„Krieg beginnt hier“

Vom 29. August bis zum 4. September wird im norddeutschen Unterlüß ein Friedenscamp „Krieg beginnt hier – Rheinmetall entwaffnen“ stattfinden. ANF sprach mit den Pressesprecher*innen des Camps.

Vom 29. August bis zum 4. September 2018 wird in der norddeutschen Stadt Unterlüß, einem Produktionsstandort des Rüstungsbetriebs Rheinmetall, ein Friedenscamp mit vielfältigen Aktionen stattfinden. Neben Workshops und Diskussionsrunden sind auch vielfältige Aktionen geplant. Der 1. September wird „ganz unter dem Zeichen des internationalen Antikriegstags“ stehen und soll für Aktionen für eine friedliche Welt genutzt werden. Am 2. September wird eine Demonstration stattfinden, die am Bahnhof von Unterlüß beginnen und zu den Standorten von Rheinmetall führen wird. Über das Camp, Rheinmetall und über den Standort des Rüstungsbetriebs sprach ANF mit den Pressesprecher*innen des Camps.

Warum ein Camp in Unterlüß?

In Unterlüß sitzt die Rüstungssparte von Rheinmetall, die Rheinmetall Waffe Munition GmbH. Wir können anknüpfen an Aktionstage, die das Jugendnetzwerk für politische Aktionen (JunepA) im Mai vergangenen Jahres dort gemacht hat. Und wir ersetzen damit das „War starts here“-Camp, das in den vergangenen Jahren in der Altmark Proteste gegen das von Rheinmetall betriebene Gefechtsübungszentrum (GÜZ) organisiert hat. Das legt dieses Jahr eine Pause ein.

Wer sind die Organisator*innen und wer soll mit dem Camp angesprochen werden?

Die Initiative ging von antimilitaristischen Initiativen in Norddeutschland und von Solidaritäts-Gruppen mit der Freiheitsbewegung Kurdistans aus. Für Letztere war nach dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der Türkei in Efrîn, der u.a. mit deutschen Leopard II-Panzern vonstatten ging, klar: Krieg beginnt hier, also müssen wir versuchen, ihm hier vor Ort entgegenzutreten. Mittlerweile unterstützen über 60 Gruppen und Initiativen den Aufruf zur Demonstration. Es wird sicher die größte antimilitaristische Aktion in Norddeutschland in diesem Jahr.

Könnt ihr was zur Geschichte von Rheinmetall in Unterlüß sagen?

Schon 1899 legte ein Vorgänger von Rheinmetall in Unterlüß eine Schießbahn und eine erste Produktionsstätte für Munition an. Im Ersten Weltkrieg wurde Rheinmetall zum größten Rüstungshersteller im Kaiserreich. Damit war es durch den Versailler Friedensvertrag vorbei. Und nebenbei: Nach den Kriegen musste Rheinmetall jeweils erst einmal auf zivile Produktion umstellen, also das machen, was heute unter dem Begriff „Konversion“ läuft. Im Nationalsozialismus ging es dann wieder richtig aufwärts: Rüstung für den Krieg. Und im Krieg beschäftigte Rheinmetall dann auch Zwangsarbeiter*innen, u.a. aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen. Mit der Wiederbewaffung der Bundesrepublik ging es dann wieder in das Rüstungsgeschäft. Heute ist Rheinmetall der größte deutsche Rüstungskonzern. Übrigens mit Produktionsstätten u.a. in Italien und Südafrika, wo Munition hergestellt wird, die heute im Jemen-Krieg eingesetzt wird.

Was macht Rheinmetall in Unterlüß?

Rheinmetall hat in Unterlüß etwa 1700 Beschäftigte. Neben Munition wird aktuell vor allem der neue Puma-Schützenpanzer dort hergestellt. Aber auch Fahrzeugkabinen für Militär-LKWs. In Unterlüß unterhält Rheinmetall zudem das mit 50 Quadratkilometern größte private Test- und Versuchsgebiet in Europa. Und für Rheinmetall ist die Türkei ein wichtiger Geschäftspartner. Über ein Joint-Venture ist Rheinmetall in die Herstellung eines neuen Panzers in der Türkei eingebunden. Rheinmetall hat wohl auch einen Auftrag zur Modernisierung der türkischen Leopard II-Panzer.

