NATO-Norderweiterung: Erdogan stellt neue Forderungen

Die Türkei blockiert weiterhin einen NATO-Beitritt von Schweden. Staatspräsident Erdogan verlangt zunächst die Auslieferung von rund 130 „Terroristen“.

Die Türkei will ihre Blockadehaltung gegenüber einem NATO-Beitritt von Schweden vorerst nicht aufgeben. Sein Land könne einer Mitgliedschaft des nordischen NATO-Aspiranten nur dann zustimmen, wenn es „Terroristen“ ausliefere. Das sagte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan am Sonntag bei einer Veranstaltung der AKP-Jugend in Muğla.

Die Äußerungen Erdogans zielen unter anderem auf politische Aktivist:innen und Geflüchtete aus dem kurdischen Spektrum. Insgesamt verlangt die Türkei demnach die Auslieferung von knapp 130 Personen, die sie als Terroristen einstuft. Unter ihnen befinden sich auch Anhänger der Bewegung des islamistischen Predigers Fethullah Gülen. Ankara macht die Organisation („FETÖ“) des im Exil in den USA lebenden ehemaligen AKP-Partners für den als „Geschenk Gottes“ bezeichneten Putschversuch 2016 verantwortlich.

„[Schwedens] Parlamentspräsident wollte seinen Amtskollegen besuchen. Unser Parlamentspräsident hat das Treffen aber abgesagt, weil sie denken, die jetzige Türkei sei die alte Türkei,“ so Erdogan. Mit Verweis auf pro-kurdische Demonstrationen in dem Land sagte der Regimechef: „Wenn Schweden an dieser Situation nichts ändert, werden die Spannungen zwischen uns noch viel mehr zunehmen“.

Erdogan erneuerte außerdem seinen Vorwurf, auch in Deutschland, Frankreich und Großbritannien würden sich „Terrororganisationen“ unbehelligt zeigen können. Auch diese Länder seien aufgefordert, entsprechende Personen nicht zu beherbergen und sie an die Türkei auszuliefern.

Keine Ermittlungen zu Erdogan-Puppe in Stockholm

Zu weiterem Zwist in der Causa dürfte eine Entscheidung der schwedischen Staatsanwaltschaft hinsichtlich einer Protestaktion gegen Erdogan führen, die Ankara äußerst verärgerte. Der Vorfall ereignete sich vergangene Woche in Sichtweite des Stockholmer Rathauses. Aktvist:innen hängten dort eine Puppe des türkischen Präsidenten an den Füßen auf. Die Aktion wurde angeblich von den Rojava-Komitees durchgeführt, „einem Netzwerk für Solidarität und Austausch mit der revolutionären Bewegung in ganz Kurdistan“. Sie wollten Erdogan damit in die Nähe des faschistischen italienischen Diktators Benito Mussolini stellen, dessen Leiche 1945 kopfüber in Mailand aufgehängt worden war.

Als Reaktion auf die Aktion bestellte die türkische Regierung den schwedischen Botschafter ein und strich einen für diese Woche geplanten Besuch des schwedischen Parlamentspräsidenten Andreas Norlén in Ankara. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, leitete die türkische Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein, nachdem ein Anwalt Erdogans Strafanzeige eingereicht hatte.

Die schwedische Staatsanwaltschaft teilte am Montag mit, dass sie in der Angelegenheit vorerst keine Ermittlungen aufnehmen wird. „Ich habe beschlossen, keine Voruntersuchungen einzuleiten“, erklärte der Stockholmer Staatsanwalt Lucas Eriksson. Der Zeitung „Aftonbladet“ sagte er zuvor, er denke nicht, dass es sich bei der Aktion um Verleumdung handeln könnte. Es könne aber eine Überprüfung beantragt werden.