Die Guerillakämpferin Berjîn Canda ist in Südkurdistan von einem Hochwasser führenden Gewässer mitgerissen worden und ertrunken. Wie die Volksverteidigungskräfte (HPG) am Freitag bekannt gaben, ereignete sich der tödliche Unfall am vorletzten Sonntag in der Xakurke-Region. Nach Überschwemmungen infolge heftiger Regenfälle sei die Kämpferin in die Wassermassen des über die Ufer getretenen Lolan-Gewässers geraten. „Berjîn Canda war in jedem Bereich des Widerstands eine bahnbrechende Repräsentantin der Identität der freien Frau“, so die HPG. „Wir schreiben ihren Namen in goldenen Buchstaben.“ Den Hinterbliebenen und dem kurdischen Volk spricht die Organisation ihr Beileid aus.
Zur Identität der Gefallenen machen die HPG folgende Angaben:
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Codename: Berjîn Canda
Vor- und Nachname: Zelal Yılmaz
Geburtsort: Erzirom
Namen der Eltern: Gülten – Bahattin
Todestag und -ort: 7. April 2024, Xakurke
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Berjîn Canda wurde als Tochter einer dem kurdischen Befreiungskampf nahestehenden Familie in Xinûs (tr. Hınıs) im Süden der Provinz Erzirom (Erzurum) geboren. Bereits im Kindesalter mit der Kriegsrealität konfrontiert, war ihr die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) schon früh ein Begriff. Erste direkte Erfahrungen mit staatlicher Unterdrückung machte sie in der Schule. Sie verstand das türkische Bildungssystem in Kurdistan als „Zentrum der Assimilation“ und weigerte sich, ihre Identität aufzugeben. Prägenden Einfluss auf ihre künftige Entwicklung hatte die Verhaftung und Folterung ihres Vaters Bahattin. „Hevala Berjîn erkannte den genozidalen Charakter des türkischen Staates mit all seinen Zügen und suchte als verantwortungsbewusste junge Frau nach Wegen, gegen diese feindliche Realität zu kämpfen. Damit sagte sie zugleich auch der männlichen Dominanz den Kampf an. Das Patriarchat, das Frauen unterdrückt und ihnen nur eine untergeordnete Rolle gewährt, hätte sie niemals akzeptiert.“
Die Ermordung der kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez 2013 durch einen Attentäter des türkischen Geheimdienstes mitten in Paris war für Berjîn Canda der ausschlaggebende Grund, ihr Engagement für die Befreiung in Kurdistan auf eine andere Stufe zu heben. 2015 zog es sie in den bewaffneten Kampf, zunächst jedoch nach Rojava. Das westliche Kurdistan war damals Dschihad-Schauplatz der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Nach HPG-Angaben beteiligte sich Berjîn Canda unter anderem in Hesekê und Şedadê an den von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) geführten Offensiven gegen den IS-Terror. „Trotz kaum vorhandener militärischer Fähigkeiten bestand sie darauf, an der Verteidigung von Rojava teilzunehmen. Sie kämpfte an vorderster Front und rächte unser Volk, insbesondere seine Frauen, das zum Ziel von Verbrechen der bestialischen IS-Banden geworden war. Hevala Berjîn war mutig. Sie eignete sich defensive Qualitäten und taktisches Geschick an und widmete ihrer Praxis höchste Aufmerksamkeit bis zur letzten Minute. Ihre Freundinnen und Freunde konnten ihr stets zu hundert Prozent vertrauen.“
Nach der Zerschlagung der Territorialherrschaft des IS in Nord- und Ostsyrien ging Berjîn Canda auf eigenen Wunsch in die Medya-Verteidigungsgebiete. „Sie wollte in die freien Berge Kurdistans, nach denen sie schon länger Sehnsucht verspürt hatte. Sie kam nach Xakurke und wurde Teil der Verbände freier Frauen (YJA Star). Mit dem Ideal, die Ideen von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] mit Leben zu füllen, war sie überall mit Selbstlosigkeit, Hingabe und Begeisterung im Einsatz, unter anderem auch bei der Aushebung unserer Tunnelanlagen. Hevala Berjîn vertrat den Grundsatz: Das Leben leben, wie wir es begreifen. Durch ihre konsequente Militanz, ihre klare Haltung auf der Linie der Frauenbefreiung und einer tiefen Verbundenheit zu ihren Freund:innen eroberte sie sich einen festen Platz in den Herzen aller ihrer Genoss:innen. Als ihre Weggefährt:innen versprechen wir, dass wir das Gedenken an Berjîn Canda zu einer Fackel für uns selbst machen und ihre Träume verwirklichen werden“, so die HPG.