Was soll auf dem Camp passieren?

Das Camp findet statt vom 29. August bis zum 4. September. Am Donnerstag und Freitag werden wir tagsüber in Workshops und Exkursionen Einblicke in verschiedenste Themenfelder bekommen und so unsere Perspektiven, Erfahrungen und Analysen aus unterschiedlichen Kämpfen gegen Krieg und Rüstung und für eine bessere Welt miteinander teilen.

Den Donnerstagabend werden wir nutzen, um uns über Aktions-Ideen auszutauschen, uns kennenzulernen und zusammenzufinden. Am Freitagabend werden wir die Frage stellen, wofür wir jeweils kämpfen, für welche Werte wir eintreten und was wir darunter verstehen. Nach Inputs vom Podium werden wir zusammen mit allen Interessierten im Großplenum diskutieren: Welche Verbindungslinien sehen wir etwa zwischen Kämpfen der Friedensbewegung, der kurdischen Freiheitsbewegung, wissenschaftlichem und gewerkschaftlichem Engagement, der feministischen, der antimilitaristischen und der autonomen Bewegung in Deutschland, Europa und darüber hinaus? Und wo sehen wir Chancen und gemeinsame Perspektiven für die Zukunft? Der Samstag steht ganz unter dem Zeichen des internationalen Antikriegstags. Wir wollen den Tag für Aktionen für eine friedliche Welt nutzen. Am Abend wird es ein Kulturprogramm geben. Am Sonntag findet die große Antikriegs-Demonstration statt, zu der Busse aus verschiedenen Städten anreisen werden. Am Montag werden wir zum Abschluss die Frage diskutieren, wie wir in Zukunft gemeinsam weiter für eine bessere Welt kämpfen können.

Was sagt die Bevölkerung von Unterlüß dazu, gibt es zu ihr Kontakt?

Die Behörden versuchen aktuell, uns Steine in den Weg zu legen, sowohl was das Camp betrifft als auch bestimmte Punkte bei der Demonstration. Da müssen wir wohl in eine juristische Auseinandersetzung. Für die Beschäftigten ist es logischerweise eine komplizierte Angelegenheit. Sie sehen sich in ihrer Existenz abhängig von Rüstungsproduktion und Rüstungsexport. Das Thema Konversion ist im vergangenen Jahrzehnt ja völlig aus der öffentlichen Diskussion verschwunden. Aber da wollen wir ansetzen und ein Diskussionsangebot machen. Denn auf der anderen Seite ist auch den Beschäftigten klar, dass mit ihren Produkten Kriege geführt und Menschen getötet werden. Schön wäre, wenn wir wenigstens in der Gewerkschaft IG BCE, die für den Betrieb zuständig ist, eine Diskussion anschieben könnten. Um aber auch noch etwas Positives hervorzuheben: In Unterlüß gibt es kurioserweise eine ev.-luth. Kirchengemeinde, die den Namen Friedenskirche hat. Und da hat der Pastor bei der Junepa-Aktion im vergangenen Jahr einen Gottesdienst zum Thema gemacht. Und allgemein ist ja die Haltung in der Bevölkerung eindeutig: 80 Prozent sind gegen Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete.

Kann das Camp noch unterstützt werden, und wenn ja, wie?

Wichtig ist, das Camp und die Demonstration bekannt zu machen. Aber das tun wir ja gerade. Wer nicht direkt ins Camp kommen will oder kann, sollte in jedem Fall zur Demonstration kommen. Die Demonstration geht um 13.00 Uhr am Bahnhof los. Und, wie wir schon gesagt haben: Die Behörden machen uns Probleme, was uns Geld kosten wird. Deshalb wäre auch eine Spende toll.

Comm e.V.
GLS Bank
Stichwort: Camp Unterlüß
IBAN: DE64 4306 0967 2030 4204 47
BIC: GENODEM1GLS

Weiter Informationen zu dem Camp:

www.rheinmetallentwaffnen.noblogs.org

Twitter: @REntwaffnen

Facebook, Instagram: rheinmetallentwaffnen