Newroz Ehmed: Der Kampf gegen den IS geht weiter

Newroz Ehmed aus dem Generalkommando der QSD berichtet, dass in den vier Jahren seit dem militärischen Sieg über den IS 285 islamistische Zellen zerschlagen, 397 Dschihadisten getötet und 2.720 weitere gefangen genommen wurden.

Vier Jahre sind seit dem militärischen Sieg der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) über den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) vergangen. Am 23. März 2019 beendeten die QSD nach einem langen und verlustreichen Kampf das islamistische Terrorregime in Syrien mit der Einnahme der letzten IS-Bastion in al-Bagouz an der Grenze zum Irak. Damit retteten sie nicht nur unzählige Menschenleben, sondern nahmen dem IS die Ausgangsbasis, um großangelegte internationale Anschläge vorzubereiten und umzusetzen. Es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass die Menschheit von den QSD von einer Geißel befreit wurde. Doch die Gefahr von IS-Zellen im Untergrund dauert an. Newroz Ehmed aus der Generalkommandantur der QSD berichtet im ANF-Interview über die Entwicklung des Kampfes gegen den IS in den vergangenen vier Jahren.


Seit dem Sieg gegen den IS in al-Bagouz sind vier Jahre vergangen. Was möchten Sie anlässlich dieses Jahrestages sagen?

Es ist ein wichtiger Jahrestag, denn an diesem Tag wurde das IS-Kalifat beendet. Das ist vor allem den Menschen in unserer Region zu verdanken. Sie haben große Verluste erlitten, denn sie waren den meisten Angriffen und Übergriffen ausgesetzt. Dieser Sieg, der im Frühjahr errungen wurde, hat einen neuen Frühling geschaffen. Es war ein sehr wichtiger Tag für die Welt. Dieser Sieg war nicht nur für die Menschen in der Region von Bedeutung, denn der IS stellte eine Gefahr für die ganze Welt dar. Natürlich gedenken wir an einem so wichtigen Tag erneut derer, die einen einzigartigen Kampf geführt und den Preis für diesen Sieg bezahlt haben. Wir gedenken voller Dankbarkeit unserer Heldinnen und Helden und der Gefallenen, denen wir diesen Sieg zu verdanken haben. Wir verneigen uns vor ihnen voll Respekt.

In al-Bagouz hat das „Kalifat“ sein Ende gefunden. Wie wir damals bereits sagten, besteht dieses Gedankengut jedoch weiter. Auch Menschen aus den Nachbarländern und vielen Ländern der Welt waren beeindruckt vom IS. Sie liebten den IS. Es gibt immer noch IS-Schläferzellenstrukturen in der Region. Nach al-Bagouz gab es diese Verbrecher und ihre Anhänger weiter. Sie mischten sich unter die Zivilbevölkerung und versteckten sich in den umliegenden Gebieten. Aus diesem Grund haben wir bereits damals erklärt, dass die Operationen gegen die Zellenstrukturen des IS fortgesetzt werden. Und es wurden viele Erfolge in dieser Hinsicht erzielt. Nach Bagouz wurden viele Söldneranführer gefasst, die diese Zellen koordinierten, und unsere Operationen dauern noch an.

Wie ging es mit dem Kampf gegen den IS weiter? Was wurde in dieser Zeit erreicht? Wie ist der aktuelle Stand der Anti-IS-Operationen?

In den vergangenen Jahren wurden umfangreiche Operationen gegen die Schläferzellen und in ihren Einflussgebieten durchgeführt. IS-Anschläge konnten an einigen Stellen verhindert werden. Seit al-Bagouz hat unser Kampf nie aufgehört und wurde mit verschiedenen Methoden fortgesetzt. Unsere Bilanz des Kampfes gegen den IS in den vergangenen Jahren zeigt dies deutlich. Die Gefahr ist nicht vorbei, die Präsenz des IS in der Region und seine Versuche, sich neu zu organisieren, gehen weiter. IS-Gefangene und ihre Angehörigen organisieren Anschläge. Es werden große Anstrengungen unternommen, um die Kontrolle über diese Bereiche zu erringen. Unter der Führung unserer Nachrichtendienste geht der gemeinsame Kampf der QSD und der Kräfte der inneren Sicherheit weiter.

