70.000 Studierende in türkischen Gefängnissen

Einem Bericht der HDP-Bildungskommission zufolge sind seit dem Putschversuch vom Juli 2016 mehr als 7.300 Hochschulmitarbeiter*innen entlassen worden. 70.000 Studierende sitzen im Gefängnis.

Auch zwei Jahre nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 gehen die türkischen Behörden weiter massiv gegen Personen vor, die im Verdacht stehen, Kontakte zur Gülen-Bewegung zu haben oder in der Türkei verbotene Organisationen zu unterstützen. Nach dem gescheiterten Staatstreich regierten Erdoğan und seine AKP das Land bis zur Aufhebung des Ausnahmezustands am 19. Juli zwei Jahre per Notstandserlasse, die nicht durch das Parlament mussten. Seitdem wurden mehr als 170.000 Staatsbedienstete, Verwaltungskräfte, Lehrer*innen, Akademiker*innen, Richter*innen und Staatsanwält*innen per Dekret entlassen. Über 3.000 Bildungseinrichtungen und Studentenwohnheime sowie 329 Medienunternehmen wurden geschlossen, rund 100 Bürgermeister*innen abgesetzt und fast 170.000 Menschen wurden festgenommen.

Nach Angaben des Justizministeriums saßen im Juni 2018 insgesamt 246.426 Menschen in türkischen Gefängnissen. Die insgesamt 449 Haftanstalten sind aber nur für 211.274 Insassen ausgelegt. Über 35.000 Gefangene müssen also auf dem Boden schlafen.

Als die AKP 2002 an die Macht kam, waren insgesamt 59.429 Personen in türkischen Gefängnissen inhaftiert. 2.776 davon waren Studierende. Einem Bericht der HDP zufolge sitzen derzeit 70.000 Studierende in Haft. Das bedeutet, dass die Anzahl der inhaftierten Studierenden heute höher ist als die Gesamtanzahl aller Gefangenen im Jahr 2002. 

7.312 Hochschulmitarbeiter*innen seit 2016 entlassen

In dem Hochschulbericht der HDP-Kommission für Bildung, Kunst und Kultur, der am Montag von der stellvertretenden Ko-Vorsitzenden Sevtap Akdağ Karahalı vorgestellt wurde heißt es, dass die Zahl der seit Juli 2016 entlassenen Hochschulmitarbeiter*innen die 7.300er-Marke überschritten hat. Die Hochschulen seien in den Fokus einer rassistischen, sexistischen und konservativen Politik gerückt, so Karahalı. Mit dem Projekt der AKP-Regierung „Eine Universität für jede Stadt“ werde dieser Zustand noch gravierendere Dimensionen annehmen.

Jede Regierung habe seit dem Ende der Militärregierung unter Generalstabschef Kenan Evren im Jahr 1989 beteuert, den Hochschulrat der Türkei (YÖK) abzuschaffen, sagte der ebenfalls anwesende HDP-Abgeordnete Mahmut Toğrul. Das staatliche Kontrollgremium der Hochschulen ist ein Produkt der Junta, dass das Hochschulwesen nach den Vorstellungen der Militärregierung neu ordnete. Die Universitäten wurden systematisch entpolitisiert und der staatlichen Kontrolle unterworfen. Die den Hochschulen nach der Verfassung von 1961 zugestandene Selbstverwaltung wurde damit faktisch abgeschafft. Auch Erdoğan und seine AKP hatten immer wieder propagiert, den Hochschulrat abzuschaffen. Der Rat ernennt die Dekane, schlägt Rektoren vor, kontrolliert die Haushalte der Universitäten, bestimmt den Lehrplan und entscheidet über das Aufnahmeverfahren der Studierenden. Den Vorsitzenden des Hochschulrates bestimmt mittlerweile der Staatspräsident. Die Institution ist ein bequemes Mittel, um jedwede abweichende Meinung zu unterdrücken. Erdoğan wird sich wohl kaum freiwillig davon trennen wollen.