Im Anschluss an die offizielle Bekanntgabe der Kandidatur des inhaftierten ehemaligen Ko-Vorsitzenden der HDP für das Amt des Präsidenten der Republik Türkei hat sich Selahattin Demirtaş das erste Mal dazu geäußert.

Wir veröffentlichen Auszüge des von der Nachrichtenagentur MA schriftlich über die Rechtsanwält*innen von Demirtaş geführten Interviews.

Unter allen Kandidaten befinden Sie sich an dem am meisten benachteiligten Ort. Wie bewerten Sie das? Werden Sie Vorteile aus Ihrer Situation ziehen können?

Auch als ich noch draußen war, waren wir gegenüber der Regierung nicht im Vorteil. Trotz der AKP, die all die Möglichkeiten, die ein Staat bietet, hemmungslos und ohne Beschränkung gegen uns eingesetzt hat, sind wir erfolgreich aus den Wahlen hervorgegangen. Das Geheimnis dafür liegt in der Kraft unseres Volkes. Auch durch die bevorstehenden Wahlen werden wir erfolgreich gehen und mit unserer ganzen Stärke arbeiten. Und wir werden Erfolg haben.

In den Gefängnissen gibt es nicht die geringsten Möglichkeiten, aber ich werde jede noch so kleine Chance nutzen, um mich dem Kampf der Bevölkerung anzuschließen. Gemeinsam mit meinem Freund Abdullah Zeydan, der sich in der gleichen Zelle befindet, werden wir uns Tag und Nacht darüber den Kopf zerbrechen, wie wir die Außenwelt unterstützen können. Aber wie immer liegt es auch bei diesen Wahlen an den Frauen und der Jugend. Für mich bestehen keine Zweifel, dass sie Wunder vollbringen werden.

Eine Kandidatur für das Amt des Präsidenten aus dem Gefängnis heraus gibt es zum ersten Mal. Wie werden Sie unter diesen Umständen ihren Wahlkampf führen?

Dreh-und Angelpunkt der Kampagne ist die HDP-Zentrale, die die Verantwortung für den Wahlkampf trägt. Ich werde versuchen, soviel wie möglich zu der Planung der HDP beizutragen. Die Chance inbegriffen, mit meinen Botschaften und Briefen die Außenwelt zu erreichen, werde ich von allen Möglichkeiten Gebrauch machen. Aber wie schon gesagt, sind diese hier begrenzt. Sollte ich in der Zelle eine Kundgebung abhalten wollen, würde lediglich eine Person teilnehmen.

Sie vertreten den Standpunkt, dass ihre Verhaftung politische Motive hatte und die Regierung verhindern will, dass Sie und ihre Partei Politik betreiben. Jetzt führen Sie einen Wahlkampf im Gefängnis. Erwarten Sie von der Regierung gewisse Bestrebungen, Ihre Teilnahme am Wahlkampf zu verhindern?

Sie werden versuchen, es zu tun. Wir kommen jedoch sowohl drinnen als auch draußen gegen alle Hindernisse an. Der Ausnahmezustand ist schon eine Behinderung für sich, daher kann die Situation draußen nicht als frei bezeichnet werden. Mit einer entschlossenen Haltung werden die Verbote und Barrieren überwunden werden.

Wie sieht Ihre Prognose für den ersten Wahlgang aus? Glauben Sie, dass ein zweiter Wahlgang erforderlich sein wird?

Ich glaube von Herzen daran, dass wir als Sieger aus der zweiten Runde hervorgehen werden. Als ich in einer Botschaft anlässlich des fünften Gründungsjahrestages der HDP schrieb, die HDP könne an die Macht kommen, dachten viele, dies sei ein utopischer Wunsch. Sie haben mittlerweile sicherlich eingesehen, dass diese Aussicht heute sehr nah ist. Wir werden diese Wahl gewinnen. Jeder sollte sich mit dieser Motivation an der Kampagne beteiligen.