Jahrestag des Falls des Kalifats: QSD warnen vor Wiederaufstieg des IS

Mit der Ortschaft Baghuz ist heute vor vier Jahren die letzte Bastion des IS gefallen. Damit endete die Territorialherrschaft der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Doch die Dschihadisten sind noch nicht besiegt, warnen die QSD.

Mit dem Fall von Baghuz endete am 23. März 2019 die Territorialherrschaft der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) innerhalb Syriens. Doch vom IS geht weiterhin eine erhebliche Gefahr aus, warnen die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) in einer Mitteilung anlässlich des vierten Jahrestags der militärischen Zerschlagung des Kalifats. „Der IS bleibt eine Bedrohung – sowohl für die Autonomiegebiete Nord- und Ostsyriens als auch für den Rest der Welt“. Die Terrororganisation habe sich nach dem Verlust territorialer Kontrolle zu einem Netzwerk aus Schläferzellen gewandelt, deren Ziel der Wiederaufbau des IS sei, betont das multiethnische Bündnis. Großes Rekrutierungspotential sehen die QSD in Auffang- und Internierungslagern wie Al-Hol, das als tickende Zeitbombe gilt, und in den Gefängnissen der Region. Angriffe wie der Anschlag auf das Asayîş-Hauptquartier in Raqqa im Dezember oder die versuchte Erstürmung des Haftzentrums Sina in Hesekê vor etwas mehr als einem Jahr unterstrichen die anhaltende Gefahr, die vom IS ausgehe.

Lösung der Frage der inhaftierten IS-Dschihadisten

„Die dauerhafte Niederlage des IS erfordert gemeinsame Anstrengungen mit der internationalen Gemeinschaft sowie den Ausbau militärischer und politischer Zusammenarbeit und Sicherheitskooperation“, so die QSD. Ein entscheidender Aspekt in dieser Hinsicht sei die Lösung der Frage der inhaftierten IS-Dschihadisten. Rund 12.000 Mitglieder der Terrormiliz befinden sich derzeit in Nord- und Ostsyrien im Gefängnis. Hinzu kommen mehrere zehntausend internierte Familienmitglieder aus über fünfzig Ländern, deren Last allein auf den Schultern der Selbstverwaltung liegt. Die QSD haben in den letzten Jahren immer wieder an die Herkunftsländer appelliert, sich verantwortlich zu zeigen und ihre Bürgerinnen und Bürger zurückzunehmen. „Der IS ist ein internationales Problem, die Staatengemeinschaft steht in der Pflicht, es anzugehen und aus dem Weg zu räumen“, betont das Bündnis. Vor allem in den Auffanglagern internierte IS-Mitglieder stellten hinsichtlich Sicherheit eine erhebliche Belastung für Nord- und Ostsyrien dar. Doch nur die wenigsten Herkunftsländer sind bereit, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen.

Einrichtung eines internationalen IS-Tribunals

Abhilfe für die Verhinderung des Wiederauflebens der Terrormiliz könnte ein internationales Sondergericht zur Verfolgung von ihren Mitgliedern schaffen. In Nordostsyrien gibt es nicht die Möglichkeit, ausländische Terroristen juristisch zu verfolgen. Durch Prozesse unter dem Dach eines IS-Tribunals im Autonomiegebiet wäre es möglich, faire Verfahren in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht und den Menschenrechtsabkommen zu organisieren – zudem würden die IS-Dschihadisten dort zur Rechenschaft gezogen und abgeurteilt, wo sie ihre Verbrechen begangen haben. „Die Einrichtung eines solchen Gerichts würde die Gefahr mindern, die von Mitgliedern des IS ausgeht, und die Aktivitäten von Schläferzellen im In- und Ausland sicherlich beeinflussen“, glauben auch die QSD. Doch auch in dieser Frage ist der Westen bislang nicht bereit, zu handeln.

Türkei „Paradebeispiel“ für Unterstützung des IS

„An dieser Stelle gilt es zu betonten, wie wichtig es ist, dass die internationale Gemeinschaft eine aktive Rolle spielt, um Druck auf regionale Länder auszuüben, die den IS unterstützen und der Terrororganisation dadurch ermöglichen, sich neu zu organisieren und auszubreiten“, unterstreichen die QSD. Gerade die Türkei sei ein „Paradebeispiel“ für die direkte Unterstützung des IS. Die von der türkischen Führung in Teilen von Syrien gewaltsam eingerichtete Besatzungszone habe sich als „sicherer Hafen“ für den IS, seine Anführer und Schläferzellen erwiesen, kritisieren die QSD und weisen auf nachrichtendienstliche Informationen hin, wonach in Rojava inhaftierte IS-Attentäter ihre Anweisungen, Direktiven und Unterstützung aus der türkischen Besatzungszone erhalten haben. „Die Tötung zahlreicher Anführer und Emire der Miliz in Gebieten wie Efrîn, Idlib, Bab, Cerablus, Serêkaniyê und Girê Spî bestätigt, dass die Türkei aktiv darauf hinarbeitet, den IS wiederzubeleben. Eine Reorganisation des Kalifats würde unsere Bemühungen behindern, Schläferzellen zu beseitigen und den Einfluss der extremistischen IS-Ideologie zu schwächen. Die internationale Gemeinschaft muss zudem ihre Unterstützung für den Wiederaufbau der vom Terror gezeichneten Gebiete im nordöstlichen Syrien verstärken, indem sie ihre Bemühungen in den Bereichen Gesundheit, Infrastruktur und Bildung intensiviert. Ein solches Vorgehen wird dazu beitragen, die dauerhafte Beseitigung terroristischer Aktivitäten zu beschleunigen.“

Schreckensherrschaft der Dschihadisten

Der sogenannte IS hatte 2014 weite Teile Syriens und des Irak unter seine Kontrolle gebracht und dort ein „Kalifat“ ausgerufen. Die Dschihadisten errichteten eine Schreckensherrschaft mit Enthauptungen, Steinigungen und der sexuellen Versklavung von Frauen. Über fünf Jahre währte der Krieg gegen die Terrormiliz, die ihre Hoheit nach einer internationalen Militärintervention nach und nach verlor. Zentrale Kraft im Kampf gegen den IS in Syrien waren jedoch die QSD, deren Rückgrat die Kämpferinnen und Kämpfer der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ bilden. Sie waren es, die den IS in Syrien durch viele Offensiven zuerst zurückgedrängt und schließlich zerschlagen haben. Ein Kampf, bei dem Rojava mit über 11.000 Gefallenen einen hohen Blutzoll bezahlt hat.