Demirtaş: Ich erwarte von diesem Gericht keine Gerechtigkeit

Der ehemalige Ko-Vorsitzende der HDP Selahattin Demirtaş sagte in seiner Verteidigungsrede vor dem Gericht in Ankara: „Ich habe weder die Hoffnung noch die Erwartung, dass dieses Gericht Gerechtigkeit walten lässt.“

Die dritte Verhandlung im Prozess gegen den inhaftierten ehemaligen Ko-Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP) Selahattin Demirtaş vor dem 19. Schwurgerichtshof in Ankara begann mit der Verteidigungsrede des Angeklagten.

Dem Prozess im Gefängniskomplex Sincan folgte neben HDP-Abgeordnete auch der stellvertretende Ko-Vorsitzende der CHP, Tekin Bingöl. Wie in den beiden Prozesstagen zuvor war die Anzahl der Zuschauer auf 50 Personen beschränkt worden. Demirtaş ging auf das Scheitern des Lösungsprozesses ein und erklärte, der damalige Ministerpräsident Davutoğlu habe niemals an einen Lösungsprozess geglaubt: „Er ist ein kurzsichtiger Politiker, der sich die neoosmanische, imperiale Organisierung des Staates in den Kopf gesetzt hatte. Er sah das kurdische Volk nie als gleichwertig an. Er ist ein Kriegstreiber, der seinen Beitrag dazu geleistet hat, den Lösungsprozess zu beenden.“

Ich erwarte keine Gerechtigkeit

Demirtaş fuhr fort: „Die Aufgabe der Politik ist es, Alternativen zu schaffen und diese durchzusetzen. Ein Politiker, der dies nicht tut, ist ein kurzsichtiger, billiger Politiker, der sich von Blut nährt. Gott sei Dank kann unser Gewissen in dieser Hinsicht beruhigt sein, denn wir haben uns bis zum Letzten bemüht. Wenn ich auch nur ein Menschenleben retten könnte, dann würde ich dafür tausend Jahre im Gefängnis auf mich nehmen. Wenn wir die Vertiefung der Kämpfe verhindert hätten, die Dauer des Friedensprozesses nur einem Tag verlängert und eine einzige Person hätten retten können, dann würde ich dafür tausend Jahre Gefängnis in Kauf nehmen. Aber können die Verantwortlichen für die Massaker an Tausenden, die im Luxus leben und den Staat in ihre Hände gebracht haben, auch wenn ihre Herrschaft nach ihrem Willen fortdauert, die Ruhe empfinden, die ich in meiner F-Typ-Zelle empfinde? Das können sie nicht. Ich bin sehr ruhig. Ich lebe in einer Zelle des F-Typ-Gefängnisses von Edirne in viel größerer Ruhe als sie in ihren Luxuspalästen. Und ich werde dort weiter bleiben. Ich habe weder die Hoffnung noch die Erwartung an dieses Gericht, dass es Gerechtigkeit walten lässt.“

„Ich bin nicht hier, um mich zu verteidigen“

Der Abgeordnete fügte hinzu: „Ich bin nicht hier, um mich gegen diese Anschuldigungen zu verteidigen, ich bin hierhergekommen, um ihre Verbrechen öffentlich darzulegen!“ Er wisse, dass einige Richter unter Druck gesetzt worden seien, ein Politikverbot gegen ihn zu verhängen: „Auch wenn sie ein lebenslanges Politikverbot über mich verhängen, ich bin Politiker. Ich mache auch in meiner Zelle Politik. Wir sind es, welche die Wahl des Staatspräsidenten entscheiden werden. Wir sind das Schloss und wir sind der Schlüssel. Wir sind es, auch wenn mir ein Politikverbot auferlegt wird. Das Schloss ist in unseren Händen. Wir werden sehen, was geschieht.“

Demirtaş sagte, er sei aufrecht ins Gefängnis von Edirne gegangen sei und werde es auch aufrecht wieder verlassen: „Ein Vorschlag an meine Freundinnen und Freunde: Wenn ich sterbe, dann soll mein Sarg aufrecht herausgetragen werden, nicht liegend.“