Im Rahmen des groß angelegten Sicherheitseinsatzes im Auffang- und Internierungslager Hol im Nordosten Syriens haben die Sicherheitskräfte der Autonomieverwaltung (Asayîş) einen hochrangigen Kader der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) festgenommen. Der Einsatz, der am Freitag begann, wird in Zusammenarbeit zwischen der Asayîş, deren Frauenverband, den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) und den Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) durchgeführt. Bislang wurden rund zwei Dutzend Personen wegen mutmaßlichen Verbindungen zum IS festgenommen.
Nach Angaben der Behörden handelt es sich bei dem zuletzt festgenommenen Mann um den 40-jährigen Iraker Ibrahim Abid Abdullah, der unter dem Alias „Abu al-Azra“ bekannt ist. Abdullah wird für zahlreiche Verbrechen innerhalb des Lagers verantwortlich gemacht und soll eine zentrale Rolle in der ideologischen Indoktrinierung und militärischen Ausbildung neu rekrutierter IS-Mitglieder gespielt haben.
Verbindungen zu Al-Qaida und langjährige IS-Karriere
Der Festgenommene stammt aus einer Familie mit engen Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida. Sein Bruder Ahmed Abdullah war laut der Asayîş zunächst bei al-Qaida aktiv, bevor er sich dem IS anschloss und später bei einem Anti-Terror-Einsatz der QSD in Deir ez-Zor getötet wurde. Auch er selbst trat 2015 dem IS bei und machte dort schnell Karriere, insbesondere als Ausbilder.
Während der Hochphase des IS soll Abdullah zwischen Syrien und dem Irak operiert haben. Nach dem territorialen Zusammenbruch des sogenannten Kalifats floh er 2019 mit seiner Familie ins Hol-Camp – er ließ sich als Geflüchteter registrieren und verheimlichte seine wahre Identität.
Im Lager setzte er seine radikalisierende Arbeit fort und war laut Sicherheitskräften auch an der Ermordung eines Mannes namens „Abu Ibrahim“ beteiligt, der mutmaßlich mit anderen IS-Gruppen im Lager in Konflikt geraten war. Während des laufenden Sicherheitseinsatzes konnten Ermittler:innen die wahre Identität von Ibrahim Abid Abdullah aufdecken. Er wurde am vierten Tag der Operation festgenommen. Nach Angaben der Sicherheitskräfte dauern die Ermittlungen an.
Sicherheitslage im Camp angespannt
Ebdurehîm Hesen Enter, Vertreter der Asayîş im Kanton Cizîr, berichtete derweil, dass sich die Aktivitäten von IS-Zellen innerhalb des Lagers zuletzt deutlich erhöht hätten. Es sei zu mehreren Entführungs- und Angriffsversuchen auf Lagerbewohner:innen gekommen, außerdem würden gezielt humanitäre Organisationen und Sicherheitskräfte attackiert.
Ebdurehîm Hesen Enter
„Wir sehen eine beunruhigende Zunahme an koordinierten Aktionen innerhalb und außerhalb des Lagers“, so Enter. Ziel der laufenden Operation sei es, diese Zellen zu zerschlagen und die Stabilität in der Region zu sichern. Besondere Aufmerksamkeit gelte den Bereichen zwei und acht des Lagers, in denen viele IS-Frauen untergebracht sind. Dort wurden bei Durchsuchungen Versuche dokumentiert, Beweismaterial zu verstecken oder zu vernichten.
Aufruf zur Zusammenarbeit mit Sicherheitskräften
Ebdurehîm Hesen Enter rief die Bevölkerung dazu auf, mit den Sicherheitskräften zu kooperieren und auffällige Beobachtungen zu melden: „Nur durch gemeinsames Handeln können wir Sicherheit gewährleisten und verhindern, dass sich der IS in der Region neu organisiert.“
Hol: Eine der gefährlichsten Einrichtungen weltweit
Das Hol-Camp gilt mit seinen rund 35.000 Bewohner:innen, darunter viele Angehörige ehemaliger IS-Mitglieder, als eine der gefährlichsten Einrichtungen weltweit. Immer wieder kommt es dort zu Gewaltausbrüchen, gezielten Tötungen und Rekrutierungsversuchen durch IS-Zellen. Die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) warnt seit Jahren vor der Gefahr einer Radikalisierung neuer Generationen innerhalb des Lagers und fordert die Herkunftsländer der dort internierten Personen auf, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen. Die meisten Länder ignorieren diese Forderung.