Antifaschistische Front gegen Erdoğan-Besuch

Am Sonntag kommt der türkische Staatschef Erdoğan zum Libyen-Gipfel nach Berlin. Die Radikale Linke Berlin ruft zu Protesten auf.

Für Sonntag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer Libyen-Konferenz auf Ebene der Staats- und Regierungschefs ins Bundeskanzleramt eingeladen. Die Radikale Linke Berlin ruft zur Teilnahme an den Protesten um 10 Uhr vor dem Reichstag auf.

Unter dem Titel „Gegen Krieg, deutschen Imperialismus und türkischen Staatsterrorismus und für Frieden im Mittleren Osten und weltweit“ heißt es in einem Aufruf:

„Am 19. Januar 2020 möchte der türkische Diktator Erdogan nach Berlin kommen, um am sogenannten ‚Berliner Prozess’ teilzunehmen. Auf diesem Treffen möchten einige selbsternannte Herrscher der Welt in Deutschland über die aktuelle Krise in Libyen beraten und aushandeln wer welchen Teil vom Kuchen bekommt.

Unter dem Vorwand der Besorgnis über die humanitäre Lage möchte der deutsche Staat seine eigenen geopolitischen Interessen durchsetzen. Unter der offiziell anerkannten ‚Regierung’ GNA werden allerdings seit Jahren diverse Verbrechen gegen die Menschlichkeit dokumentiert. Libyen ist ein strategisch wichtiger Ort, da sich von dort besonders viele MigrantInnen auf den Weg nach Europa machen.

Die Zustände in den sogenannten ‚Auffanglagern’, wo diejenigen enden, die von der lybischen Küstenwache aufgegriffen werden, sind Orte des Grauens, der Verelendung und der Folter. Erklärtes Ziel Deutschlands und der anderen europäischen Staaten ist das Verhindern weiterer Migration. Über die auch von der EU erschaffenen Fluchtursachen wie Krieg, ökonomische Ausbeutung und Neo-Kolonialismus schweigen diese PolitikerInnen aber lieber.

Deutschland will globale Ordnungsmacht werden

Dieser Gipfel ist ein weiterer Versuch Deutschlands, sich als globale Ordnungsmacht, neben den USA und Russland, zu etablieren. Diese Versuche reihen sich ein in sich häufende Initiativen des deutschen Staates global als unabhängige Kraft aufzutreten. Die Umsetzung der Pläne eine NATO-unabhängige europäischen Armee aufzustellen, gekennzeichnet durch europäische Rüstungskooperationen und Militärmissionen unter deutscher Beteiligung. Die deutsche Außenpolitik, die lange Zeit auf wirtschaftlichen Zwang basierte, wird seit einigen Jahren militarisiert. Das deutsche Kapital greift nach internationalen Ressourcen und Absatzmärkten. Sei es in Bolivien, wo eine Mine zur Förderung von Lithium gekauft wurde, zum Beispiel die Firma SIEMENS, die trotz der aktuellen Feuerkatastrophen in Australien, ihren Anteil an einer dort entstehenden Kohlemine haben möchte oder die Intensivierung von Rüstungsexporten in Krisengebiete und Diktaturen.

Da der deutsche Imperialismus dabei notwendigerweise mit anderen Imperialistischen Kräften in Konflikt gerät, soll die deutsche Bevölkerung wieder darauf vorbereitet werden, dass die Interessen des deutschen Kapitals in Zukunft öfter auch militärisch durchgesetzt werden.

Gratisnutzung des öffentlichen Nahverkehrs für SoldatInnen in Uniform, massive Imagekampagnen der Bundeswehr oder öffentlich zelebrierte Gelöbnisse sind in diesem Licht zu betrachten. Das Geschrei der anderen NATO-Mitglieder nach einer gleichmäßig höheren Beteiligung an den Ausgaben des Kriegsbündnisses, bietet ein willkommenes Feigenblatt für die Regierung, die sich so zeigen kann als würde sie nur auf internationalen Druck hin aufrüsten.

