Wien: Protest gegen die Abschiebung von Özgür Doğan

In Wien versammelten sich viele Menschen zum Protest gegen die Entscheidung, den kurdischen Aktivisten und Kämpfer gegen den IS, Özgür Doğan, in die Türkei abzuschieben. Doğan soll an das AKP/MHP-Regime zur Aburteilung ausgeliefert werden.

Über den Platz der Menschenrechte in Wien hallte am Mittwoch die Parole „Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord“. Die Aktivist:innen protestierten mit dieser Parole gegen die Abschiebeentscheidung gegenüber dem kurdischen Aktivisten Özgür Doğan und für ein Bleiberecht aller politischen Flüchtlinge.

Immer mehr politische Flüchtlinge aus der Türkei werden in Österreich abgelehnt“

Aufgrund der zunehmenden Ablehnungen von Asylanträgen und Abschiebungen politischer Aktivist:innen aus der Türkei und Nordkurdistan durch die österreichischen Behörden erklärte ein Mitglied der Kampagne „Defend Kurdistan" auf der Kundgebung: „Kurd:innen und Mitgliedern der Opposition in der Türkei wird, obwohl sie in der Türkei politisch waren und dort verfolgt werden, in Österreich kein internationaler Schutz mehr gewährt. Die Verweigerung des internationalen Schutzes ist Teil der türkeifreundlichen Politik des österreichischen Staates, hinter der geopolitische und ökonomische Interessen stehen.“


Özgür Doğan befindet sich weiter auf der Flucht vor Verfolgung

Auf der Demonstration wurde insbesondere die Situation von Özgür Doğan zum Gegenstand gemacht. Doğans Geschichte ist beispielhaft. Von 2014 bis 2017 befand sich Doğan als freier Journalist in Rojava und beteiligte sich am Widerstand gegen den sogenannten Islamischen Staat. Er arbeitete in verschiedenen Institutionen von Rojava. 2017 wurde er bei einem IS-Angriff schwer verwundet und musste Rojava verlassen. Er ging nach Österreich und ersuchte dort um politisches Asyl. Ein halbes Jahr saß Doğan wegen seines Kampfes gegen den IS auch in Österreich in Haft, wurde jedoch dann entlassen und freigesprochen. Gegen Doğan liegen in der Türkei mehrere Anklagen und Haftbefehle vor. Dennoch wurde sein Asylantrag nach sechseinhalb Jahren abgelehnt und seine umgehende Abschiebung angeordnet. Aufgrund seiner Anklagen in der Türkei nach dem Terrorgesetz sei er dort von einem Gericht abzuurteilen, heißt es in der Begründung. Aufgrund der Dublin-Verordnung, in der festgelegt ist, dass nur in einem europäischen Staat ein Antrag auf Asyl gestellt werden darf, hat Doğan keine Möglichkeit, in Europa der Abschiebung an den Verfolgerstaat zu entgehen. Er ist außerhalb Europas untergetaucht. Doğan leidet an schweren gesundheitlichen Problemen, die eigentlich Behandlung benötigen.

Das Problem sind nicht wir, sondern die, die unsere Länder zerstören“

Özgür Doğan schickte eine Grußbotschaft an die Demonstration, in der er erklärte, dass die Rede von einem „Flüchtlingsproblem“ in Europa eine Verkehrung der Tatsachen sei. Unzählige Menschen seien gezwungen, ihre Länder aufgrund von Krieg und Zerstörung oder ihrer Verfolgung wegen der Teilnahme oder der Unterstützung von Freiheitskämpfen zu verlassen. Viele von ihnen ersuchen um politisches Asyl in Europa. Das Problem seien nicht die Menschen, die fliehen, sondern die kapitalistische Moderne, die Fluchtursachen am laufenden Band schafft. In der Erklärung hieß es: „Das Problem sind diejenigen, die Afrika in den Hunger treiben, Kurdistan spalten und teilen, unserem Volk alle Arten von Tyrannei, Massakern und Völkermord antun. Das Problem sind nicht wir, die unsere Länder verlassen mussten, das Problem sind diejenigen, die unsere Länder zu Orten den Kriegs gemacht haben.“

Ist der Kampf gegen den IS ein Verbrechen?“

Doğan berichtete auch von seinem eigenen Kampf gegen den Faschismus und seine Verfolgung in Österreich: „Als der faschistische türkische Staat 2014 eine Fahndungsanordnung und einen Haftbefehl gegen mich herausgab, ging ich nach Rojava, um Teil des Widerstands gegen den mörderischen IS zu werden. Ich arbeitete dort mit Nichtregierungsorganisationen und der Presse zusammen. 2017 wurde ich bei einem IS-Bombenanschlag schwer am Kopf und an einigen Körperteilen verletzt und kam zur Behandlung nach Österreich. Nachdem ich einen Asylantrag gestellt hatte, begann ich mit der Behandlung, wurde aber 2019 verhaftet, als ich mich psychisch und physisch noch nicht erholt hatte. Was war der Grund? Meine Haltung gegen den Krieg in meinem Land, mein Eintreten für den Frieden, mein Einstehen für mein Volk? Für den österreichischen Staat waren das terroristische Aktivitäten. Nach meiner Freilassung war ich ständigen Schikanen und psychologischem Druck durch Zivilpolizisten ausgesetzt, und schließlich wurde beschlossen, mich an die Türkei auszuliefern ... Was ist mit der Tatsache, dass Österreich alle meine Aussagen an die Türkei weitergegeben hat? Eine weiteres Verfahren wurde in der Türkei auf der Grundlage meiner Aussagen hier angelegt. Als ob es dort nicht schon genug Verfahren gegen mich gäbe. Das ist an sich schon unrechtmäßig und eine Straftat. Obwohl ich viele Verfahren in der Türkei habe, ist der Auslieferungsbeschluss an sich rechtswidrig. Es heißt, dass ich vor türkische Gerichte gestellt werden solle. 20 Jahre, 30 Jahre; wie viele Jahre werde ich dann im Gefängnis sitzen? Heißt das, dass das, was ich getan habe, hier ein Verbrechen ist? Der Kampf gegen die Terrororganisation IS soll ein Verbrechen sein? In der Türkei ist das ein Verbrechen, deshalb bin ich hier, aber hier werde ich genauso behandelt. Das Verhalten Österreichs gegenüber politischen Asylsuchenden ist nicht neu; so etwas wurde schon gegen viele Freundinnen und Freunden angewendet, und es geschieht immer noch. Wir müssen dem ein Ende setzen. Wir müssen unsere Stimme erheben. Wir müssen unsere Stimme erheben und Österreich entlarven, um diese Probleme zu schwächen. Ich habe ein zehnjähriges Einreiseverbot nach Europa erhalten. Ich lebe seit drei Monaten illegal außerhalb Europas. Ich habe gesundheitliche Probleme und muss meine Behandlung fortsetzen. Österreich sollte diesen Fehler rückgängig machen oder mein Dublin-Verfahren einstellen und mir die Möglichkeit geben, in einem anderen Land Asyl zu beantragen.“