„Die Isolation ist noch nicht zu Ende“
Am 28. Dezember besuchten die Parlamentsabgeordneten Pervin Buldan und Sırrı Süreyya Önder als Delegation der DEM-Partei nach nahezu zehn Jahren Abschottung zum ersten Mal wieder den auf der Gefängnisinsel Imrali isolierten kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan. Seine lösungsorientierte Botschaft wird vielfältig kommentiert.
„Es sind direkte Gespräche notwendig“
Der Politiker Ziya Pir erklärte angesichts des Besuches auf Imrali: „Als eine Person, die für einen würdigen Frieden zwischen Türken und Kurden eintritt, finde ich Herrn Öcalans Aussagen sehr bedeutend.“ Pir weiter: „Wenn der Staat und die Regierung nicht von dem neuen Paradigma, das sie unterstützen, abweichen, wird eine neue Phase beginnen. Die wichtigsten Punkte dieses Prozesses sind für das türkische Volk das Ende des bewaffneten Kampfes und der Angst, dass das Land geteilt werden könnte und auf kurdischer Seite das Ende der Angst, dass die Errungenschaften der letzten 40 bis 50 Jahre verloren gehen könnten.“
Die Gespräche müssten aber direkt geführt werden, sagte Pir und fuhr fort: „Wir wissen auch, dass solche Prozesse anfällig für Spekulationen, Manipulationen und Erpressungen sind. Deshalb sollten die Gesprächspartner direkt miteinander sprechen und nicht über Delegationen. Die Mechanismen dafür sollten geschaffen werden. Um die von mir erwähnten Gefahren zu vermeiden, sollten die gleichen Voraussetzungen für Herrn Öcalan geschaffen werden, sodass er wie Herr Erdoğan oder Herr Bahçeli ihre Ideen direkt der Öffentlichkeit und ihren Gesprächspartnern mitteilen können.“
„Öcalans Nachricht schafft Entspannung in der politischen Krise“
Der Politikwissenschaftler Çetin Gürer erklärte angesichts des Besuchs auf Imrali: „Entsprechend den seit Anfang Oktober abgegebenen Erklärungen fand das erste Treffen zwischen Öcalan und der Delegation der DEM-Partei auf politischer Ebene nach neun Jahren statt. Die Ergebnisse dieses Besuchs entfalteten unmittelbar öffentliche Wirkung. Zunächst einmal hat sich die Einschätzung, dass Öcalans Perspektiven zu einer Entspannung der politischen Lage führen würden, erneut bestätigt. Dieser Besuch und die Botschaften Öcalans haben zu einer deutlichen Entspannung der politischen Lage geführt. Es wurde wieder über die kurdische Frage, den Frieden und eine Lösung gesprochen; einige Unsicherheiten verschwanden. Das ist sehr wertvoll und wichtig in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden.“
Gürer forderte ein Ende der Isolation: „Auch wenn die Delegation der DEM-Partei nach Imralı gefahren ist und ein Treffen mit Öcalan abgehalten hat, bedeutet dies nicht, dass Öcalan und Imrali wieder Teil der geltenden Rechtsnormen wurden und dass die Isolation vollständig aufgehoben wurde. Die vollständige Aufhebung der Isolation ist eine der Voraussetzungen für Gespräche über Frieden und eine Lösung. Egal, wie viele lösungsorientierte Erklärungen die Regierung abgibt, solange die Isolation anhält, sind diese, solange die Lösungsperspektive von Abdullah Öcalan nicht bekannt gemacht wird, wertlos.“
„Abdullah Öcalan muss den Prozess unter freien Bedingungen führen können“
Die Politikerin Nursel Aydoğan bezeichnete den Besuch der Delegation der DEM-Partei-Delegation auf Imrali als „historisch“ und erklärte: „Der letzte Besuch der Imrali-Delegation fand am 4. April 2015 statt. Dies war der letzte Besuch in der Phase, die wir als Friedensprozess bezeichnet haben. Denn dieser Prozess wurde von der Regierung beendet und eine neue, auf Vernichtung, Zerstörung und Liquidierung beruhende Phase eingeleitet. Jetzt, nach neun Jahren, reisten zwei Mitglieder der Delegation, als die Entwicklungen in Gaza und Syrien im Nahen Osten die Türkei am stärksten beeinflussten, erneut nach Imrali und teilten nach ihrer Rückkehr den Inhalt des Treffens der Öffentlichkeit mit.“ Aydoğan bezeichnete die von Öcalan geäußerte Perspektive als „hoffnungsvoll“ und sagte: „Herr Öcalan hat mit seiner Weitsicht und in guter Absicht dargelegt, was zu tun ist. Es handelt sich um eine Perspektive, die Hoffnung schenkt und Hoffnung stärkt. Wir machen uns diese Perspektive zu eigen, indem wir sagen: ‚Die Hoffnung ist wertvoller als der Sieg.‘“
„Die Isolation ist noch nicht zu Ende“
Die Juristin Rengin Ergül unterstrich, die Isolation halte weiter ein und rief zum aktiven juristischen Kampf auf: „Obwohl der Besuch der Delegation der DEM-Partei ein positiver Schritt ist, bedeutet dies nicht, dass die Isolation vollständig aufgehoben ist. Es ist nach wie vor nicht gewährleistet, dass die Familien- und Anwaltsbesuche wie gewohnt stattfinden. Daher müssen wir feststellen, dass die Isolation weiter besteht.“
Ergül weiter: „Es ist notwendig, das juristische Engagement für die Beendigung der Isolation, die physische Freiheit von Herrn Öcalan und die Freilassung der politischen Gefangenen zu verstärken. Es ist auch Teil der Aufgabe der Anwälte, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Rojava zu dokumentieren und zu bekämpfen. Das ist unsere Pflicht in diesem Prozess.“