Muezzin werden die Muslime fünfmal am Tag zum Gebet aufrufen. Zum ersten Mal soll das Gebäude zum Freitagsgebet am 24. Juli als Moschee genutzt werden.
Experten sehen in dem Datum eine de facto Abkehr von einer kemalistischen Republik hin zu einer islamistischen: Am 24. Juli 1923 wurde der Vertrag von Lausanne zwischen der Türkei sowie Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Griechenland, Rumänien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen geschlossen, mit dem die bis heute gültigen Staatsgrenzen der Türkei festgelegt wurden. Die von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan geführte türkische Regierung betrachtet den Vertrag von Lausanne jedoch als eine Beleidigung. Ihr Ziel ist die Umsetzung des Misak-ı Milli (Nationalpakt) – ein Anfang der 1920er Jahre entworfener Plan, der ein türkisches Staatsgebiet inklusive Thrakien, Nordsyrien und Nordirak/Südkurdistan vorsieht.
Unmittelbar nach dem vom Obersten Verwaltungsgericht der Türkei am vergangenen Freitag gefällten Urteil, das den Status der seit 1934 als Museum gewidmeten und einst größten byzantinischen Kirche Hagia Sophia aufhob und damit den Weg für eine Umwandlung in eine Moschee freimachte, ordnete Staatspräsident Erdoğan an, den Kuppelbau für das islamische Gebet zu öffnen. Die Leitung der „Ayasofya Moschee“ wurde daraufhin der Diyanet übergeben. Seit Samstag ist das Gebäude für Besucher geschlossen.
Papst: Ich bin sehr bekümmert
Inzwischen hat auch Papst Franziskus erstmals auf die geplante Umwidmung der Hagia Sophia in eine Moschee reagiert. „Meine Gedanken gehen nach Istanbul. Ich denke an die Hagia Sophia. Ich bin sehr bekümmert“, erklärte der Papst am Sonntag. Näher äußerte sich das Oberhaupt der katholischen Kirche nicht zu der umstrittenen Entscheidung der Türkei, das seit 86 Jahren als Museum genutzte Gebäude in eine Moschee umzuwandeln.
Griechenland droht mit Konsequenzen
Griechenland verurteilte die Umwidmung und drohte mit Konsequenzen. Der türkische Präsident habe einen „historischen Fehler begangen“, erklärte der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas am Samstag. Auf diese Beleidigung der christlichen Welt müsse es eine entsprechende Antwort geben. „Griechenland verurteilt dieses Verhalten Erdoğans und wird alles, was es kann, tun, damit es Konsequenzen für die Türkei gibt“, sagte Petsas. Die EU, Russland und die USA nannten die Entscheidung bedauerlich. Die russisch-orthodoxe Kirche zeigte sich entsetzt und warnte, dass die Entscheidung „zu Konsequenzen für die ganze Menschheit” führen könnte.
Die Hagia Sophia (griechisch: Heilige Weisheit) wurde im Jahr 537 als Reichskirche des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs Byzanz geweiht und galt 900 Jahre lang als wichtigste Kirche des Christentums. Nach der Eroberung Konstantinopels (das heutige Istanbul) durch die Osmanen 1453 wurde das Gebäude unter Sultan Mehmet II. in ein muslimisches Gotteshaus umgewandelt. Der türkische Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk betrieb die Umwandlung der Moschee in ein Museum, die letztlich der Ministerrat im Jahr 1934 beschloss. Genau diese Entscheidung annullierte das Gericht und hielt in seiner Entscheidung fest, dass die Errichtungsurkunde von 1453 das Gebäude als Moschee gewidmet habe. Eine Verwendung außerhalb dieses Charakters sei rechtlich nicht möglich: „Die Kabinettsentscheidung von 1934, mit der die Nutzung als Moschee beendet und die Hagia Sophia als Museum definiert wurde, entsprach deshalb nicht den Gesetzen.“
Entscheidung trotz Weltkulturerbestatus
Die Hagia Sophia steht im Bezirk Eminönü auf der europäischen Seite der Millionenmetropole Istanbul und gehört zum Unesco-Welterbe. Die UN-Kulturorganisation hatte die Türkei zuvor vor der eigenmächtigen Umwandlung gewarnt und vor der Entscheidung zum Dialog aufgerufen. Ein Staat dürfe „keine Veränderung an dem herausragenden universellen Wert” eines Welterbe-Monuments vornehmen. Mit diesem Titel seien „eine Reihe von Zusagen und rechtlichen Verpflichtungen verbunden”.