81-jährige „Terroristin“ muss wieder ins Gefängnis

Makbule Özer aus Wan sitzt wieder im Gefängnis. Die als „Terroristin“ verurteilte 81 Jahre alte Kurdin muss nun doch ihre Reststrafe absitzen. Laut dem Institut für Rechtsmedizin sei sie haftfähig – trotz diversen Erkrankungen und einer Behinderung.

Türkisches Feindstrafrecht

Die Kurdin Makbule Özer aus Wan (tr. Van) sitzt seit heute wieder im Gefängnis. Die 81 Jahre alte Seniorin muss nun doch ihre Reststrafe absitzen, weil sie laut dem Institut für Rechtsmedizin (ATK) haftfähig sei – trotz diversen Erkrankungen wie Bluthochdruck und Kurzatmigkeit, einer eingeschränkten Beweglichkeit der Gelenke infolge von Diabetes sowie einer daraus resultierenden Behinderung, deren Grad auf 61 festgelegt wurde. Damit gilt Özer als schwerbehindert. Für das rechtsmedizinische Institut sind ihr Gesundheitszustand und das hohe Alter aber kein Grund, die Strafe auszusetzen. Die Anwaltsvereinigung ÖHD zeigte sich empört und bezeichnete den Umgang mit Özer als „unvereinbar mit Recht und Gewissen“. Dass die Frau erneut inhaftiert wurde, sei gleichzusetzen mit Folter und lege ein Konzept des Feindstrafrechts offen, kritisierte die Organisation.

Makbule Özer war im Frühjahr 2022 zusammen mit ihrem Ehemann Hadi Özer wegen „Terrorunterstützung“ verhaftet worden. Zuvor hatte ein Strafgericht das Ehepaar zu über zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Im Fall von Makbule Özer wurde der Strafvollzug aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands für ein Jahr ausgesetzt, sie wurde nach viermonatiger Inhaftierung freigelassen. Obwohl sich an ihrem Zustand nichts änderte, hatte die Gerichtsmedizin bereits im vergangenen November ihre Haftfähigkeit bescheinigt. Ihre Verteidigung war dagegen vorgegangen, die Generalstaatsanwaltschaft in Wan hatte daraufhin die Ladung zum Haftantritt zurückgezogen. Obwohl die Behörde damals in Aussicht stellte, Özer möglicherweise in den Hausarrest zu verlegen, gab es nun eine erneute Überprüfung ihres Gesundheitszustands – die schließlich zulasten der alten Frau ging.

Makbule Özer ist auf einen Rollstuhl angewiesen und wurde in ihrem Zuhause in Wan-Ertemêtan (Edremit) von ihren Kindern versorgt. Im Gefängnis kümmerten sich ihre Mitgefangenen um sie, die auch jetzt wieder ihre Verpflegung übernommen haben. Der ÖHD hat die türkischen Behörden aufgefordert, ihre Entscheidung zu überdenken. „Wir sprechen von einer 81 Jahre alten Seniorin, die krank und schwerbehindert ist. Der Ort, an dem sie sich befinden müsste, sollten ihre eigenen vier Wände sein und nicht ein Hochsicherheitsgefängnis.“

Titelfoto: Makbule Özer nach ihrer Haftentlassung im September 2022