Aufgrund von nachrichtendienstlichen Informationen über die Reorganisierung des IS haben wir Dutzende von Operationen in Gebieten wie in Camp Hol, Til Birak (Tell Brak), Til Hemis, Raqqa, Deir ez-Zor, Tabqa, Sirin usw. durchgeführt. Vor allem nach der türkischen Invasion 2019 in Serêkaniyê und Girê Spî gab es viele größere Angriffe des IS, so etwa auf die Gefängnisse in Hesekê und Raqqa. In diesem Zeitraum gab es 352 terroristische Anschläge durch den IS. Infolge der gemeinsam mit der internationalen Koalition und den Kräften der inneren Sicherheit organisierten Operationen wurden 2.323 IS-Mitglieder gefangen genommen, 397 IS-Mitglieder wurden getötet. Diese Personen hatten Anschläge organisiert oder den IS unterstützt. Die Verhöre der verhafteten Islamisten sind noch nicht abgeschlossen.

Wie viele IS-Mitglieder wurden nach den jüngsten Operationen in der Region verhaftet? Wie ist Situation der inhaftierten IS-Mitglieder? Wie steht es um die Sicherheit?

Nach unseren jüngsten Operationen beläuft sich die Zahl der in unseren Regionen inhaftierten IS-Söldner auf über zehntausend. Die in al-Bagouz verhafteten IS-Söldner sind immer noch bei uns. Es gibt Gefangene aus 60 Ländern. Wir haben im Jahr 2023 viele entscheidende Operationen durchgeführt, denn wir hatten erfahren, dass Befreiungsversuche von IS-Gefangenen bevorstünden und der Wiederaufbau des IS aufgrund von verschiedenen Faktoren – wie der Präsenz anderer Kräfte in der Region und der wirtschaftlichen Situation – ein bedrohliches Ausmaß angenommen hat.

Die größte Belastung für uns als QSD und Selbstverwaltung sind die IS-Gefangenen. Die Gefängnisse in der Region waren vorher nicht besonders sicher und die Gefangenen sind aufgrund der aktuellen Situation über die Region verstreut. Die Ausgaben für Gesundheit, Kleidung, Sicherheit usw. für die inhaftierten IS-Dschihadisten sind auf uns übergegangen. Die internationale Anti-IS-Koalition hat nur zehn Prozent dieser Last übernommen, der Rest ist uns überlassen. Obwohl internationale Organisationen vor allem nach dem Angriff auf das Sina-Gefängnis in Hesekê in die Region gekommen sind, entspricht diese Unterstützung nur zu einem sehr geringen Teil dem aktuellen Bedarf. Eigentlich hätte jedes Land seine eigenen Staatsangehörigen zurückholen müssen. Dies ist jedoch häufig nicht geschehen. Die Verfahren gegen die IS-Verbrecher in der Region sind nicht einfach zu führen, es muss ein internationales Gericht eingerichtet werden. Diesbezüglich wurde jedoch kein Schritt unternommen. Die meisten der verhafteten IS-Mitglieder und ihre Angehörigen sind irakische Staatsangehörige. Es gibt sehr zähe Verhandlungen mit der irakischen Regierung über ihre Überstellung. Entsprechend der Situation in unserer Region sind diese Gefangenen eine große Belastung für uns. Unsere Region wird ständig von Flugzeugen und mit Artillerie bombardiert. Die Belastung durch diese Gefangenen kann nicht allein von uns getragen werden, denn sie sind eine Gefahr für die ganze Welt.

Welchen Beitrag haben die anderen Institutionen und Organisationen in der Region zu diesem Kampf geleistet?

Unser erfolgreicher Kampf gegen den IS ist unseren Gefallenen und den Menschen in der Region zu verdanken, die einen hohen Preis gezahlt haben. Der IS hat viele Massaker verübt, denen viele Zivilisten zum Opfer fielen. Wir haben unsere Stärke und unsere Widerstandskraft aus der Tatsache bezogen, dass die Gesellschaft mit all ihren Komponenten hinter uns steht. Auch die Selbstverwaltung hat uns mit all ihren Institutionen in jeder Hinsicht stark unterstützt. In der Gesellschaft besteht ein starker Konsens, sich selbst zu verteidigen. Als Ergebnis des gemeinsamen Kampfes aller gesellschaftlichen und militärischen Institutionen wird unser Kampf immer stärker und die kollektive Aufmerksamkeit verhindert Anschläge.

Was ist der Beitrag der US-geführten internationalen Koalition?

