Tayyip Erdogan hat am 8. Februar eine frohe Botschaft in seiner „Rede an die Nation“ am Mittwoch angekündigt. Am Mittwoch begann dann die Militäroperation im südkurdischen Guerillagebiet Gare. Die HPG teilten am 11. Februar mit, dass die türkische Luftwaffe ein Lager für Kriegsgefangene bombardiert hat. Das türkische Verteidigungsministerium erklärte am 12. Februar, dass die Operation wie geplant läuft. Am Samstagabend ließ Verteidigungsminister Hulusi Akar verlauten, dass die Leichen von „13 unserer Staatsbürger“ gefunden worden sind. Zur Funktion der getöteten MIT-Angehörigen, Militärs und Polizisten, die als Kriegsgefangene von der PKK festgehalten wurden, äußerte er sich nicht. Vielmehr bemühte er sich darum, die Tatsache zu verschleiern, dass Gare von vierzig Kampfjets bombardiert worden ist. Um die Desinformationskampagne zur Gare-Invasion zu untermauern, teilte Akar mit, dass „einer unserer Staatsbürger durch einen Schuss in die Schulter und die anderen zwölf durch Kopfschüsse zu Märtyrern gemacht“ wurden.
„Ein Staat, der seine eigenen Soldaten massakriert, ist zu allem in Lage“
Yannis Vasilis Yaylalı ist Pontusgrieche aus Samsun am Schwarzen Meer. Er wurde 1994 als Soldat der türkischen Armee verwundet und von der PKK gefangen genommen. In den zwei Jahren und drei Monaten Gefangenschaft wurde er zum Friedensaktivisten. Nach seiner Freilassung wurde er vom türkischen Staat verhaftet und war dreieinhalb Monate im Gefängnis. Gemeinsam mit der Friedensaktivistin Meral Geylani war er nach dem Luftangriff auf Roboskî am 28. Dezember 2011 in das Dorf gezogen, um die Hinterbliebenen der 34 Todesopfer zu unterstützen.
Gegenüber ANF hat sich Yaylalı zum gezielten Angriff der türkischen Armee auf die Gefangenen in Gare geäußert. Er betont zunächst, dass er den Tod der Gefangenen sehr bedauert: „Die Regierung will ihren Stimmenverlust mit solchen Massakern verlangsamen. Ich weiß ohnehin, wie grausam sie ist. Wenn die PKK Möglichkeiten gewährleisten kann, damit dieses Massaker aufgeklärt wird, kann es der Öffentlichkeit im In- und Ausland zugänglich gemacht werden. Ein Staat, der seine eigenen Soldaten massakriert, ist zu allem in Lage.“
Die PKK sollte einen dringenden Appell an die internationale Öffentlichkeit richten, meint Yaylalı: „Wenn dieses Massaker aufgeklärt werden kann, können die Verantwortlichen vor ein internationales Strafgericht gebracht werden. Die Eltern der gefangenen Soldaten waren auch bisher schon in einer erbärmlichen Lage, inzwischen haben Worte keine Bedeutung mehr für sie, aber sie dürfen dem Staat niemals trauen und müssen für Gerechtigkeit für ihre Kinder kämpfen. Die Mörder ihrer Kinder, Partner oder Väter können ihnen keine Gefallenenmedaille verleihen. Sie haben an den Staat geglaubt und der Staat hat ihre Angehörigen nicht nur bombardiert, sondern sie auch noch mit Kopfschüssen hingerichtet. Jetzt versucht er anhand der Leichen, sein Ansehen zu verbessern. Das dürfen die Familien nicht zulassen. Was mit ihren Angehörigen geschehen wird, war ohnehin seit Beginn der Operation klar, aber sie müssen jetzt gegen diese Manipulation vorgehen und dafür kämpfen, dass diese grausamen Mörder vor Gericht gestellt und verurteilt werden.“
Yaylalı appelliert an Nichtregierungsorganisationen, den Familien beizustehen: „Gegen dieses absichtlich vom Staat begangene Verbrechen muss gemeinsam mit den Angehörigen für Gerechtigkeit gekämpft werden.“
Der ehemalige Kriegsgefangene und heutige Friedensaktivist zieht einen Vergleich zum Massaker von Roboskî: „Wie damals in Roboskî wird der Staat alle Register ziehen, um das Massaker zu verschleiern. In der Regierungszeit der AKP ist diese Art der extralegalen Hinrichtung geradezu zum Normalzustand geworden. Wenn das zugelassen wird, werden solche Massaker nie ein Ende finden. Wir haben schon immer gesagt, wenn diese Massakerserie in Roboskî durchbrochen wird, wird diese Kriegsregierung dem Erdboden gleichgemacht und es entsteht die Möglichkeit einer Aufarbeitung. Leider haben wir, auch aufgrund unserer mangelnden Erfahrung, trotz unseres jahrelangen Kampfes mitansehen müssen, wie der Staat Massaker vertuscht. Jetzt geht es darum, basierend auf unseren Erfahrungen aus der Vergangenheit zu verhindern, dass dieses Massaker wie Roboskî abgeschlossen wird. Wir müssen dafür kämpfen, dass diese brutale Kriegsregierung mit ihren Taten konfrontiert wird.“