HPG: Sie kämpften bis zur letzten Kugel

Die Guerillakämpfer Xebat Cûdî, Zamani Amanos, Serhed Jêhat und Yılmaz Dersîm sind in Nordkurdistan gefallen. Die HPG würdigen die Gefallenen als opferbereite Revolutionäre, die bis zum letzten Moment ihres Lebens für Freiheit kämpften.

Vier Guerillakämpfer in Botan gefallen

Das Pressezentrum der Volksverteidigungskräfte (HPG) hat eine Erklärung zu vier in Nordkurdistan gefallenen Guerillakämpfern abgegeben. Demnach kamen Xebat Cûdî und Zamani Amanos am 17. August bei einem Luftangriff der türkischen Armee im Gebiet Kêla Memê in Botan ums Leben. Nach ihrem Tod wurde das Gebiet weiter intensiv von Kampfjets und Hubschraubern bombardiert, im Anschluss kamen Bodentruppen zum Einsatz und es brachen Gefechte aus. Der Guerillakommandant Serhed Jêhat und der Kämpfer Yılmaz Dersîm starben am 18. August nach einem stundenlangen Gefecht, als die türkische Luftwaffe ihren Standort erneut bombardierte und sie ihre letzte Munition gegen sich selbst richteten, um nicht lebend in Gefangenschaft zu geraten.

Die HPG würdigten die Gefallenen als opferbereite Revolutionäre Kurdistans, die bis zum letzten Moment ihres Lebens für die Freiheit und Existenz ihres Volkes kämpften. Ihre vorbehaltlose militante Haltung sei ein Vorbild für den weiteren Kampf, die Erinnerung an sie werde weiterleben. Den Angehörigen und dem kurdischen Volk sprachen die HPG ihr Mitgefühl aus. In dem Nachruf machten die HPG folgende Angaben zur Identität und den Lebensläufen der Gefallenen:
 

Codename: Serhed Jêhat
Vor- und Nachname: Veysel Sevinç
Geburtsort: Agirî
Namen von Mutter und Vater: Melek – Abdulgafur
Todestag und -ort: 18. August 2024 / Botan

 

Codename: Yılmaz Dersîm
Vor- und Nachname: Barış Kartal
Geburtsort: Şirnex
Namen von Mutter und Vater: Fatma – Abdullah
Todestag und -ort: 18. August 2024 / Botan

 

Codename: Xebat Cûdî
Vor- und Nachname: Reşit Çevik
Geburtsort: Şirnex
Namen von Mutter und Vater: Saadet – Müslüm
Todestag und -ort: 17. August 2024 / Botan

 

Codename: Zamani Amanos
Vor- und Nachname: Serhat Güzel
Geburtsort: Mêrdîn
Namen von Mutter und Vater: Mülkiye – Ömer
Todestag und -ort: 17. August 2024 / Botan

 

Serhed Jêhat


Serhed Jêhat ist in Agirî-Panos geboren und bis zu seiner Einschulung unberührt von staatlichen Einflüssen in einem kurdischen Dorf aufgewachsen. Seine Familie brachte ihm das Grundprinzip bei, im Leben immer nach dem Guten, Richtigen und Schönen zu trachten. Diese Einstellung prägte sein gesamtes Leben. In der Schule wurde ihm eine fremde Sprache und Kultur aufgedrängt, er sollte sich zum Türkentum bekennen. Das war seine erste Konfrontation mit dem türkischen Staat. Als er später zum Arbeiten in eine türkische Stadt zog, wurde ihm die feindselige Haltung gegenüber den Kurd:innen noch stärker bewusst. Zugleich wirkte sich der kurdische Befreiungskampf auf sein Leben aus. Seine Familie und nahe Verwandte sympathisierten mit der Freiheitsbewegung und Serhed Jêhat begann, Analysen von Abdullah Öcalan zu lesen und sich mit dem Kolonialismus in Kurdistan auseinanderzusetzen. Zusammen mit seinen später gefallenen Verwandten Jêhat Agirî (Erhan Serhat) und Serxwebûn Jêhat (Sinan Serhat) vereinbarte er, gemeinsam der Guerilla beizutreten. Aufgrund verschiedener Umstände gelang der zeitgleiche Beitritt nicht, aber Serhed Jêhat hielt sich an sein Versprechen und folgte seinen Verwandten am 15. August 2005 in die Berge. Diesen Schritt bewertete er als bewusste Neugeburt, mit der er zu seiner wahren Identität zurückkehrte, die kapitalistische Moderne zurückwies und die Ideologie eines freien Lebens annahm. Er nahm an einer Grundausbildung in Xakurke teil und blieb zwei Jahre in der Region. Danach war er zwei Jahre im Gebiet Şehîdan. Nach einem Aufenthalt an der zentralen Parteischule in den Bergen kämpfte er in Botan und übernahm Verantwortung auf Kommandoebene. 2016 wurde er bei einem feindlichen Angriff verletzt und war in den Medya-Verteidigungsgebieten in gesundheitlicher Behandlung. Nach seiner Genesung war er wieder in Botan, 2019 machte er eine weitere Fortbildung und wurde anschließend in die Regionalkommandantur von Xakurke berufen. Bei seinem letzten Einsatz in Botan stand er vor der Option, verletzt in feindliche Gefangenschaft zu geraten oder als opferbereiter Militanter im Freiheitskampf zu sterben. „Unser Weggefährte Serhed ist mit seinem Kampf wie mit seinem Tod als einer der großen Helden der Fedai-Guerilla in die Geschichte eingegangen“, so die HPG.

