Doğa Şîn und Eylül Deniz Zagros
Bei Angriffen der türkischen Armee auf die Gare-Region in Südkurdistan sind zwei Kämpferinnen der Verbände freier Frauen (YJA Star) ums Leben gekommen. Die Volksverteidigungskräfte (HPG) bestätigten in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung den Tod von Doğa Şîn und Eylül Deniz Zagros. Beide Kämpferinnen waren demnach über Jahre hinweg in verschiedenen Regionen Kurdistans in den Widerstand eingebunden und erlitten im Zuge zweier verschiedener Angriffe im Januar und Februar tödliche Verletzungen. Die HPG würdigten sie als „mutige und engagierte Militante“, die ihr Leben dem Kampf um die Freiheit des kurdischen Volkes gewidmet hatten.
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Codename: Doğa Şîn
Vor- und Nachname: Binevş Altay
Geburtsort: Pirsûs
Namen von Mutter und Vater: Üveyş – Selami
Todestag und -ort: 11. Januar 2025 / Gare
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Codename: Eylül Deniz Zagros
Vor- und Nachname: Evin Işbilir
Geburtsort: Gever
Namen von Mutter und Vater: Güzel – Halit
Todestag und -ort: 1. Februar 2025 / Gare
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Doğa Şîn
Die aus der nordkurdischen Stadt Pirsûs (tr. Suruç) stammende Doğa Şîn wuchs in einem politisierten Umfeld auf und schloss sich laut den HPG im Jahr 2014 der Guerilla an, inmitten des Krieges gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Ihre Entscheidung sei unter dem Eindruck des Angriffs auf die westkurdische Stadt Kobanê gefallen, die direkt gegenüber von Pirsûs auf der anderen Seite der Grenze liegt. „Sie versprach sich damals, den Menschen, die ihre Heimat verloren hatten, beizustehen und sich gegen das zu stellen, was sie als Ursache für das Leid betrachtete“, so die HPG.
Doğa Şîn hatte zuvor über Jahre hinweg nach einem Ausweg aus der als entfremdet empfundenen Gesellschaft gesucht. Begegnungen mit der Ideologie Abdullah Öcalans, die sie insbesondere über die Rolle der Frau und über alternative Lebensmodelle zum kapitalistischen System sensibilisierte, führten sie zur kurdischen Freiheitsbewegung. Nach ihrem Anschluss an die Guerilla kämpfte sie direkt in jenen Gebieten, in denen Widerstand gegen den IS geleistet wurde. Nach einer Verwundung bei einem Fronteinsatz und einem längeren Genesungsprozess kehrte sie in den aktiven Kampf zurück, diesmal direkt in die Berge.
Trotz ihrer Herkunft aus einer ebenen Region habe sie sich schnell mit dem Leben in den Bergen verbunden gefühlt. Sie engagierte sich dort in verschiedenen organisatorischen und militärischen Bereichen. Mit großer Entschlossenheit und auch taktischem Geschick spezialisierte sie sich auf moderne Formen des Guerillakampfes. Ihre Kamerad:innen beschrieben sie als disziplinierte, kreative und zuverlässige Genossin, die nie vor Herausforderungen zurückschreckte. In einem ihrer Texte beschrieb Doğa Şîn die Berge als mütterlich und schützend – eine Metapher für ihren Weg zur Selbstfindung. In ihren militärischen Einsätzen soll sie sich besonders durch Präzision und Engagement ausgezeichnet haben.
Eylül Deniz Zagros
Eylül Deniz Zagros wurde in Gever (Yüksekova) in der nordkurdischen Provinz Colemêrg (Hakkari) geboren – einer Region, die für ihren tief verankerten Widerstandsgeist bekannt ist. Ihre Familie war bereits in früheren Jahren aktiv im kurdischen Befreiungskampf engagiert, was sie stark prägte. Bereits im Jugendalter habe sie sich in politischen Zusammenhängen engagiert, ab 2009 etwa sei sie in die Organisierung der gesellschaftlichen Selbstverteidigung eingebunden gewesen. Im Jahr 2012 verließ sie die Universität und schloss sie im Zagros-Gebirge der Guerilla an.
Ihre politische und ideologische Schulung betrachtete Eylül Deniz Zagros als Grundlage für ihre spätere militärische Ausbildung. Nach eigenen Angaben war ihre Motivation eng verknüpft mit dem gewaltsamen Tod ihres Bruders und eines Cousins väterlicherseits 2013 in Gever. Beide Männer waren bei einer Demonstration gegen die Schändung eines Guerillafriedhofs durch die türkische Armee von Scharfschützen einer polizeilichen Sondereinheit gezielt erschossen worden.
Eylül Deniz Zagros‘ Weg bei der Guerilla führte sie über verschiedene Ausbildungsstationen schließlich auch in den Kampf gegen den IS, unter anderem in der ezidischen Şengal-Region, wo 2014 ein Genozid verübt wurde und ezidische Frauen systematisch verschleppt und misshandelt wurden. Insbesondere das Leid der Ezidinnen, das sie als Symbol patriarchaler Gewalt betrachtete, motivierte sie zu entschlossenem Widerstand.
Nach mehreren Verwundungen ging Eylül Deniz Zagros zurück in die Medya-Verteidigungsgebiete, bildete sich weiter und engagierte sich für die Entwicklung neuer Guerilla-Taktiken. Sie legte, so der Nachruf, besonderen Wert auf kollektive Verantwortung, Bescheidenheit und Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Bewegung. Besonders für junge Frauen sei sie durch ihre Entschlossenheit ein Vorbild gewesen.
Ein schwerer Verlust
Die Volksverteidigungskräfte drückten den Familien der beiden Gefallenen ihr Beileid aus und betonten in ihrem Nachruf die emotionale Bindung der beiden Kämpferinnen an die Ideale der Bewegung. Sie würdigten sie als Vorbilder für die neue Generation junger Aktivistinnen. Der Verlust sei ein schwerer Schlag, heißt es weiter, aber ihr Vermächtnis werde weiterleben – in der politischen Arbeit, im Kampf um Anerkennung und Rechte sowie im kulturellen Gedächtnis der kurdischen Bewegung. „Doğa und Eylül waren nicht nur Militante, sie waren Symbolfiguren einer Bewegung, die sich gegen Unterdrückung und für ein Leben in Freiheit stellt“, heißt es. Ihr Mut und ihre Konsequenz hätten sie über den Tod hinaus zu Vorbildern gemacht. „Wir werden ihren Weg mit Entschlossenheit weitergehen“, so die abschließende Botschaft.