Am 19. Januar beschloss der Deutsche Bundestag einstimmig und unter anhaltendem Beifall im ganzen Hause einen Antrag der Ampelfraktionen und der Unionsfraktion zur Anerkennung und zum Gedenken an den Völkermord an den Ezidinnen und Eziden 2014. Im Antrag wurde auf die Unmöglichkeit einer sicheren Rückkehr angesichts einer „hoch volatilen Sicherheitslage“ für ezidische Flüchtlinge hingewiesen und die Bundesregierung aufgefordert, „Êzîdinnen und Êzîden weiterhin unter Berücksichtigung ihrer nach wie vor andauernden Verfolgung und Diskriminierung im Rahmen des Asylverfahrens Schutz zu gewähren (…).“
Die Praxis des dem Innenministerium unterstehenden Bundesamtes für Flucht und Migration (BAMF) sieht aber ganz anders aus. Immer mehr schutzsuchende Ezid:innen werden abgelehnt. Zu Ezid:innen aus dem Irak und Südkurdistan gab es in den Jahren 2019 bis 2022 pro Jahr zwischen 3.657 und 7.310 Asylentscheidungen.
7.344 ezidische Schutzsuchende aus dem Irak wurden abgelehnt
Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage der fluchtpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Clara Anne-Bünger, geht ein rapider Verfall der bereinigten Schutzquoten von Ezid:innen hervor. Während die Schutzquote 2015 noch bei 99,1 Prozent lag, sank diese kontinuierlich bis auf 48,6 Prozent im Jahr 2022. Das bedeutet in absoluten Zahlen, dass insgesamt 7.344 ezidischen Flüchtlingen aus dem Irak und Südkurdistan der Schutzstatus durch das BAMF verweigert wurde. Viele der Bescheide sind offenkundig falsch. So wurden zwischen den Jahren 2019 und 2022 zwischen 34 bis 37 Prozent der überprüften BAMF-Bescheide gerichtlich aufgehoben. Das betrifft 2.460 Fälle.
Bünger kommentiert: „Der Bundestag hat sich einstimmig für einen andauernden Schutz der Überlebenden des Völkermords an den Jesidinnen und Jesiden ausgesprochen. Die vielen Ablehnungen jesidischer Asylsuchender aus dem Irak durch das BAMF sind mit diesem Beschluss des Bundestags unvereinbar. Bundesinnenministerin Faeser muss deshalb dringend handeln: Die Entscheidungspraxis des BAMF muss geändert werden, notfalls braucht es eine politische Bleiberechtsregelung für diese Gruppe.“
„Widerrufe versetzen Genozidüberlebende in Angst und Schrecken“
Gleichzeitig wird der Schutzstatus von Ezid:innen häufig widerrufen. Insgesamt gab es in den Jahren 2015 bis 2022 1475 Widerrufe des von zuvor an Ezid:innen aus dem Irak erteilten Schutzstatus. Bünger erklärt dazu: „Besonders schlimm ist es, wenn bereits erteilte Schutzstatus mit Verweis auf eine angeblich verbesserte Sicherheitslage vor Ort widerrufen werden. Damit werden die Überlebenden des Völkermords in Angst und Schrecken versetzt. Wie sollen sie so das Erlebte verarbeiten und zur Ruhe kommen? Diese Widerrufe sind mit der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Asylrecht nicht vereinbar, und mit dem Beschluss des Bundestags schon gar nicht.“