Yılmaz Dersîm


Yılmaz Dersîm ist in Şirnex-Silopiya geboren und gehörte dem Stamm der Sipêrtî an. Seine Familie stand der kurdischen Befreiungsbewegung nahe und aus seinem Umfeld schlossen sich viele Menschen der PKK an. Er wuchs im Bewusstsein seiner kurdischen Identität auf und entwickelte schon früh eine politische Haltung. Seine Kindheit wurde von dem Krieg in Kurdistan und der Unterdrückung durch den türkischen Staat geprägt. Er ging nur kurze Zeit zur Schule, weil er seine Muttersprache nicht sprechen durfte. Auf einer Beerdigung gefallener Guerillakämpfer:innen schwor er Rache, 2013 ging er in seiner Heimatregion Botan in die Berge und schloss sich dem Freiheitskampf an. Er bekam eine Grundausbildung in den Medya-Verteidigungsgebieten und entwickelte sich schnell weiter. Das Leben in den Bergen fiel ihm nicht schwer. Mit seinem Enthusiasmus und seiner disziplinierten Arbeitsweise konnte er seinen Mitkämpfer:innen bei vielen Fragen behilflich sein. In der Praxis und weiteren Ausbildungen wurde er zu einem ideologisch gerüsteten Kämpfer mit militärischem Fachwissen. Er war sich seiner Verantwortung als Freiheitskämpfer seines Volkes bewusst und zu jedem Opfer bereit. Daher suchte er ständig nach Möglichkeiten, dem Feind einen schweren Schlag zu versetzen. Er wollte unter den schwierigsten Bedingungen revolutionär kämpfen und ging auf eigenen beharrlichen Wunsch nach Bakur (Nordkurdistan). In Kêla Memê kämpfte er bis zur letzten Kugel, die er für sich selbst aufbewahrte, um nicht lebend gefangengenommen zu werden.

Xebat Cûdî


Xebat Cûdî ist in Şirnex zur Welt gekommen und aufgewachsen mit der Widerstandskultur, für die Botan bekannt ist. Als Kind wurde ihm seine kurdische Identität bewusst. Seine Mutter erzählte ihm von dem grausamen Vorgehen des türkischen Staates in den 1990er Jahren, als Tausende Dörfer in Kurdistan niedergebrannt und die Menschen mit brutalen Methoden vertrieben wurden. Die Schilderung ihrer Erlebnisse hatten einen prägenden Einfluss auf Xebats Persönlichkeitsentwicklung. Nach den Massakern an der Bevölkerung während des Widerstands für Selbstverwaltung in Nordkurdistan entschied er sich für den bewaffneten Kampf und ging 2016 in Garzan in die Berge, um sich der Guerilla anzuschließen. Dort lernte er die ersten Grundkenntnisse für den Guerillakampf, für eine fundierte Ausbildung kam er in die Medya-Verteidigungsgebiete. Weil er mit seiner reifen Persönlichkeit und seiner festen Verbundenheit mit der Freiheitsbewegung das Vertrauen seiner Weggefährt:innen gewann, wurden ihm bald wichtige Aufgaben übertragen, die er lange Zeit kontinuierlich und erfolgreich erfüllte. Er widmete sich intensiv der Philosophie von Abdullah Öcalan und bildete sich auf militärischem Gebiet weiter. Auf eigenen Wunsch kehrte er schließlich nach Bakur zurück, wo er am 17. August bei einem feindlichen Angriff in Kêla Memê ums Leben kam.

Zamani Amanos


Zamani Amanos ist in Mêrdîn-Dêrik geboren und hat seine Kindheit in Riha-Weranşar verbracht. Er wuchs in einem politisierten Umfeld auf und kannte die PKK bereits als Kind. Der Krieg in Kurdistan und insbesondere die Politik der verbrannten Erde und die extralegalen Hinrichtungen in den 1990er Jahren führten ihm die Realität des türkischen Staates vor Augen. Aufgrund der Verleugnung der kurdischen Identität sprach er grundsätzlich seine Muttersprache Kurmancî, um sein eigenes Ich zu schützen. Neben der Schule arbeitete er, um zum Lebensunterhalt seiner Familie beizutragen. Während seines Studiums wurde er in der kurdischen Jugendbewegung aktiv. Er studierte Bauingenieurswesen in Iskenderun und hatte Aussicht auf ein materiell gut versorgtes Leben, aber er zog ein freies Leben in der PKK-Bewegung vor. In der folgenden Zeit übernahm er Aufgaben an verschiedenen Orten in Nordkurdistan und arbeitete konspirativ in den YPS-Strukturen. Dafür wurde er verhaftet und verbrachte die nächsten fünf Jahre im Gefängnis. Er nutzte diese Zeit und verließ das Gefängnis als ideologisch gereifter und gerüsteter apoistischer Militanter. Seine Freilassung fiel in eine Zeit intensiver Angriffe auf die kurdische Bewegung, und Zamani ging in die Berge. Bei der Guerilla konnten seine Mitkämpfer:innen von dem Wissen profitieren, das er sich im Gefängnis angeeignet hatte. Er durchlief eine intensive Ausbildungsphase und wurde zu einem professionellen Guerillakämpfer. In dem Bewusstsein, dass der Kampf der PKK auf Selbstlosigkeit und Opferbereitschaft basiert, ging er auf eigenen Vorschlag nach Bakur. In Kêla Memê schloss er sich am 17. August bei einem feindlichen Angriff der Karawane der Gefallenen an, so die HPG.