Zeki Binbir: Gefangenen wird willkürlich Entlassung verweigert

Der Anwalt Zeki Binbir von der Juristenvereinigung ÖHD macht darauf aufmerksam, dass in der Türkei insbesondere die Gefangenen, die nach 30 Jahren Haft entlassen werden müssten, willkürlich ihrer Rechte beschnitten werden.

Willkür in den Gefängnissen der Türkei

Jeden Tag werden neue Fälle von Rechtsverletzungen, Repressalien und willkürlichen Maßnahmen in den Gefängnissen der Türkei bekannt. Der Anwalt Zeki Binbir berichtet, dass ihm annähernd 400 Fälle bekannt sind, bei denen langjährigen Gefangenen das Recht auf Entlassung unter Auflagen willkürlich entzogen wurde.


Gegenüber ANF erklärte der Rechtsanwalt und Ko-Sprecher der Gefängniskommission der Juristenvereinigung ÖHD, Zeki Binbir: „Politische Gefangene werden von der Justiz in der Ausübung ihrer Rechte eingeschränkt. Diese Einschränkung wird durch die 2020 eingerichteten Vollzugsausschüsse umgesetzt. Daher müssen wir zunächst über das Vollzugsgesetz sprechen. Dieses Gesetz wurde seit seinem Inkrafttreten bereits 32 Mal geändert, ohne dass eine Besserung erreicht wurde. Mit der Änderung im März 2020 wurden den Gefängnisverwaltungen weitreichende Befugnisse eingeräumt. So wurde dafür gesorgt, dass die Entlassung einer Person, die am Ende ihrer Vollzugsdauer steht, auf der Grundlage von vollkommen willkürlichen Aussagen ausgesetzt werden kann. Als Verband haben wir uns mit diesem Thema intensiv beschäftigt. Bis heute ist das Recht von fast 400 Gefangenen auf bedingte Entlassung willkürlich annulliert worden.“

Die Entscheidungen sind rechtswidrig“

Binbir sagte, die Gefängnisleitungen benutzten diese Regelungen vor allem dazu, politische Gefangene zu „Reuebekundungen“ zu nötigen. Der Anwalt erklärte weiter: „Die Gefängnisverwaltung übt in dieser Angelegenheit sehr starken Druck aus. Das gilt insbesondere für die Gefangenen, die sich seit dreißig Jahren in Haft befinden. Ihre Entlassung wird verzögert, indem man, entgegen des türkischen Rechts, vollkommen abstrakte Aussagen zum Gegenstand von Verfahren macht und so die Entlassung immer weiter verschiebt. Diese Entscheidungen sind verfassungswidrig. Leider sind auch die Familien der Gefangenen von dieser Situation betroffen. Entweder am Tag vor ihrer Entlassung oder am gleichen Tag wird die Entlassung durch die Entscheidung des Vollzugsausschusses immer wieder um drei oder sechs Monate aufgeschoben.“ Das bedeutet insbesondere bei Gefangenen, die seit über 30 Jahren einsitzen, die Gefahr, dass sie das Gefängnis lebend nicht verlassen werden. Denn viele sind aufgrund von Folter und Haftbedingungen schwer, oft lebensbedrohlich erkrankt und werden in Haft bestenfalls unzureichend behandelt.

Das Gesetz gilt nicht für alle gleich“

Binbir sieht dahinter klare politische Ziele: „Wir wissen sehr genau, dass sich dies alles gegen die Errungenschaften der Kurdinnen und Kurden richtet. In Bezug auf die politischen Gefangenen findet eine massive Diskriminierung statt. Das beste Beispiel dafür ist Ogün Samast. Er wurde wegen guter Führung entlassen, aber politische Gefangene, die keine Disziplinarstrafen erhalten haben und kein Verbrechen begangen haben, werden in Haft gehalten. Wir betrachten dies als rein politische Maßnahme. Leider gelten die Gesetze nicht für alle gleich.“

Die Rechtsverletzungen werden immer schlimmer“

Zur Arbeit des ÖHD in dieser Hinsicht sagte Binbir: „Als Juristinnen und Juristen beobachten wir die Entwicklungen in dieser Hinsicht genau. Wir legen Einsprüche ein und führen Verfahren auf der Grundlage der uns vorliegenden Beschlüsse und Dokumente durch. Derzeit sind alle politischen Gefangenen in der Türkei zahlreichen Rechtsverletzungen ausgesetzt. Insbesondere das Recht auf Leben und Gesundheit wird verletzt. Die Gefangenen kämpfen um ihr Leben. Die Probleme in den Gefängnissen nehmen von Tag zu Tag zu.“