6. Mai 1972: Hinrichtung von Deniz Gezmiş, Yusuf Aslan und Hüseyin İnan

Am 6. Mai 1972 wurden die Anführer der 68er-Bewegung in der Türkei, Deniz Gezmiş, Yusuf Aslan und Hüseyin İnan, im Ulucanlar-Gefängnis in Ankara hingerichtet.

Anführer der türkischen 68er-Bewegung

Deniz Gezmiş, Yusuf Aslan und Hüseyin İnan gehörten zu den wichtigsten Repräsentanten der türkischen Studenten- und Jugendbewegung. Sie waren ab Mitte der 1960er Jahre in der „Türkischen Arbeiterpartei“ (TIP) aktiv und hatten sich vor allem durch militante Aktionen wie die Beteiligung an den Protesten gegen die 6. US-Flotte, die zu der Zeit in Istanbul vor Anker lag, gegen die in der Türkei stationierten US-Streitkräfte hervorgetan. Zu diesem Zeitpunkt protestierte die Jugend in vielen Ländern gegen die etablierten Institutionen und Herrschaftsformen. Die Geschichte von Gezmiş und seinen Genossen ist daher untrennbar verwoben mit den damaligen politischen Verhältnissen, die ihn und andere innerhalb der aufgespaltenen türkischen Linken den Weg in den militanten Widerstand wählen ließen.

Nach Universitätsbesetzungen, vorübergehenden Inhaftierungen unter anderem wegen der Teilnahme an den Protesten gegen den Besuch des US-Botschafters Robert Komer, einem Aufenthalt 1969 in einem militärischen Trainingslager der „Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas“ gründeten Deniz Gezmiş, Hüseyin İnan, Yusuf Aslan 1970 gemeinsam mit Sinan Cemgil, Cihan Alptekin und anderen Genossen die Volksbefreiungsarmee der Türkei (türkisch: Türkiye Halk Kurtuluş Ordusu, THKO), eine bewaffnete marxistisch-leninistische Organisation. Gezmiş nahm als charismatischer Studentenführer ohne Angst und Scheu die Führung der Bewegung in die Hand und definierte den nationalen und internationalen Feind: Das Ziel der THKO war die Gründung einer demokratischen und unabhängigen Türkei - frei vom ausländischen imperialistischen Einfluss. Gezmiş, ein bekennender Kommunist, befürwortete den Austritt der Türkei aus der NATO, kämpfte für eine Bodenreform und kulturelle Rechte für die Minderheiten in der Türkei. Seine Ziele formulierte er: „Amerika und alle äußeren Feinde liquidieren, mit Verrätern kurzen Prozess machen und eine Türkei aufbauen, die vollkommen unabhängig und von ihren Feinden gesäubert ist.“

Deniz Gezmiş spricht beim Prozess vor dem Militärgericht, 1971 | Bildrechte: Deniz Gezmiş Vakfı

Die bewaffneten Stadt-Guerillaaktivitäten der THKO zur Füllung der Revolutionskassen, darunter Banküberfälle und Entführungen, konnten sich nur rund eineinhalb Jahre halten. Die besten Kader der Bewegung verloren in dieser Phase ihr Leben. Im Dezember 1970 verwundeten Gezmiş und seine Freunde zwei türkische Polizisten, die die US-amerikanische Botschaft in Ankara bewachten. Einige THKO-Mitglieder - angeführt von Sinan Cemgil – beschlossen daraufhin, den bewaffneten Kampf gegen den Staat vom Arxa-Berg (tr. Akçadağ) in der kurdischen Provinz Meletî (Malatya) aus zu organisieren. Deniz Gezmiş und Yusuf Aslan begaben sich auf den Weg ins Nûrheq-Gebirge, wurden aber in Sivas in ein Gefecht verwickelt. Aslan konnte aufgrund einer Schussverletzung seine Flucht nicht fortsetzen und wurde verhaftet. Gezmiş gelang es, einen Feldwebel zu entführen und von ihm ein Stück weggefahren zu werden. Aufgrund einer Straßensperre bei Gemerek verließ er allerdings das Auto und suchte Schutz in einem Graben. Am 16. März 1971, vier Tage nach dem Militärputsch, wurde er festgenommen.

Yusuf Aslan. Deniz Gezmiş und Hüseyin İnan (v.l.n.r.) bei ihrem letzten Hofgang am 5. Mai 1972 | Bildrechte: Deniz Gezmiş Vakfı

Vor einem Militärgericht wurde den Anführern der 68er-Bewegung vorgeworfen „den strafbaren Versuch unternommen zu haben, mit Gewalt die Verfassung der Türkischen Republik ganz oder teilweise zu ändern“. Die Staatsanwaltschaft forderte für Deniz Gezmiş, Hüseyin İnan und Yusuf Aslan sowie 15 Mitangeklagte die Todesstrafe. Am 9. Oktober 1971 sprach man sie schuldig und verhängte die Todesstrafe. Bevor mit Gezmis, Aslan und İnan die vermeintlichen Rädelsführer am 6. Mai 1972 im Ulucanlar-Gefängnis in Ankara hingerichtet wurden, bekannten sie sich in ihren letzten Worten nochmals zu den Idealen des Marxismus-Leninismus. 52 Jahre später werden die drei in der Türkei immer noch als Helden verehrt, viele linke Parteien und Gruppen berufen sich auf Deniz Gezmiş und seinen Kampf. Die meisten türkischen sozialistischen und marxistischen Organisationen seit den 70er Jahren entstammten selbst diesem studentischen Milieu der 68er-Bewegung.