Bei dem Prozess, der in Kobanê begann und bis nach al-Bagouz weiterging, wurde der gemeinsame Kampf auf höchster Ebene geführt. Auch die internationalen Koalitionsstreitkräfte haben eine Rolle bei unseren Siegen gespielt. Nach der Schlacht von al-Bagouz waren viele erleichtert. Doch der Gedanke, dass die Gefahr nicht mehr dieselbe ist wie zuvor, ließ Schwäche aufkommen. Einige Kräfte wollen an dieser Stelle ihre Pflichten erfüllen, aber es müssen stärkere gemeinsame Maßnahmen gemeinsam mit der internationalen Koalition ergriffen werden. Tausende von Gefangenen aus 60 Ländern und ihre Angehörigen sind eine ernste Gefahr, vor allem wenn ihre Situation nicht geklärt wird. Die gemeinsame Arbeit auf nachrichtendienstlicher und operativer Ebene wird in gewissem Umfang durchgeführt. Der größte Teil der Last liegt jedoch wieder bei uns. Es finden viele Gespräche statt, bei denen es um die Rückführung der inhaftierten IS-Mitglieder in ihre Länder geht, aber das ist nicht genug.

Es wurde berichtet, dass die QSD auch bei den von den USA geführten Operationen gegen die IS-Führer in Idlib eine Rolle spielten. Wie tragen die QSD zu den Operationen gegen den IS außerhalb der eigenen Gebiete bei?

Wir arbeiten mit der internationalen Koalition zusammen, um das Netzwerk, das die IS-Söldner in der Region mit Munition versorgt und finanziell unterstützt, zu identifizieren. Es gibt auch gemeinsame Anstrengungen, um gegen die hochrangigen IS-Führer ihre Unterstützer vorzugehen. Wir vernehmen die festgenommenen Islamisten und ihre Angehörigen auf der Grundlage der Informationen, die wir erhalten. Wir führen einen intensivem Kampf, um den IS vollständig zu zerschlagen, und sind auch an gemeinsamen Arbeiten in diesem Sinne beteiligt.

Was ist das größte Hindernis im Kampf gegen den IS? Es ist immer wieder von der Zusammenarbeit des türkischen Staats mit dem IS die Rede. Welche Dokumente und Informationen haben Sie bisher dazu?

Das sichtbarste Beispiel dafür ist die Tötung des IS-Führers Abu Bakr al-Baghdadi an der Grenze zur Türkei und in dem von der Türkei kontrollierten Gebiet. Die Kooperation des türkischen Staates mit dem IS ist allgemein bekannt. Die von uns festgenommenen Islamisten haben in ihren Verhören zugegeben, dass sie vom türkischen Geheimdienst in die Region geschickt wurden, nachdem sie in der Türkei ausgebildet worden waren. Die Tatsache, dass ihre Fluchtwege ebenfalls über die Türkei führen, zeigt diese Unterstützung noch einmal deutlich. Sie erhalten ihre Anweisungen vom türkischen Staat. Es ist offensichtlich, dass die IS-Söldner außerdem unter verschiedenen Namen organisiert in den türkisch besetzten Gebieten auftreten.

In den besetzten Gebieten begehen sie alle Arten von Angriffen auf die Gesellschaft wie Entführung, Inhaftierungen und Morde. Diese Angriffe richten sich besonders gegen Frauen und unterscheiden sich nicht im Geringsten von der Idee und Praxis des IS. Eine der Hauptaufgaben der QSD, die für ganz Syrien und seine Völker kämpfen, ist die Befreiung dieser besetzten Gebiete. Wir arbeiten weiterhin in vielen Bereichen, auch im militärischen, um die besetzten Gebiete zu befreien und den Menschen die Rückkehr auf ihr Land zu ermöglichen.

Wollen Sie abschließend noch etwas mitteilen?

Seit dem Sieg von al-Bagouz sind vier Jahre vergangen. Es wurden große Fortschritte erzielt und unser Kampf geht täglich weiter. Solange die Idee des IS existiert und es Versuche gibt, Gründe für ihre Wiederbelebung zu schaffen, werden wir unseren Kampf auch gegen den Wunsch anderer Mächte, die unserem Volk in Nord- und Ostsyrien dasselbe antun wollen wie der IS, fortsetzen. Wir werden weiterkämpfen, um das Entstehen einer neuen Gefahr für die ganze Welt zu verhindern. Als QSD werden wir unser Versprechen an unser Volk und die Familien der Gefallenen halten.