„Der Aleppo-Feldzug wurde von der Türkei geplant“
Der Journalist Demhat Tolhildan berichtet von einem ungehinderten Vormarsch des HTS in Syrien und sagt, die Dschihadisten seien von der Türkei ausgebildet und ausgerüstet worden.
Der Journalist Demhat Tolhildan berichtet von einem ungehinderten Vormarsch des HTS in Syrien und sagt, die Dschihadisten seien von der Türkei ausgebildet und ausgerüstet worden.
Die Terrororganisation Hayat Tahrir al-Sham (HTS) setzt die Angriffe auf Aleppo und Umgebung fort. Ein großer Teil Aleppos und weitere Ortschaften stehen mittlerweile unter der Kontrolle des syrischen Al-Qaida-Ablegers, der sich früher Al-Nusra nannte. Die syrische Armee hat sich ohne Gegenwehr aus den Siedlungsgebieten zurückgezogen. Der Journalist Demhat Tolhildan beobachtet die Entwicklungen vor Ort und hat sich gegenüber ANF zu der aktuellen Situation geäußert.
„Die Dschihadisten stoßen auf keinen Widerstand“
Tolhildan sagte, die HTS-Truppen rückten in einem weiten Gebiet von Hama bis Dera vor: „Sie stoßen auf keinen Widerstand, die Regimetruppen und Russland überlassen ihnen überall das Gebiet. Der Angriff war gut vorbereitet, zeitgleich sind Schläferzellen in der von Damaskus kontrollierten Region aktiviert worden.“
Situation in den kurdischen Vierteln in Aleppo
Zur Situation in den Stadtvierteln von Aleppo, in denen vor allem Kurdinnen und Kurden leben, berichtete Tolhildan, dass die Bevölkerung organisiert und zur Selbstverteidigung bereit ist. Angriffe gebe es nicht, in Şêxmeqsûd (Scheich Maksud) sei das Eindringen von HTS-Söldnern von den gesellschaftlichen Verteidigungskräften HPC verhindert worden. „Die Banden greifen in Şehba und der Umgebung von al-Bab an“, sagte Tolhildan. Außer den kurdisch besiedelten Gebieten im Großraum Aleppo seien alle Orte unter die Kontrolle der Banden geraten. Viele Menschen seien in die kurdischen Viertel und die Gebiete der Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens geflohen. Aufgrund konfessioneller Unterschiede sei ihnen ein Leben in den von den Banden kontrollierten Gebieten nicht möglich.
Türkei als Drahtzieher der Angriffe
Tolhildan sagte weiter, der türkische Staat habe indirekt bestätigt, Drahtzieher des Angriffs zu sein. Er wies auf die militärische Ausrüstung der angreifenden Milizionäre hin und sagte, diese reiche von Thermalnachtsichtsystemen bis zu Kamikaze-Drohnen. Es sei völlig offensichtlich, dass die Angreifer vom türkischen Staat ausgebildet und ausgerüstet worden seien. Beispielsweise nenne sich die für den Einsatz von Kamikaze-Drohnen zuständige Einheit nach dem türkischen Wort für Falke „Şahin“-Gruppe. „Şahin ist kein arabisches Wort. Offenbar hat der türkische Staat sogar den Namen der Gruppe ausgesucht“, erklärte Demhat Tolhildan. „Die gesamte Planung wurde vom türkischen Staat gemacht und den Banden vorgelegt. Ohne Rückendeckung hätten sie nirgendwo angegriffen. Der türkische Staat lässt sie angreifen und sieht die sich verändernden Machtverhältnisse als Chance für sich.“
Auftrag der NATO und türkisches Eigeninteresse
Demhat Tolhildan ist der Meinung, dass der Angriff nicht unabhängig von der NATO und den USA stattfindet. Zwischen den Stellungnahmen der Türkei und der USA gebe es eine auffällige Parallelität, der türkische Staat protegiere die islamistischen Gruppen in Syrien im Auftrag der NATO, betonte der Journalist. „Die Türkei erfüllt den Auftrag der NATO, die dschihadistischen Gruppen zu kontrollieren und die Flüchtlinge aus Syrien zurückzuhalten. Gleichzeitig benutzt sie diese Banden auch für ihren eigenen Pläne.“
Russland und Iran sind geschwächt
Möglicherweise hätten die USA im Eigeninteresse grünes Licht für den Angriff gegeben, um Russland in der Region zu schwächen. Ein weiterer Faktor sei die Sicherheit Israels. Russland sei aufgrund des Ukraine-Kriegs geschwächt und habe technische Kräfte aus Syrien abgezogen. „Auch der Iran ist durch die Konflikte in der Region angeschlagen“, sagte Tolhildan. „Russland und Iran wollen nicht auf dieses Gebiet verzichten und würden gerne intervenieren, aber dazu sind sie aufgrund ihrer momentanen Schwäche nicht in der Lage.“
Angriffe auf kurdisch besiedelte Gebiete
Hinsichtlich der Gefahren für die kurdische Bevölkerung erinnerte Demhat Tolhildan an den Angriff des IS und sagte: „2014 wollte der IS nach Damaskus vorrücken, änderte dann jedoch den Kurs und griff die Kurden an. Dieselben Kräfte, die damals den IS umgelenkt haben, werden ihre Söldnerbanden auch jetzt gegen die Kurdinnen und Kurden hetzen. Wer behauptet, dass die Banden die Kurden nicht angreifen werden, liegt falsch. Die arabische Bevölkerung in Tell Rifat, die ein Zusammenleben mit den Kurdinnen und Kurden befürwortet, wird bereits jetzt angegriffen. Der türkische Staat wird die Gelegenheit nutzen und seine Banden die kurdisch besiedelten Gebiete angreifen lassen.“