Faschistische Diktatur erklärtermaßen nach dem Vorbild Hitlers

Am Sonntag werden wir uns aber nicht nur der globalen Ausbeutung, der Zerstörung unseres Planeten und den Plänen des deutschen Kapitals und Staates entgegenstellen. Ein prominenter Gast dieses Gipfels der MörderInnen wird der türkische Präsident Recep Tayip Erdogan sein. In der Türkei verfolgt Erdogan seit 2016, nachdem er einen Pseudo-Putsch gegen seine Person verhinderte, beschleunigt den Aufbau einer faschistischen Diktatur, erklärtermaßen nach dem Vorbild Hitlers. Das von ihm geschaffene Präsidialsystem konzentriert einen Großteil der Macht auf den Präsidenten, Frauen und ihre Rechte werden gezielt angegriffen und unterdrückt, Armee, Presse und andere Medien werden konsequent gleichgeschaltet, kritische JournalistInnen inhaftiert oder verschwinden gelassen.

In den kurdischen Metropolen werden unter dem Vorwand der ‚Unterstützung des Terrorismus’ - gemeint ist der Kampf der kurdischen Bevölkerung für ihre Rechte, die Anerkennung ihrer Existenz und einer demokratischen Selbstverwaltung - BürgermeisterInnen inhaftiert und durch AKP-treue ZwangsverwalterInnen ersetzt. Im Oktober 2019 begann der türkische Staat eine weitere Offensive in Nordsyrien mit dem Ziel der Vernichtung der dortigen kurdischen Selbstverwaltung. Bereits im Januar 2018 besetzte das faschistische Erdogan-Regime den Kanton Afrin und annektierte diesen faktisch. Unter der Verwaltung von Erdogans Proxyarmee ‚Freie Syrische Armee’ werden in Afrin seitdem KurdInnen und all diejenigen, die nicht in das Weltbild der dschihadistischen Milizen passen, systematisch vertrieben, ermordet und vergewaltigt und ein islamistischer Kleinststaat errichtet. Diese Proxyarmee wird zudem gerade mit Ausrüstung und Unterstützung der türkischen Armee in die lybischen Kampfzonen geschickt, sie fungieren damit wie die russischen Söldner, die Putin einen Platz am Tisch sichern.

Gegenmacht alltäglich, lokal und international aufbauen!

Wir sind nicht bereit dabei zuzusehen, wie die ganze Welt in Chaos versinkt, immer mehr Menschen für die Interessen einiger weniger verelenden. Die Politik der herrschenden Klasse wird ihr eigener Untergang sein. Sie werden ihre Politik nicht ändern weil wir sie darum bitten. Uns muss klar sein, dass Veränderung mit diesem Staat und in diesem System nicht möglich ist. Es gilt einen klaren Trennungsstrich zwischen denjenigen zu ziehen, die alles opfern werden für ihre eigenen Interessen und uns, die in internationaler Verbundenheit mit den Unterdrückten und Ausgebeuteten dieser Welt kämpfen werden.

Dies ist nicht nur ein Aufruf zur Teilnahme an den kommenden Aktionen gegen die Libyen-Konferenz, sondern ein Aufruf sich zu organisieren. Es gilt einen neuen Internationalismus zu schaffen, der Kampf für ein Leben in Würde und Solidarität ist ein internationaler Kampf, der weltweit geführt werden muss. Und er ist gleichzeitig Kampf, der lokal, an all den Orten unseres Lebens, auf der Arbeit, Zuhause, in unseren Straßen, Kiezen und Städten, jeden Tag geführt werden muss. Sich zu organisieren heißt sich die Grundlage für einen gesellschaftlichen Kampf zu schaffen. Sich zu organisieren heißt die Isolation der eigenen Person zu überwinden.

Also kämpfen wir zusammen, wo immer wir auch sind!  Als Feminist*innen, Als Arbeiter*innen, als Antifaschist*innen, Antirassist*innen, Als Nachbar*innen gegen Gentrifizierung.

Wie Brecht richtig schrieb: ‚Wer seine Lage einmal erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein.’

Hoch die Internationale Solidarität! Auf ein kämpferisches 2020!”