„Wählen bedeutet, für Sichtbarkeit einzustehen“

„Nur wenn wir in der Diaspora aktiv unsere Anliegen einbringen, können wir zur Befreiung unseres Volkes beitragen“ – der politische Aktivist Baran Yenen erklärt, warum Menschen mit migrantischer Identität wählen sollten.

Kurdischer AKtivist Baran Yenen

Die Bundestagswahlen sind für viele in Deutschland lebende Kurd:innen eine Gelegenheit, ihre Stimme hörbar zu machen und politisch Einfluss zu nehmen. Gerade für Menschen mit Migrationshintergrund ist es entscheidend, sich aktiv an politischen Prozessen zu beteiligen, um ihre Anliegen sichtbar zu machen. Der politische Aktivist Baran Yenen, der Mitglied in der Partei die Linke ist, im Integrationsrat der Stadt Aachen sitzt und Leiter der Antirassismusstelle der Studierendenschaft der RWTH Aachen ist, setzt sich seit Jahren für die Rechte von Migrant:innen und Belange der Kurd:innen ein. Mit ANF sprach er über Herausforderungen für politische Partizipation und die Bedeutung von Aktivismus.

Warum halten Sie es für besonders wichtig, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland an den Bundestagswahlen teilnehmen?

Wahlen beeinflussen die Politik! Politische Teilhabe ist für Menschen mit Migrationshintergrund unglaublich wichtig. Es ist essenziell, Sichtbarkeit zu zeigen und an unserer repräsentativen Demokratie teilzuhaben. Viele Entscheidungen betreffen uns direkt – sei es in der Schule, am Arbeitsplatz oder im Alltag. Wer wählt, signalisiert: „Ich bin hier, das sind meine Belange, nehmt sie ernst!“ Wir müssen Bewusstsein für unsere Anliegen schaffen – und das gelingt nur durch stärkere Beteiligung.

Wie beeinflusst Ihre kurdische Herkunft Ihre politische Haltung und Ihr Engagement in Deutschland?

Meine kurdische Herkunft hat schon in jungen Jahren mein Bewusstsein für Gerechtigkeit, Menschenrechte, Selbstbestimmung und Antifaschismus geprägt. Wir Kurd:innen kämpfen seit Jahrhunderten um Anerkennung und Freiheit. Das hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, sich auch in Deutschland zu engagieren und unsere Belange sichtbar zu machen. Nur wenn wir in der Diaspora aktiv unsere Anliegen einbringen, können wir zur Befreiung unseres Volkes beitragen.

Was sind die größten Herausforderungen für politische Partizipation in migrantischen Communities, und wie können sie überwunden werden?

Eine der größten Hürden ist, dass viele Migrant:innen gar nicht erst wählen dürfen, weil sie keinen deutschen Pass haben. Das sind strukturelle Probleme, die mit institutionellem Rassismus zusammenhängen. Die Einbürgerung und Integration in die Gesellschaft werden bewusst erschwert. Hinzu kommt die weit verbreitete Angst, dass die eigene Stimme nichts bewirken könnte. Die Lösung? Mehr politische Bildung, mehr Informationen und die konsequente Bekämpfung des institutionellen Rassismus. Zudem müssen Parteien die Anliegen migrantischer Communities ernster nehmen und gezielt auf sie zugehen.

Welche Rolle spielt Aktivismus in einer Demokratie, und wie kann er politische Entscheidungen konkret beeinflussen?

Aktivismus ist eine der stärksten Möglichkeiten, um gesellschaftliche Missstände und Ungerechtigkeiten sichtbar zu machen und Veränderungen anzustoßen. Wir können auf die Straße gehen, Kampagnen und Petitionen starten und so mit zivilem Druck Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Es gibt zahlreiche Beispiele, in denen Aktivismus zu bedeutenden Veränderungen geführt hat – sei es das Frauenwahlrecht oder die Abschaffung diskriminierender Gesetze. Das zeigt: Gemeinsam können wir durch Aktivismus die Gesellschaft aktiv verändern.

Was raten Sie jungen Menschen, die politisch aktiv werden wollen, aber nicht wissen, wo sie anfangen sollen?

Fangt klein an! Informiert euch über Themen, die euch am Herzen liegen, tauscht euch mit anderen aus und bildet euch weiter. Sucht Kontakt zu Gruppen oder Organisationen, geht auf Demonstrationen und knüpft Netzwerke. Lasst euch nicht entmutigen – jede Stimme zählt, jeder einzelne Mensch kann etwas bewirken. Setzt Zeichen, sei es in der Schule oder auf Social Media. Die Welt gibt euch genug Möglichkeiten, um etwas zu verändern. Ihr habt das Potenzial – ihr müsst es nur nutzen!

Foto: Baran Yenen mit dem Ko-Vorsitzenden und Spitzenkandidat der Partei die Linke Jan van Aken auf einem Nachbarschaftsfest in Aachen © Ute Haupts Fotografie